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Februar 2017 / Frank Hakopians
Dem Hype um „Elphi“ lässt sich nach der Eröffnung im Januar in der hanseatischsten aller Hansestädte derzeit kaum entgehen. Und zumindest ein Besuch der Plaza müsste an diesem Wochenende ja eigentlich drin sein, um den bereits jetzt legendären Hafenblick von der 37 Meter über dem Wasserspiegel befindlichen Aussichtsplattform der Hamburger Elbphilharmonie einmal selbst zu genießen.
Die Hamburger Elbphilharmonie
Doch zunächst geht es in eine gänzlich andere Richtung, nämlich ins Holiday Inn an den Elbbrücken, wo die Norddeutschen HiFi-Tage dieses Jahr bereits zum zwölften Mal für interessierte Besucher ihre Türen öffnen.
Was zunächst im überschaubaren Rahmen und als lokale Veranstaltung begann, hat sich zur bedeutendsten HiFi-Messe im gesamten norddeutschen Raum entwickelt. Gut 417 unterschiedliche Marken und Hersteller listet der diesjährige Messekatalog auf, laut Veranstalter ein Plus von 26 Ausstellern im Vergleich zum Vorjahr. Sie alle verteilen sich auf immerhin 129 Säle, Zimmer und Freiflächen. Solche Quantitäten arbeitet man nicht mal eben so an einem Wochenende ab, insbesondere da die gebotene Qualität der Vorführungen im Vergleich zu den letzten Jahren gefühlsmäßig deutlich zugenommen hat. Da ist es fast müßig zu erwähnen, dass dieser Bericht nur Schlaglichter auf besonders gelungene Präsentationen oder spannende Marken und Geräte werfen kann.
Besucherandrang auf den Norddeutschen HiFi-Tagen 2017
Besonders am Samstag zeichnete sich ein Rekordandrang ab. Vor dem Eingang des Holiday Inn standen wegen des unangenehm nieselkalten Wetters zwar nur recht wenige, meist rauchende Menschen Spalier, doch bereits in der Lobby wurde es ausnehmend kuschelig und voll. Am Ende werden es wohl rund 4500 Besuchern gewesen sein, die vom 4. – 5. Februar 2017 die Gelegenheit nutzten, sich über die aktuellen Trends und Sounds im Bereich HiFi und Highend zu informieren.
Doch bevor es durch die Zimmer geht, sei ein herzliches Dankeschön an das ausrichtende Hamburger HiFi-Studio Bramfeld gestattet, das mit seinem Team unter der Federführung von Inhaber Wolfgang Borchert und Tochter Yvonne Borchert-Lima in quasi hanseatischer Tradition einen enormen Planungs- und Organisationsaufwand zu bewältigen hatte, um das Event in dieser einzigartigen Form – und wie immer für alle Besucher kostenfrei – zu ermöglichen.
Thank you for the music: Wolfgang Borchert und Yvonne Borchert-Lima richten die Norddeutschen HiFi-Tage aus
Im Saal Moldau des Erdgeschosses konnte man auf einen außergewöhnlich gut aufgelegten Mansour Mamaghani treffen. Klar doch, denn schließlich sind die „Norddeutschen“ für den Chef von Audio Reference (https://audio-reference.de) so etwas wie ein Heimspiel, residiert seine Firma doch in der Hamburger Alsterkrugchaussee.
Mansour Mamaghani von Audio Reference präsentierte unter anderem den Micromega M One 100
Zur guten Laune trug aber auch bei, hier vor heimischem Publikum Micromegas M One 100 live präsentieren zu können. Das exquisit aus einem Block Aluminium gefräste Gehäuse sorgte schon für einigen Eindruck. Noch beeindruckender ist es freilich um die Funktionalität des M One bestellt. Im Grundsatz handelt es sich um einen universell einsetzbarer Vollverstärker inklusive DAC, der unter anderem mit Airplay, Bluetooth apt-X, DXD, DSD, DOP, SPDIF und USB asynchron für so ziemlich alle (digitalen) Anwendungsfälle gerüstet sein dürfte. Und sogar an einen MM- und MC-fähigen Phonozug hat man bei Micromega gedacht. Eine speziell entwickelte Raumkorrektur wird demnächst ebenfalls optional erhältlich sein. Vor diesem Hintergrund erscheint der Preis von 3.900 Euro durchaus gerechtfertigt, da auch der Klang des M One 100 an der Sonus Faber Venere S (ab 5.200 Euro) zu gefallen wusste. Aufgeräumt und detailliert gelang es dem französischen Beau, den großen Saal erstaunlich gut mit Musik zu beschallen. Selbst an ausreichender Kraft schien es dem auffallend unverfärbt aufspielenden M One 100 nicht zu mangeln. Nur das letzte Quäntchen Nachdruck im Bass blieb das Set-up schuldig, denn Audio Reference verzichtete ganz bewusst auf einen Subwoofer. In normalen Wohnzimmern sollten die gebotenen 100 Watt, die der M One aus klanglichen Gründen mit klassischen AB-Verstärkern erzeugt, aber vollkommen ausreichend sein. Für Besitzer regelrechter Wohnhallen wird in Kürze auch eine 150 Watt starke Version zu haben sein.
Auch bei Audio Research tat sich etwas. Drei weitere Geräte der neuen Foundation Serie gesellen sich nun zum Vorverstärker LS28. Der 9.200 Euro teure Phono-Preamp PH9 baut wie sein großer Bruder Reference Phono 3 auf Röhren des Typs 6H30. Per Fernbedienung wählbare Impedanzen und die Fähigkeit, MM- und MC-Tonabnehmer gleichermaßen zu umsorgen, gehören inzwischen zum gewohnten Standard des US-Herstellers.
Auch von Audio Research gab es Neuigkeiten: Im Vordergrund ist die Röhrenendstufe VT 80 zu sehen
Als Nächsten im Bunde der neuen Foundation-Geräte konnte man den im gleichen typischen Outfit gehaltenen D/A-Wandler DAC9 (9.200 Euro) bestaunen. Auch die Vorstellung der taufrisch aus Minnesota eingetroffenen Röhrenendstufe VT 80 (10.900 Euro) bereitete dem Audio-Reference-Inhaber sichtlich Freude. Hier sorgen vier KT120-Endröhren für 75 muntere Watt, während die Autobias-Schaltung, übrigens ein Novum bei ARC, die künftigen Besitzer von der Pflicht zur Kontrolle und Einstellung des Ruhestroms befreit.
Ebenfalls im Raum Moldau entdeckte ich einige „Holzkisten“, die sich auf Nachfrage als Geräte des schwedischen Spezialisten für Stromreinigung und Erdungsfragen Entreq entpuppten. Ab etwa 1.000 Euro lässt sich mit einer zusätzlichen optimierten Erdung der Klang der heimischen Kette nach vorne bringen.
Entreq
Ein „Cleaner“ genanntes Netzfilter schlägt mit 2.200 Euro zu Buche und für die aufwendige Netzleiste mit sechs Steckplätzen, den „Distributor“, müssen sogar 6.500 Euro berappt werden. Nach meinen Erfahrungen mit dem Thema und dem kürzlich erfolgten Test diverser Stromverbesserer aus dem Hause Nordost lässt sich keinesfalls pauschal über diese all zu oft vorschnell in die Voodoo-Ecke gestellten Komponenten urteilen. Hier gilt es auszuprobieren und den eigenen Ohren zu vertrauen.
Einige Türen weiter stieß ich auf Ingo Hansen, der sich bereits seit Längerem mit seiner Firma Phonosophie (www.phonosophie.de) in den Untiefen energetischer Entstörprodukte auf Basis der sogenannten Aktivator-Technologie durchaus erfolgreich bewegt. Es sei höchst sinnvoll, dem allgegenwärtigen Elektrosmog mit Hilfe von Abschlusssteckern zu Leibe rücken und ungenutzte Anschlüsse zu verschließen, ließ sich seinen Ausführungen entnehmen.
Ingo Hansen von Phonosophie
Den günstigsten Einstieg stellen dabei die sogenannten First-Step-Caps und -Plugs dar (First Step Caps Stück ab 7 Euro, 20er-Pack 99 Euro). Um den vorgetragenen Theorien auch Taten folgen zu lassen, erhielten alle Besucher von Phonosophie einen gratis Steckdosen-Abschlussstecker überreicht. In Hamburg gab es auch Phonosophies ersten Audioserver und Streamer, den neuen PAS-1 zu sehen. Hören konnte ich ihn leider nicht mehr, doch ein Test dieses 2.500 Euro teuren Gerät ist in Planung.
Richtig amtlich ging es dann bei Bowers & Wilkins (www.bowers-wilkins.de) zu, wo dem zahlreich erschienenen Publikum die 800 D3, das vorläufige Flaggschiff der neuen 800er-Serie, demonstriert wurde. Senior-Produktmanager Ulf Soldan führte souverän durch die Veranstaltung.
Ulf Soldan stellte das B&W-Flaggschiff 800 D3 vor
Als endlich Musik gespielt wurde, setzte sich das Topmodel 800 D3 deutlich von dem ab, was bisher auf Messen von älteren B&W-Lautsprechern zu hören war. Selbst unter den wie üblich eher mittelprächtigen Messebedingungen wurde an Classe-Elektronik mit Preamp Sigma SSP sowie Sigma Mono-Endverstärkern und dem quellseitig verwandten Musikserver Digibit Aria ein eindruckvolles Statement in Bezug auf Räumlichkeit und der mit einem großen Lautsprecher erreichbaren klanglichen Homogenität abgegeben. Über Pegelreserven und schiere Basspotenz wird sich sowieso kein Besitzer einer 800 D3 je ernsthaft beschweren. Nur etwas Kleingeld muss natürlich mitgebracht werden: Ein Paar 800 D3 kostet 30.000 Euro.
Nicht minder beeindruckend ging es im Raum von TAD Labs zu. Der aus Pioneers 1975 gegründeter Profiabteilung entstandene und nun seit 2002 eigenständig im Highend-Bereich operierende Hersteller hat seit 2016 einen neuen deutschen Vertrieb (http://tad.tokyo). Benedikt Dohmen und sein Partner Mirek Duda sind angetreten, dem Mythos TAD endlich wieder Leben einzuhauchen. Dafür haben sie einen neuen kleinen Lautsprecher, die Micro Evolution One, mit nach Hamburg gebracht. Der Einstandspreis für TADs „Kleine“ liegt bei 12.900 Euro.
Diese Anlage von TAD Labs liegt preislich bei über 80.000 Euro. Die Racks sollen schon günstiger zu bekommen sein
Dafür erhält man einen wohnraumfreundlichen Dreiwegler, der im Mittelhochtonbereich über ein Koaxiallautsprechersystem (mit Berylliumhochtöner) verfügt und ein spezielles Bassreflexsystem („Bi-Directional Aero-Dynamic Slot Port“) mit seitlichen Austrittsöffnungen besitzt, das neben tiefen Bässe auch deren absolut strömungsgeräuschfreies Zustandekommen gewährleisten soll. Einen Frequenzbereich von 36 Hz bis 60 kHz soll dieser Monitor übertragen können. In normgerechten, also nicht zu großen Wohnzimmern wird ziemlich sicher niemals das Verlangen nach einem Subwoofer aufkommen, so tief, fest und schwarz entließen die TAD Micro Evolution One die Bässe in den Raum. Am meisten aber beeindruckte die enorme Verfärbungsfreiheit und wie präzise und detailliert die Lautsprecher das musikalische Geschehen wiedergeben konnten. Ach ja, die außerordentlich tief und weitreichende Reproduktion des Raumes dürfte ebenfalls nicht an jeder Ecke zu finden sein. Leider zeichneten sich die Preisschilder der übrigen TAD-Mitspieler keineswegs durch übergroße Zurückhaltung aus: CD/SACD-Spieler D1000 MkII: 17.900 Euro, Vorverstärker C2000: 27.900 Euro, Stereoendstufe M2500: 24.900 Euro. Tja, so ist das eben in der Formel 1 …
Kollege Martin Mertens hatte sich unlängst den Zweiwegemonitor XTZ 99.25 Mk3 vorgenommen (siehe Test) und zeigte sich nicht nur hochzufrieden mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis, sondern war auch vom hohen klanglichen Niveau des schwedisch-chinesischen Lautsprechers ausgesprochen angetan. Als ich das Hotelzimmer von XTZ (www.xtz-deutschland.de) betrat, spielten gerade etwa 1 m hohe, wenig spektakuläre Standlautsprecher. Überraschend, wie nachdrücklich und dynamisch die auch klangfarblich nicht blässlichen Boxen dabei zu Werke gingen. Der Preis? 850 Euro fürs Paar XTZ Spirit 11. Sehr fair, obschon ich den geringen Aufpreis für die 99.25 Mk.3 allein wegen der Bändchenhochtöner in Kauf genommen hätte. Dann kam der Wechsel auf die klavierlackschwarze Divine 100.33.
XTZ-Lautsprecher: links die Divine 100.33, rechts die Spirit 11
Mehr Raum, echte Tiefenstaffelung und mehr Details markieren den Klassenunterschied recht deutlich. Logo, es sind ja auch zwei 6,5-Zoll-Mitteltieftonchassis aus Keramik von Accuton in einer D´Appolito-Anordnung mit einem Keramikhochtöner von Visaton am Werk. Wirklich klein kann man den 60 Zentimeter hohen und fast 27 Kilo schweren Monitor sicher nicht nennen, weshalb auch die Bassperformance ziemlich satt ausfällt. Bei einem Paarpreis von 3.000 Euro plus Ständer braucht es schon etwas länger, um das breite Grinsen wieder aus dem Gesicht zu bekommen. Eine Erklärung für die hochzivile Preisgestaltung ist, neben der Fertigung in Fernost, der von den Schweden praktizierte Direktvertrieb. Einen Showroom gibt es übrigens in Malsch bei Karlsruhe.
Diesseits von Ultra-Highend hat auch das High-Fidelity-Studio (www.high-fidelity-studio.de) eine bezahlbare HiFi-Anlage zusammengestellt. Herzstück ist die Elektronik des britischen Herstellers Exposure. Der Vollverstärker Exposure XM Integrated im Mid-Size-Format erfordert zwar die Investition von 1.499 Euro, bietet dafür aber neben stabilen 2 x 60 Watt gleich fünf digitalen Quellen (via S/PDIF-Coax, Toslink und USB) Zugang zu seinem DSD-fähigen DAC. Selbst eine Phonovorstufe wurde nicht vergessen, allerdings nur für MM und High-Output-MCs. Für höherwertige MC-Systeme ist der externe Phonovorverstärker XM 3 für 799 Euro die bessere Wahl. Er verfügt sogar über zwei völlig unabhängige Verstärkerzüge für MM und MC. Die kleinen Standboxen Dali Spector 6 kosten paarweise gerade mal 600 Euro, was genug Reserven für eine ausgezeichnete und natürlich analoge Quelle ließ: Der riemengetriebene Plattenspieler MoFi Studio Deck ist eine Entwicklung von Allen Perkins, dem legendären Entwickler und Gründer von Immedia RPM und Spiral Groove.
Tonarm und ein MoFi MM-System sind im Preis von 1.299 Euro bereits inkludiert. Der Kette gelang es erstaunlich mitreißend, dynamisch und homogen zu musizieren. Selbst mit orchestral angelegter Musik war sie nicht überfordert und machte einfach Spaß. Dass dabei sicher nicht das letzte Wort in Sachen Dreidimensionalität und Tiefbassgewalt gesprochen wurde, juckte kaum einen der Zuhörer. Und wenn doch, haben die Augsburger mit Aesthetix, AMG, Benz und DS-Audio ja noch ganz andere Kaliber auf Lager.
Einem gewissen Trend folgend, führten auch Trenner & Friedl (im Vertrieb bei www.audiovertrieb.com) ihren großen Standlautsprecher Isis (22.000 Euro) an einem Vollverstärker, nämlich dem knapp 12.000 Euro teuren Pass INT 60 vor. Tatsächlich scheinen die Isis mit ihrer stark an Livemusik orientierten, ganzheitlichen, gleichwohl zu ausgezeichnet fokussierender Abbildungspräzision fähigen Gangart so manches richtig zu machen. Entsprechend schwer viel es dann auch, sich wieder aus dem bequemen Gestühl zu erheben.
Die Herren Trenner & Friedl mit ihrer Isis
Fast wäre mir so die im Nebenraum versammelte Elektronik von Crayon Audio (ebenfalls bei www.audiovertrieb.com) entgangen. Die beim alpenländischen Nachbarn handgefertigten Preziosen glänzten mit piekfeiner Verarbeitung und wohltuend designerischer Zurückhaltung. Ein kleines Highlight war die auf dem 2.800 Euro teuren Vollverstärker CIA-1 basierende Edelversion CIA-1T. Gravierte Schriftzüge, Reinsilber-Innenverdrahtung und edle WBT- Buchsen machen den „T“ zu etwas Besonderem. Ach ja, die Verdoppelung der Ausgangsleistung auf 2 x 180 Watt ist sicher ebenso nicht zu verachten. Unangenehmerweise gilt dasselbe auch für den Preis: 5.600 Euro.
Crayon CIA-1T
Messebericht: Norddeutsche HiFi-Tage 2017