Dezember 2016 / Fritz Schwertfeger
Der bevorstehende Launch der Top 100 Warner-Alben im MQA-Tonformat – kommendes Jahr wird sukzessive der gesamte Katalog des Labels in MQA erwartet – war Ende November Anlass zu einer feierlichen Veranstaltung. In entspannter Runde und noblem Ambiente luden die MQA Ltd. sowie Lothar Kerestedjian vom Downloadportal highresaudio.com in Hamburgs „Theater im Zimmer“ zu einem gepflegten Listening-Event ein, bei dem MQA-Vertreter Spencer Chrislu die Warner-Neuheiten vorführte.
MQA, das steht für „Master Quality Authenticated“ und ist in knappen Worten die Gegenbewegung zu MP3. Statt verlustbehafteter und datenreduzierter Files will der MQA-Standard die volle Güte der Masteraufnahme verfügbar machen, so wie der Künstler oder Toningenieur sie bestimmt hat – und das nicht nur verlustfrei und in HiRes, sondern auch noch von digitalen Artefakten bereinigt. Das dazu benötigte Datenvolumen soll dem des CD-Standards entsprechen, aber dazu später noch mehr.
Das von Bob Stuart bei Meridian entwickelte (De-)Codierungsverfahren erhebt den Anspruch, kompromisslose Audioqualität überall zu ermöglichen. Während MQA vor zwei Jahren auf der High End in München aus der Taufe gehoben wurde, erlebte man heuer bei der Veranstaltung in Hamburg den nächsten Schritt, also sozusagen das Heranwachsen von MQA. Diese neue Phase zeichnet – neben der weiter wachsenden Anzahl der Hersteller, die MQA-fähige Geräte im Programm haben – eben auch die bevorstehende Veröffentlichung des Warner-Musikkatalogs in diesem Format aus.
Im großen Saal des Hamburger Theaters erwartete die Besucher eine mit ausgesuchten Komponenten bestückte Highend-Anlage, welche sowohl die klanglichen Fähigkeiten von MQA als auch die Highlights renommierter Hersteller aufzeigen sollte. So zum Beispiel, ganz oben thronend, den Select Dac von MSB Technology (130.000 Euro!) sowie darunter den Brinkmann Audio Nyquist D/A-Wandler (15.000 Euro), der sein Signal an die Brinkmann-Vorstufe Marconi (9.500 Euro) und anschließend an die beiden Mono genannten Endstufen (12.420 Euro) weiterreichte.
State-of-the-Art-D/A-Wandler von MSB Technology
Natürlich auch mit dabei: Meridians Ultra DAC (20.000 Euro). In Sachen Lautsprecher vertraute man auf die Fähigkeiten der Sonus faber Venere S (5.200 Euro), die nicht nur die Ohren, sondern auch das Auge des Betrachters verwöhnte.
Die Sonus faber Venere S verwöhnt Aug & Ohr
Bevor die mit Spannung erwartete Vorführung begann und die ersten Takte des japanischen Klaviervirtuosen Arimasu Yuki (Forest) das Auditorium erreichten, sprach der Vertreter von MQA, Spencer Chrislu, ehemals bei Warner unter Vertrag, von der „Eleganz“ des neuen Verfahrens. Die volle Qualität der Masteraufnahme verlustfrei auf die Datengröße einer CD zu codieren, eröffne unzählige Möglichkeiten. Es gäbe mit MQA keine Kompromisse mehr. Ob unterwegs oder im Auto via Digital Audio Player, zu Hause an der hochwertigen Anlage oder im Multiroom-Szenario: MQA ermögliche überall die Qualität der Masteraufnahme. Aber kann denn jedes Gerät ein MQA-File wiedergeben? Ja und Nein lautete hier die Antwort. Denn ein MQA-File ist letztlich ein im positiven Sinne zu betrachtendes trojanisches Pferd. Die hochaufgelösten Inhalte verbergen sich in Innern und werden von MQA-fähigen D/A-Wandlern bis hin zu einer Auflösung von 32 Bit/384 kHz encodiert. Alle anderen Wandler sehen lediglich die äußere Hülle, den 24 Bit/44,1 kHz- respektive 48-kHz-Mantel, und spielen in CD-Qualität ab.
Aufgrund der ausführlichen und peniblen Dokumentation des Warner-Archivs konnte nachvollzogen werden, mit welchen Geräten damals gearbeitet wurde, was es ermöglichte, die Charakteristik der seinerzeitigen A/D-Wandler im MQA-Umwandlungs-Prozess zu berücksichtigen. Ganz entscheidend für das Klangerlebnis sei, so fuhr Spencer Chrislu fort, was auf der Zeitachse einer Impulsantwort geschehe. Unser Gehör nehme Unregelmäßigkeiten, die es nicht gewohnt sei, mit bestechender Präzision wahr. Und das durch Digitalfilter bei Aufnahme und Wiedergabe auftretenden Phänomen des „Ringings“ – und insbesondere das sogenannte Pre-Ringing, eine Art digitales Vorecho – sei genau so eine Unregelmäßigkeit, die das Klangbild glasig, hart und im Timing lustlos erklingen lasse. Das mathematische Verfahren, das bei der Transformierung in ein MQA-File erfolgt, ermögliche das Entfernen des Ringings, was einen nicht unbeträchtlichen Anteil daran habe, warum MQA so natürlich wirke.
Tatsächlich entfalteten die vorgeführten Stücke eine Sogwirkung, der man sich nur schwerlich entziehen konnte. Der musikalische Fluss wirkte unangestrengt und die Instrumentierung äußerst natürlich und authentisch. Stimmen erreichten das Auditorium lebensecht und körperhaft, und so wunderte es auch nicht, dass die Zeit wie im Flug verging – und man sich die Frage stellte, ob das alles nun an MQA, der Anlage, der Räumlichkeit oder an allem gleichzeitig lag.
Es sollte nicht der Eindruck entstehen, MQA finde nur im hochpreisigen Audiophil-Segment statt: Innerhalb des stilvollen Rahmens der Hamburger Veranstaltung stellte beispielsweise Pioneer gemeinsam mit Onkyo seine MQA-fähigen mobilen Hi-Res-Player vor. Neben dem Onkyo DP-X1 und dem Pioneer XDP-100R erweitert künftig auch der brandneue XDP-300R die Produktfamilie. Bestückt mit zwei ESS-Sabre-9018K2M-DACs und zwei Sabre-9601K-Headphone-Amps gibt er das Musiksignal wahlweise über den unsymmetrischen 3,5-mm- oder den symmetrischen 2,5-mm-Klinkenausgang wieder. Der edle Player soll auch hochohmige Kopfhörer problemlos antreiben können, was den Reiz des multitalentierten Beaus noch zusätzlich steigern dürfte.
Pioneer XDP-300R
Ein besonderes Schmankerl stellt die Einbindung der Digital Audio Player per USB an die Musikanlage in modernen Fahrzeugen dar. Neben ausgezeichneter Klangqualität ermöglicht beispielsweise BMW als informativen Mehrwert die übersichtliche Darstellung von Track-Informationen sowie der Cover auf dem Fahrzeugdisplay. Analog per 3,5-mm-Klinke angeschlossen, wird MQA-Qualität auch im Fahrzeug hörbar.
Am NAD-Stand
NAD und Bluesound waren ebenfalls mit dabei in Hamburg und hatten jede Menge (stationärer) Geräte im Gepäck. Im Grunde ist beinahe die gesamte Streaming-Produktrange der 2. Generation von Bluesound MQA-fähig. NADs neue Classic-Serie glänzt jetzt ebenfalls dank entsprechender MDC-Einschubmodule nicht nur mit mit voller Streamingfähigkeit, sondern ist auch MQA-kompatibel. Der große NAD M32 DirectDigital Dac Amplifier (4.500 Euro mit BluOS-Einschubmodul) aus der Masters-Serie war ebenfalls schon zu sehen.
NADs neuer, großer Vollverstärker M32 DirectDigital Dac
Mansour Mamaghani von Audio-Reference hatte nicht nur die bereits erwähnte superb aufspielende Sonus faber Venere S (5.200 Euro) mitgebracht, sondern auch zahlreiche Komponenten von Meridian, die ebenfalls im Portfolio des Hamburger Highend-Vertriebs sind. Mit dabei auch der kleine Meridian Dac Explorer 2, der als günstiger DAC den Einstieg in die Welt von MQA markiert.
Audio Reference hatte einiges von Meridian im Gepäck
An diesem Tag leider verhindert waren die Vertreter von Mytek, die mit dem Brooklyn DAC und dem Manhattan DAC zwei bestechend gut spielende und äußerst vielseitige D/A-Wandler im Sortiment haben. Die Besonderheit hier: Die MQA-Funktionalität lässt sich ein- und ausschalten, sodass die Unterschiede zwischen einem Standard- und MQA-File besonders gut verglichen werden können. Hier – so gab zumindest Frank Kerestedjian, seines Zeichens Toningenieur, zu verstehen – wären die Unterschiede förmlich greifbar.
Als Résumé dieser Veranstaltung lässt sich zusammenfassen, dass MQA durchaus großes klangliches Potenzial bietet und unsere Art des Umgangs mit Musik verändern könnte. Stand MP3 in den Neunzigern für Bequemlichkeit und klangliche Askese, könnte MQA in den 2010er Jahren mit Highres-Streaming Geschichte schreiben – wenn es den Verantwortlichen denn gelingt, die breite Fläche zu erreichen. Die Veröffentlichung des Warner-Musikkataloges ist ein erster Schritt. Es bleibt zu hoffen, dass weitere folgen werden und die Streaming-Dienste auf den Zug aufspringen.
Weitere Informationen zu MQA: www.mqa.co.uk