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Die High End Society sorgt für gute Laune: Als die Meldung reinkam, dass in diesem Jahr Leslie Mandoki als Partner für die High End 2024 gewonnen wurde, war klar, dass man den Mann irgendwoher kennt … aber woher? Eine kurze Recherche führt schnurstracks via YouTube in die Zeit Ende der Siebziger/Anfang der Achtziger, in der die wahrlich bunte Band Dschinghis Khan nicht nur Dieter Thomas Heck im ZDF-Studio zum Swingen brachte, sondern auch die Zuschauer auf dem heimischen Flokati vorm Fernseher … „OMG!“ würde die heutige Jugend da wohl kreischen – okay: ins Handy tippen –, aber was weiß die schon. Lustig war das. Und lästig allenfalls das sehr hartnäckige Ohrwurmpotenzial der einschlägigen Hits …
Nun, Herr Mandoki macht freilich schon seit Jahrzehnten ganz andere Musik und veröffentlichte mit seinen Soulmates (https://mandoki-soulmates.com/) während der High-End-Messe tatsächlich ein neues Album namens A Memory Of Our Future – das inzwischen dreizehnte dieser „Band der Bandleader“.
Doch wie dem auch sei: Voll war’s, bunt war’s, schön war’s auf der diesjährigen High End. Die nackten Fakten: Mehr als 22000 Besucher strömten ins Münchner MOC, um 513 Aussteller aus 41 Ländern mit rund 1000 Audio-Marken, die sich auf gut 30000 Quadratmetern Fläche verteilten, in Augen- und Ohrenschein zu nehmen. Mehr als die Hälfte der Gäste zählte dabei zum Fachpublikum – Hersteller, Distributoren, Händler, Journalisten –, für das wie in den Vorjahren die ersten beiden Messetage reserviert waren.
Natürlich waren wir von fairaudio auch wieder mit dabei, die High End ist Pflicht- und Lust-Termin gleichermaßen. Und fünf von uns haben im Anschluss zur Feder gegriffen, um die Eindrücke, Hörerlebnisse und Neuigkeiten für diesen Messebericht zusammenzufassen. Der – trotz aller Üppigkeit – natürlich nur einen kleinen, subjektiven Ausschnitt des in München Gebotenen zeigen kann.
Unser Messereport zur High End 2024 beginnt mit einem dreiteiligen Messerundgang (siehe unten) und setzt sich dann themenspezifisch fort: Michael Bruß berichtet über Streaming & Digitales und Frank Hakopians konzentriert sich auf Plattenspieler & Phono. Übrigens: Über die Inhaltsverzeichnisse oben und unten auf den Seiten können Sie bequem zu den einzelnen Kapiteln springen. Und jetzt geht’s los!
Messerundgang High End 2024 (Teil 1)
mit Ralph Werner
Die Münchner High End findet jedes Jahr statt, der Erlanger Analogexperte Clearaudio (https://www.clearaudio.de/) ist aber nur alle zwei Jahre mit von der Partie. Doch wenn, dann so richtig. 2024 war es wieder soweit, und der Stand in Halle 2 darf mit Recht als ganz schön ausladend bezeichnet werden. Was kaum verwundert, schließlich besitzt Clearaudio ein ebensolches Produktprogramm.
Das freilich immer noch ergänzt werden kann, das Team um die Geschwister Suchy hatte so einige Neuigkeiten im Gepäck, so unter anderem ein Erdungssystem mit dem treffenden Namen Clearaudio Terra. Man könnte es im ersten Moment für ein Netzteil der hauseigenen Plattenspieler halten, doch der Blick auf die Rückseite verrät, worum es geht.
Terra kommt mit sechs Erdungsschrauben – entsprechende Anschlusskabel gehören zum Lieferumfang –, die im Innern sternförmig in einem Punkt zusammenlaufen und über einen speziellen Erdungsstecker per handelsüblicher Steckdose auf Masse gelegt werden. Alle möglichen Geräte können so geerdet werden, Terra ist nicht allein fürs Analogequipment gedacht. Das mit Sand gefüllte Gehäuse soll zusätzlich vor Einstreuungen und Vibrationen schützen. Der Preispunkt: 990 Euro.
Clearaudio-Geschäftsführer Robert Suchy freute sich aber noch mehr, in München seine neuen Top-Radialtonarm vorstellen zu können. Der mit einem 10-Zoll-Monocoque-Carbon-Armrohr ausgestattete Tonarm ist klassisch einpunktgelagert und bringt ein verbessertes Magnetstabilisierungssystem mit, das neue Leistungsstandards für die Vinylwiedergabe setzen soll, so Suchy. Alle Justagen sind nun mit einer Genauigkeit im Mikrometerbereich ausführbar, so auch die Höhenverstellung, die sogar während des Abspielens vorgenommen werden kann. Genau das Richtige für Analogies, die auf scharfe Nadelschliffe schwören. Der in Silber und Schwarz erhältliche Clearaudio Unity liegt preislich bei 15.000 Euro.
Al Di Meola-Fans aufgepasst: In Kürze kommt ein auf 1000 Stück limitierter Plattenspieler zu Ehren des bekannten Jazz-Gitarristen, der im letzten Jahr als „Gesicht“ der High End diente. Die Zarge des Clearaudio Celebrity Al Di Meola Edition ist einer E-Gitarre nachempfunden, was den Dreher natürlich zu einem Hingucker erster Güte macht. Nettes Detail: Mit dem Volumeregler der „Gitarre“ lässt sich der Plattenspieler an- und ausschalten, die Geschwindigkeit wählen und im Kalibrierungsmodus feinjustieren.
Die Plattenspieler-Sonderedition hat natürlich klassische Clearaudio-Technologien an Bord wie etwa Tacho Speed Control zur automatischen Geschwindigkeitsüberwachung des Plattentellers oder die entkoppelte Motoraufhängung mittels O-Ringen zur Minimierung von Vibrationen. Eine Sonderversion des Profiler-Tonarms und ein neuer Celebrity-Tonabnehmer (MM) komplettieren die Clearaudio Celebrity Al Di Meola Edition – die für 3.950 Euro den Besitzer wechselt und in den nächsten Monaten auf den Markt kommen soll.
Limitierungen scheinen gerade „in“ zu sein, und die Zahl 1000 dabei naheliegend: Auch Dynaudio (https://dynaudio.de/) kommt mit einem entsprechend begrenzt verfügbaren Sondermodell, das sich optisch an die Lautsprecher der Contour-Serie der Achtziger- und Neunziger-Jahre anlehnt.
Die Rede ist vom Standlautsprecher Dynaudio Contour Legacy (12.000 Euro), dem Neuzugang in der Heritage Collection der Dänen. Zwei 18-cm-Konusse aus der Toplinie Evidence sorgen für die Wiedergabe des Tief- und Mitteltonbereichs während Dynaudios beste Textilkalotte Esotar3 das Feld in den oberen Lagen bestellt. Die Contour Legacy ist ausschließlich in „Amercian Walnut“ zu haben.
Für Schwarz oder Weiß muss sich hingegen entscheiden, wer das neue Flaggschiff der Aktivmonitore ins Visier nimmt. Jan Kretschmer, Geschäftsführer von Dynaudio Germany, zeigte in München erstmals die edle Dynaudio Confidence 20A (Paarpreis: 20.000 Euro). Das Modell mit der charakteristisch-markant abgesetzten Schallwand beherbergt ebenfalls eine Esotar3-Kalotte und einen 18-cm-Treiber für die mittleren und unteren Lagen – die Verstärkerelektronik sitzt dabei smarterweise im zum System dazugehörenden Lautsprecherständer. Nicht dumm ist das schon deshalb, da so die Elektronik dem „Tumult“ im Innern des Lautsprechers entzogen werden kann (Stichwort: Mikrofonieminimierung).
Digital wie analog lässt sich die Confidence 20A ansteuern, das aber eigenwilligerweise ausschließlich via XLR. Dies dürfte an den Pro-Audio-Genen des Modells liegen, die Verstärkermodule stammen vom Class-D-Experten Pascal, wie es schon bei der Studio-Linie Dynaudio Core der Fall ist. Über einen integrierten DSP lassen sich Anpassung je nach Hörgeschmack und/oder Raumakustik realisieren. Die ansteuernde Quelle sollte allerdings eine Pegelregelung mitbringen, denn eine solche gibt‘s bei der neuen, aktiven Dynaudio Confidence 20A nicht.
Kompakt und aktiv, das können wir auch, dachte sich … Harbeth (https://www.inputaudio.de/). Ja, echt jetzt. Die Traditionsfirma aus UK verbindet man nicht wirklich mit Aktivboxen, doch mit der Harbeth NLE-1 – das Kürzel steht für „New Listening Experience“ – könnte sich das ändern.
Konzeptionell dem Passivmodell P3ESR XD folgend, kommt die neue NLE-1 mit Aluminiumkalotte und einem 5-Zoll-Konus mit „Radial“-Membran, einer patentierten Kunststoffmischung, der die Briten ein besonders natürliches Klangverhalten nachsagen. Der DSP in der Harbeth NLE-1 besorgt die Trennung der Wege, zwei Class-D-Amps à 50 Watt den Antrieb.
Interessantes Feature: Es gibt einen Bass-Modus, der den Übertragungsbereich im Tiefton um eine ganze Oktave ergänzt, solange man mit relativ moderatem Pegel hört. Preislich liegt die Harbeth NLE-1 (Spitzname: „Nelly One“) nur 400 Euro über der Passivversion, das heißt: Ein Paar ist für 3.500 Euro zu haben. Bernd Hömke und Dalibor Beric von Input Audio, dem deutschen Vertrieb, scheint es zu freuen, der kleine Speaker könnte sowas wie die neue Einstiegsdroge ins Harbeth-Universum werden.
Mit 67 Jahren geht so mancher in Rente, aber Quads (https://www.quad-highend.de/) elektrostatischer Lautsprecherklassiker „ESL“ denkt gar nicht an Ruhestand, wiewohl Jahrgang 1957. In München gab’s den neuen Quad ESL 2912X zu hören, der im Herbst des Jahres in den Fachhandel gelangen wird.
Das dezente „X“ hinten kennzeichnet das aktuelle Modell des großen Elektrostaten von Quad – er wurde seit 12 Jahren erstmals überarbeitet. Was ist neu? Der Rahmen der Konstruktion wurde erneuert, um die Panels noch besser zu stabilisieren – im oberen und unteren Bereich sind die Tieftoneinheiten angeordnet, im mittleren die für Hoch- und Mittelton. Die schallabstrahlende Folie zwischen den Statoren wurde ebenfalls optimiert und sei nun noch haltbarer. Vor allem aber sind neue Transformatoren beziehungsweise Übertrager fürs Musiksignal am Start, die Vorteile im Bereich der Hochtonauflösung mit sich bringen sollen.
Der Quad ESL 2912X gehört ganz klar zu meinen Messehighlights. Dass Auflösungsvermögen und Impulsverhalten hervorragend sind, hat man bei einem Elektrostaten auf dem Schirm – dass er ein riesengroßes Klangpanorama aufziehen kann, wohl auch. Aber der ESL 2912X punktet zudem mit einem sehr kohärenten Auftritt, der den Bassbereich mit einschließt, der nicht einfach nur „schnell“, aber (zu) schlank, sondern homogen-substanziell rüberkommt. Wohlgemerkt: Hier gibt es keinen Sub, dies ist ein Vollbereichselektrostat, der seinen Namen zu Recht trägt. Außerdem gerät ihm die Stimmwiedergabe ziemlich auf den Punkt und nicht diffus, wie man es bei Dipolen und deren naturgemäß höheren Indirektschallanteilen befürchten könnte.
Sympathisch ist zudem, dass die Elektronik aus dem eigenen Haus (Quad Artera Pre & Artera Mono), die den großen ESL in München befeuerte, keinesfalls exzentrisch gepreist ist – gut 4.200 Euro sind für die Quad-Vor-End-Kombination zu entrichten. Und was wird für die Lautsprecher fällig? 17.000 Euro das Paar. Ja, das ist eine Stange Geld, aber fürs klanglich Gebotene macht es auf mich einen sehr realistischen Eindruck. Echt klasse – ich habe schon mal den Finger für ein Testmuster gehoben.
Dass wir uns einmal intensiver mit einem Modell aus Dalis (https://www.dali-speakers.com/de) neuer Rubikore-Lautsprecherserie befassen müssen, ist nach der gelungenen Vorführung in München eigentlich auch nur logisch.
Pressekonferenzen haben ja bisweilen ihre Längen, doch die Vorstellung der neuen Dali-Lautsprecher war kurzweilig, den Produktexperten Krestan Pedersen und Thomas Holm Petersen gelang ein lebendiger Mix aus Vorführmusik und technischen Erklärungen mit Physikunterrichts-Appeal.
Die Nachfolgeserie der Rubicon-Linie heißt also Rubikore, was als Fingerzeig durchgeht, woher die technischen Neuerungen kommen – nämlich vom Flaggschiffmodel Dali Kore, das vor zwei Jahren in München Premiere feierte. So bieten die Modelle der Rubikore-Serie – eine Kompaktbox, zwei Standlautsprecher plus On-Wall-Modell und Center – das Wirbelströme vermeidende SMC-Magnetmaterial nun nicht nur in den Antrieben der Chassis, sondern auch als Kerne in den Spulen der Frequenzweiche. Ferner mit am Start sind eine Ferrofluid-freie Hochtonkalotte und eine unter „Clarity Cone“ firmierende modifizierte Formgebung und Beschichtung der Membran des Tiefmitteltöners – und einiges andere mehr.
Wir hörten das Topmodell der Serie, die Dali Rubikore 8 (6.998 Euro), das im Verbund mit Elektronik von NAD (Streaming-Vorstufe M66 und Endstufe M23) sehr klar, weiträumig und dynamisch aufspielte. Und die Pegelfestigkeit macht offenbar auch keine Probleme: Als Gute-Laune-Rausschmeißer gab es abschließend einen Technotrack mit richtig fiesen, harten Impulsen, die die Rubikore 8 völlig unbeeindruckt und kantig in den Raum feuerte. Hut ab, das hätte ich ihr nicht zugetraut. Dalis Rubikore-Lautsprecherlinie soll schon kommenden Juni verfügbar werden.
Sonus faber (https://www.audio-components.de/) kündigt ebenfalls eine in ähnlichen Preisgefilden angesiedelte neue Lautsprecherserie an, nämlich die Sonetto G2 Collection. Gehört habe ich es zwar nicht, aber in Augenschein nehmen konnte ich das Topmodell der Serie: Die Sonus faber Sonetto VIII G2 wechselt für 7.900 Euro das Paar den Besitzer und kommt nicht nur in der typischen Möbel-Anmutung der Italiener mit feinem Holz- und Leder-Finish, sondern bringt neue Materialien ins Spiel. So etwa eine mit Kork ausgekleidete, rechte Winkel bewusst vermeidende Kammer für den Mitteltöner – und eine Basis aus Beton. Die sorgt nicht nur für einen interessanten optischen Kontrapunkt zur restlichen Gestalt, sondern auch für stabilen Stand und Resonanzminimierung. Die Herren Bijan und Adib Khavari vom deutschen Vertrieb Audio Components freuten sich über den Neuzugang in ihrem Portfolio.
Ein Portfolio übrigens, das üppig ausfällt und einige Top-Brands des Highends umfasst – so natürlich auch McIntosh (https://www.audio-components.de/). Die amerikanische Traditionsmarke, die gerade ihr 75jähriges Bestehen feiert, ist seit 45 Jahren im Vertrieb der Hamburger. Da weiß ich gar nicht, welches Jubiläum mehr erstaunt, eine derart langjährige Distributor-Treue findet sich nicht so oft.
Wie auch immer, natürlich hatten die US-Boys einige Neuigkeiten im Gepäck, so unter anderem zwei Vorstufen. Preislich ähnlich angesiedelt, sind für die McIntosh C55 AC 11.980 Euro und für die McIntosh C2800 AC 12.480 Euro zu entrichten. Auch was die Schnittstellen angeht, unterscheiden sie sich wenig: Üppig darf man das Angebot nennen, kommen beide doch mit 16 Eingängen, davon neun analogen (inklusive zweimal Phono, MM oder MC wahlweise) und sieben digitalen, bei denen von HDMI ARC über USB bis S/PDIF-optisch und -elektrisch alles Relevante mit dabei ist. Natürlich sind die beiden Vorstufen ausstattungsseitig nicht komplett identisch, so kommt die C55 AC mit einem 8-Band-Analog-Equalizer, während die C2800 AC nur Höhen- und Bassregelung erlaubt. Der echte Unterschied liegt aber in der „Systemfrage“: Röhre oder Transistor? Die die Amerikaner mit „Beides!“ beantworten, und mit dem McIntosh C55 AC einen volltransistorisierten und dem McIntosh C2800 AC einen röhrenbestückten Vorverstärker ins Rennen schicken. Die Wahl liegt also ganz bei Ihnen …
Was wäre die High End ohne die verrückt teuren Systeme? Doch nur die halbe Miete, oder? Einer dieser Über-Ketten konnte man im Raum der Hamburger Manufaktur Lyravox (https://lyravox.com/) begegnen. Lyravox ist auf Aktivlautsprecher spezialisiert und hat einen gewissen „Karl-Fimmel“, was die Namensgebung ihrer Kreationen angeht – folgerichtig heißt das neue Flaggschiff „Karl der Große“. Und ja, das ist wörtlich zu nehmen.
Auch die Bestückung fällt groß aus. Damit die Basslagen nicht allzu schmächtig geraten, hat‘s auf der Rückseite des Lyravox-Topmodells einen 21-Zöller, auf der Front kongenial begleitet von vier 22-cm-Accuton-Keramikkonussen.
Beim Mittelton vertrauen die Hamburger auf das gleiche Modell, das schon im Karlsson und Karlsson Tower exzellente Dienste leistete, hier freilich gibt’s gleich zwei pro Kanal – und als „final touch“ noch zwei Diamant-Hochtöner. Das Gehäuse Karls der Großen besteht aus zehn voneinander entkoppelten Einzelmodulen, und da das Material der Wahl Kunststein ist, könnte man den Großen auch den Dicken nennen, was zwar weniger charmant klänge, bei 380 Kilogramm pro Seite aber nicht fehlginge.
Karl der Große kommt mit externer Vorstufe/Weiche, deren Herz ein Gemeinschaftsprojekt von Accuton und Lyravox darstellt und als „DSP goes Highend“ bezeichnet werden könne, so Götz von Laffert, der zusammen mit Jens Wietschorke die Hamburger Lautsprecherfirma führt. In diesem DSP geschieht natürlich die Frequenzgangaufteilung des Vierwege-Konzepts, für dessen Antrieb zwei ebenfalls externe Vierkanal-Endstufen mitgeliefert werden. Der Preis des Gesamtsystems: 368.000 Euro.
Aber das ist „nur“ die Standardversion. Auf der High End gab es ein Setup mit noch edleren Endstufen der Schweizer Firma CH Precision, die auch für die Phonoentzerrung zuständig war, einem fast schon begehbaren Plattenspieler von Acoustical Systems und Top-Notch-Kabelage von AudioQuest, für deren Gegenwert „vernünftige Leute“ mehrere hochwertige Ketten zusammenstellen könnten … und siehe da, so langsam erreichen wir schwindelerregende siebenstellige Preissphären.
Da mutet die Kette, die Acapella Audio Arts (https://www.acapella.de/) in München präsentierte, fast schon wieder bodenständig an.
Naja, fast … man sollte schon eine halbe Million zur Verfügung haben, wenn man sich für das Quintett aus den Lautsprechern Acapella Hyperion und der Vor-End-Kombination Acapella Enérgeia ernsthaft interessiert. Der Trumm von Lautsprecher (300 kg) beherbergt pro Kanal vier 15-Zöller, Acapellas typisches hypersphärisches Mitteltonhorn in 78-cm-Ausführung mit neuem 2,5-Zoll-Treiber und den nicht weniger charakteristischen Plasma-Tweeter „TW1-S“ der Duisburger . Die Lautsprechersäule ragt 2,5 Meter in die Höhe, was mit ein Grund war, warum sie nicht zu uns, sondern wir zu ihr kamen.
Der neueste Streich von Acapella-Entwickler Richard Rudolph ist aber das Verstärkerensemble Enérgeia, bestehend aus einer Röhrenvorstufe mit sechs Hochpegeleingängen und Monoendstufen in Hybridtechnik – also Röhren im Ein- und Transistoren im Ausgang –, die die gewaltige Leistung von 1000 Watt an 8 Ohm bereitstellen. Und zwar in so ziemlich allen Lebenslagen, können sie doch auf einen 3000-VA-Trafo zurückgreifen. Die gesamte Verstärkerschaltung sei komplett gegenkopplungsfrei, so Rudolph, auch lokales Feedback glänze durch Abwesenheit. Zig Verstärkertopologien habe man ausprobieren müssen, um schließlich zum Erfolg zu kommen.
Der Klang des Acapella-Ensembles? Nun, dass es einen ganz easy wegfegen kann, wenn entsprechende Dynamikattacken kommen, überrascht weniger. Aber dass dieses „Riesensystem“ feinsinnig und punktgenau Stimmen reproduziert, statt in XXL auszuliefern, und ein Piano einfach wie ein Piano erklingen lässt … das erstaunt schon mehr. Die klangliche Bandbreite und Wandlungsfähigkeit dieses Systems ist nichts weniger als enorm. Für mich definitiv ein weiteres Highlight der diesjährigen High End!
Messerundgang High End 2024 (Teil 2)
mit Jörg Dames
Sowohl aus der Studio- als auch der HiFi-Szene hört man ja oft, dass Lautsprecher und Verstärker für den Heimgebrauch klanglich anders abgestimmt seien als solche, die für Musikschaffende konzipiert wurden. Gegenbeweise für diese These finden sich nicht zuletzt in unserem Testarchiv, ich selbst höre seit bestimmt 15 Jahren mit einer (upgedateten) Vorstufe von Funk, und auch die nordrhein-westfälische Manufaktur SPL, die 1984 als reiner Studio-Spezialist startete, adressiert seit gut acht Jahren erfolgreich anspruchsvolle Musikliebhaber. Und das unter anderem mit durch und durch analogen, puristischen, auf guten Sound maximierten Endstufen nach auf den ersten Blick guter alter Väter Sitte.
Auf den zweiten Blick wartet die brandneue SPL Performer s900 (4.499 Euro, https://spl.audio/de/) aber natürlich, wie von den Niederkrüchtenern gewohnt, mit proprietärer 120-Volt-Technik samt hausgemachten diskret konzipierten OPs auf, was nicht zuletzt auf ein überlegenes Dynamikverhalten einzahlen soll.
Qualitativ abgeleitet von der großen SPL Performer s1200 (6.500 Euro), bringt die „Kleine“ immer noch 2 x 200 Watt an die Lautsprecherklemmen und 16 Kilogramm auf die Waage. Ihr 866-VA-Ringkerntransformator wird speziell für SPL gewickelt und die von ihm unter Spannung gesetzte Schaltung bleibt bis runter zu 2 Ohm laststabil, sodass auch elektrisch zickige Lautsprecher kein Problem für die s900 darstellen, verspricht SPL.
Gegenüber der 1.100 Euro preiswerteren s800, die weiterhin im Programm bleibt, zeitige die s900 einen noch knackigeren Tiefbass und klarere untere Mitten, so Bastian Neu, Chefentwickler und Mitgeschäftsführer von SPL. Klar, dass wir bereits einen Test vereinbart haben und uns auf den 28 Zentimeter schmalen Powerknochen freuen.
Und wenn wir schon bei klassischen Verstärkern sind – nomen est omen –, muss auch der Vollverstärker Manunta Classic (4.760 Euro | www.audiodomain.de) erwähnt werden. Firmenchef und Entwickler Marco Manunta betont, dass mit dem neuen Classic-Amp zwar keineswegs das Rad neu erfunden, es mit moderner Technik aber eben neuzeitlich perfekt ausgeführt werde.
So führt Signore Manunta etwa die sehr niederimpedant ausgeführte Vorstufensektion ins Feld sowie die hochwertig ausgeführte Phonostufe (MM/MC) und die mit vergleichsweise wenigen Transistoren (zwei Push-Pull-Transistoren je Kanal) arbeitende Ausgangsstufe, die einen vielstimmigen Chor vieler Transistoren mit unterschiedlichen Toleranzen vermeidet. Vor allem aber vermindert die Leistungsstufe Dynamikkompressionen, so soll die mit 2 x 60 Watt an 8 Ohm deklarierte Class-AB-Schaltung locker auch mal bis zu 150 Watt je Kanal wuppen können.
An die im Februar getesteten Manunta-Larson-Monos erinnere ich mich immer noch sehr gerne zurück, entsprechend freue mich darauf, bald auch mal den Manunta Classic bei uns begrüßen zu dürfen.
Freude kommt bei mir ebenfalls auf, wenn ich Lautsprecher von Wilson Audio sehe, zumal ein Paar SabrinaX seit einigen Jahren zu meinen Arbeits- und Vergnügungslautsprechern zählt. Im Rahmen einer Pressekonferenz des zuständigen Audio Reference-Vertriebes (www.audio-reference.de/) stellte Firmenchef Daryl Wilson – der Sohn des verstorbenen Firmengründers David A. Wilson – die ganz frisch wiederaufgelegten Klassiker Wilson Watt/Puppy (55.00 Euro) vor, die man im Rahmen des fünfzigjährigen Firmenjubiläums präsentierte.
Daryl Wilson ließ es sich nicht nehmen, weniger auf die technischen Specs der neuen Lautsprecher einzugehen, als vielmehr auf seine Erinnerungen aus Kinder- und Jugendzeit, in der das mit Lautsprechern vollgestellte Familienhaus und die Garage als Firmenstandort herhielten und ihm das Wirken des Vaters über die Jahre ins Blut überging, was ihn heute mit Freude und Stolz erfülle. Die zweiteiligen, Mitte der 80er-Jahre erstmalig vorgestellten Watt/Puppy zählen zu den ikonischsten Schöpfungen des Herstellers aus Utah, das obere „Wilson-Audio Tiny Tot“-Modul ist nach wie vor eine Kompaktlautsprechereinheit und „Puppy“ die Tieftoneinheit.
Dass Dan D’Agostino einen Verstärker im Programm führt, der noch zu einer vergleichsweise rücken- und rackschonenden Gewichtsklasse zählt, werden viele Hörer bestimmt begrüßen. Liebliche 16 Kilogramm und 17.000 Euro ist der neue D’Agostino Progression Pendulum schwer – und mithin unterhalb des bereits etablierten Progression Integrated angesiedelt.
Die Vorstufe des Progression Pendulum sei vom Momentum C4 Preamplifier abgeleitet, so D’Agostino, und die Leistungsabteilung stemmt mithilfe des 750-VA-Ringkerntrafos bis zu 120 Watt in eine Acht-Ohm-Lautsprecherlast. Eingehenden Signalen gewährt der integrierte Amp via XLR, RCA (inkl. Phono-MC) Zugang. Der Progression Pendulum ist übrigens der erste Verstärker des Hauses, der darüber hinaus auch mit einer HDMI-eARC-Schnittstelle aufwarten kann.
Dass es sehr ansehnlich zugehen kann, aber trotzdem keinesfalls teuer sein muss, beweist unter anderem Elac mit seinen „Debut ConneX Adsum“-Lautsprechern aus der Designer Series (www.elac.com/de/). Kleine, stylische Aktivboxen (nicht nur) für den Schreibtisch zu einem Paarpreis von 649 Euro – inklusive der auf den Fotos zu sehenden Ständer und der Fernbedienung versteht sich. Mal ehrlich: Wenn man sich zum Vergleich mal beispielsweise auf Amazon nach wertigeren Desktoplautsprechern umsieht, finde ich solch ein Angebot eines bestens beleumundeten deutschen Herstellers erstaunlich attraktiv, auch wenn Elac Modelle wie die ConneX Adsum natürlich ebenfalls in Asien fertigen lässt.
Zumal die DCB41-DS – so die harte Typenbezeichnung dieser Lautsprecher – nicht ausschließlich per Bluetooth ansteuerbar sind, sondern zudem HDMI eARC sowie USB-B-Audio (leider selten geworden bei kleinen Aktivlingen) und sogar einen Phonoeingang bieten. Eine Verstärkerleistung von 2 x 50 Watt (Master-Slave-System) und jeweils ein viereinhalb Zoll großer Bassmitteltöner sollten zumindest im Nahfeld für mehr als genügend Druck sorgen.
Ein schönes Feature sind darüber hinaus die magnetisch haftenden Frontgitter, ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zur Debut ConneX-Standardversion. Fashionboys und -girls wissen das bestimmt, ich wusste es bis dato nicht: Die Firma Adsum, auf die die Designänderungen zurückgehen, ist ein Modelabel aus Brooklyn.
Gänzlich neu war mir auch, dass der traditionell für seine Verstärker gerühmte, aber mittlerweile als Vollsortimenter agierende Hersteller AVM (https://avm.audio/) still und heimlich an avancierter Netzfiltertechnologie gearbeitet hat: Die AVM Power Conditioner 3.3 und 5.3 bieten sechs beziehungsweise zwölf gefilterte Steckplätze, von denen je zwei beziehungsweise vier für Hochleistungsgeräte wie etwa energiehungrige Endstufen gedacht sind, sowie eine Phono Power Supply. Ein Überspannungsschutz ist inklusive, logo, zudem – sehr schön – eine Anzeige der „korrekten“ (klangförderlichen) Phasenlage.
Die AVM Power Conditioner 3.3 und 5.3 kümmern sich sowohl um vagabundierende HF-Störungen als auch um trafobrummförderliche DC-Anteile und zeigen die Störeinflüsse am Eingang und – nach Bereinigung – am Ausgang auf dem Display an. Oder akustisch: Per Knopfdruck kann man dem unredlichen Wirken der Störniveaus quasi zuhören. Beide Filter sehen aus wie schlichte „normale“ Audiokomponenten, inklusive – typisch AVM – schicker Aluminiumgehäuse und liegen preislich bei 4.000 und 6.000 Euro.
So richtig dickschiffig ging es bereits letztes Jahr bei Canton (www.canton.de/) zu. Neben einer neuen Reference-Linie, die am Markt offenbar extrem gut ankommt (und auch bei uns im Test), wurde eine den Firmengründer Günther Seitz ehrende, auf 50 Paare limitierte „Reference GS“-Edition vorgestellt. Die heuer auf der High End vorgestellten neuen Spitzenmodelle Canton Reference Alpha 1 (gleiche Maße wie die GS) und Reference Alpha 2 knüpfen optisch (konvexe Schallwände, massive Seitenwangen) und technisch ans limitierte Modell an und lassen sich ab Spätherbst serienmäßig für 40.000 beziehungsweise 60.000 Euro in den heimischen Hörraum locken.
Ein optimiertes Abstrahlverhalten, mechanisch unglaublich aufwändige Gehäuse – Chefentwickler Frank Göbl berichtete, wie man die Alpha 1 zu sechst durch die eigene Firma wuppte –, diamantbeschichtete Treiber und eine teure Innenverkabelung zählen unter anderem zu den Features der beiden hessischen Alpha-Tiere, die sich neben verschiedener Gehäusemaße technisch vornehmlich durch andere Treibergrößen unterscheiden: Vier 219-mm-BCT-Tieftöner hüben und vier 192-mm-BCT-Konusse drüben, die restliche Bestückung ist identisch.
Erster Höreindruck: Extrem „ruhig“ im Sinne von verzerrungsarm, sehr unverstellte Stimmwiedergabe in der Art allerbester Monitore sowie eine Grobdynamik und Basswiedergabe, die derart Wumms und Präzision vereinen, dass viele PAs vor Neid erblassen werden, holla die Waldfee …
„Lust, mal eine Soundbar zu hören?“ „Öhm … eher nee.“ So in etwa ging der einleitende Dialog zwischen Mika Dauphin – Chef vom Hamburger Drei-H-Vertrieb (https://3-h.de/) – und mir. Nur gut, dass ich mal wieder ein weiches HiFi-Herz bewies und mich in den Nachbarraum führen ließ. Sehr gut sogar:
Die Steinway-Lyngdorf Model S Soundbar ist mindestens genauso lang wie ihr Name und mein Hörprotokoll ebenfalls das ausgiebigste, das ich von der Messe mitnahm: Sehr präziser Bass, feinnuancierter Hochton, dynamisch ausnehmend straff, unmittelbar, offen, ohne Schönfärberei und dennoch angenehm organisch und stressfrei, heißt es da unter anderem. Selbst eine Stereobühne war in etwa drei Meter Entfernung noch glaubhaft vorhanden, lediglich der Tiefgang schien limitiert. Irgendwie fühlte ich mich an highendige Studiomonitore erinnert. Gäbe es bei uns einen Preis für den „Most surprising Sound of the Show“ – die Steinway-Lyngdorf Model S Soundbar hätte ihn sich redlich verdient.
Ein paar biometrische Daten noch: 189 Zentimeter breit, mit drei hausgemachten AMT-Hochtönern und fünf Aluminiumkonussen inklusive doppellagiger Schwingspulen bestückt und von einem Fünf-Kammer-Aluminiumgehäuse ummantelt.
Die mittlere Konus-AMT-Einheit – genau: wie die beiden anderen Einheiten ein „Model-S“-Kompaktlautsprecher – spielt ein Summensignal (gut für die Stimmwiedergabe), lässt sich aber wahlweise separat deaktivieren.
Das Preisschild ist für eine Soundbar ebenfalls vergleichsweise lang: Bei 17.000 Euro geht es los und endet bei 25.000 Euro für ein echtes Hochglanzschwarz-Steinway-Finish mit Echtgoldapplikationen. Dazu benötigt der geneigte Hörer dann noch die passende Vor- und Endstufe (Steinway Lyngdorf SP1 und A2) – eine Raumkorrektureinmessung ist inklusive.
Apropos Raum: Mit echten Neuheiten wartete Nubert (www.nubert.de/) dieses Jahr zwar nicht auf, glich das aber mit einem interessanten Standkonzept aus, das man bestimmt noch weiter ausreizen könnte: Vier unterschiedliche Raum- und Anwendungskonzepte präsentierten die Schwaben, in denen jeweils Nubert-Lösungen für guten Ton sorgten.
Eine „Wohnzimmersimulation“ war erwartbar, das Heimkino ebenfalls, neben einem Gaming-Setup mit funkelndem Highend-Rechner gab es aber zusätzlich noch einen Heimstudio-Aufbau mit Ibanez-E-Gitarren, die echte Saitenartisten – und alle, die einfach nur Lust hatten, Musik zu machen – greifen und recorden durften. Der direkte Praxisbezug und Mitmachgedanke, auch beim Gaming, gefällt. Mal schauen, was den findigen Schwaben nächstes Jahr einfällt.
Audio Analogue (www.audioanalogue.com) zählt ebenfalls zu den Herstellern, denen ich nächstes Jahr bestimmt wieder einen Besuch abstatten werde. Auch deshalb, weil der Class-A-Vollverstärker Audio Analogue ABsolute vom Kollegen Martin Mertens ein Traum von Audio-Maschinenbau ist, ich gerade sehr viel Spaß beim Test der Flächenstrahler Airtech ATS-01 habe (die sich bei der Vorführung in München leider etwas unter Wert verkauften, womöglich wegen der unzulänglichen Raumakustik) und mich zudem an glückliche Zeiten mit einer Audio-Analogue-Vorstufe erinnere, die ich mir damals frisch nach dem Studium zulegte. Und ja, die Italiener fuhren auf der Messe ordentlich auf, gab es doch einige schwergewichtige Neuheiten zu bestaunen, wie etwa eine zentnerschwere Endstufe auf Basis des ABsolute.
Besonders schön aber, dass Audio Analogue auch bezahlbarere und portablere Verstärker (weiter-)entwickelt, die auf ein zwar anspruchsvolles, jedoch breiteres Publikum zielen: Die neue Stereoendstufe Audio Analogue AA100DM ist komplett diskret aufgebaut, powert ausgangsseitig bis zu 2 x 100 Watt in 8-Ohm-Lasten mittels je Kanal sechs Motorola-Transistoren, denen ein 850-VA-Ringkerntrafo einheizt. Der Amp soll sehr laststabil sein, selbst Impedanzen von unter 2 Ohm stellten kein Problem dar, so Giuseppe Blanda von Audio Analogue. Grundsätzlich sei die AA100DM zwar vom integrierten Audio Analogue Puccini abgeleitet, spiele aber „kraftvoller“ – für 4.950 Euro nimmt sie die eigenen Boxen zuhause an die Kandare.
Messerundgang High End 2024 (Teil 3)
mit Martin Mertens
An Lautsprechern und Verstärkern mangelt es in der HiFi-Szene wahrlich nicht, entsprechend groß ist das Angebot auf der High End – und neben vielen Geräten, die „state oft he art“ sind, gibt es in München auch immer wieder Exoten, Newcomer und Verrücktheiten zu entdecken.
Seit einiger Zeit machen kleinere Firmen aus Griechenland mit spannenden Produkten auf sich aufmerksam. Bei fairaudio sorgten zuletzt die Digital-Spezialisten von Ideon Audio für Furore und die Röhrenverstärker von Tsakiridis Devices konnten meine Kollegen und mich ebenso begeistern wie verschiedene Produkte von Lab 12. Ein weiterer Name, den ich noch nicht kannte, der aber interessant klingt, ist hARt lab (https://hartlab.gr/).
Das Unternehmen wurde 2018 von Nondas Gaveras, der in Deutschland studiert und hier erste Meriten als Entwickler im Bereich Elektrotechnik gesammelt hat, zusammen mit Kostas Trovas und Nikos Fanakis gegründet und debütierte auf der High End 2024 mit einer ganzen Verstärker-Serie: Tune Two und Tune Four – zwei Vorverstärker mit Streamer, DAC und Phono-Pre; Tune Three – eine mächtige Mono-Endstufe; Tune Five – eine Stereo-Endstufe und Tune Six – ein Vollverstärker, der komplett über ein Touch-Display oder per App gesteuert wird.
Sämtliche Verstärker zeichnen sich durch den Einsatz von Röhren-Hybrid-Schaltungen aus, die ohne Über-Alles-Gegenkopplung arbeiten. Nicht nur Klang- und Technik-Nerds kommen bei hARt lab auf ihre Kosten. Ästheten freuen sich darüber, dass man die Gehäuse in verschiedenen Farben ordern kann und die Seitenteile austauschbar sind. So kann man sich selbst schöne Farbkombinationen aussuchen oder für einen „Tapetenwechsel“ Seitenteile in anderen Farben nachbestellen. Die Preise beginnen bei circa 19.000 Euro für den Tune Two und enden bei rund 60.000 Euro für zwei Monoblöcke. Einen Deutschland-Vertrieb sucht hARt lab aktuell noch.
Weder zu übersehen noch zu überhören waren die mächtigen Lautsprecher Contendo II von Aries Cerat (https://www.mediabit-vertrieb.de/). Im letzten Jahr sorgte das Unternehmen aus Zypern schon mit den auffälligen Aurora für Aufsehen. Die Contendo II konnten das problemlos toppen. Das Vier-Wege-Design arbeitet komplett passiv. Selbst die schrankgroßen Bassmodule kommen ohne DSP oder Equalizer aus. Wobei es die Möglichkeit gibt, den Klangcharakter der Contendo II anzupassen. Per App und Bluetooth kann man nämlich zwischen verschiedenen Konfigurationen der Frequenzweiche wählen, und da sie streng analog aufgebaut ist, schalten Relais zwischen den analogen Bauteilen um.
Die aus drei Hörnern bestehende „Mittel-Hochton-Einheit“, die ab 100 Hertz spielt, wiegt pro Seite rund 450 Kilogramm, das komplette Lautsprecher-Paar kommt in 20 Kisten und wiegt drei Tonnen. Der Klang ist ungefähr so beeindruckend wie das Aussehen der Lautsprecher. Der Preis liegt bei 880.000 Euro. Klar, das ist jetzt kein „Consumer-Modell“, es geht darum, die von Aries Cerat bevorzugten Konstruktionsprinzipien bis zum Maximum auszureizen. Weltweit wurden aber angeblich schon drei Exemplare bestellt …
Weil solche Cost-No-Object-Projekte ja durchaus ihren Reiz haben, möchte ich hier kurz noch ein paar weitere Lautsprecher der Superlative vorstellen, die sich auf der High End 2024 ein Stelldichein gaben.
Gigantisch wie die Contendo II kam auch das Super-Dragon-System von ESD Acoustic (https://esdacoustic.com/) aus China daher. Die fünf Wege des Systems werden einzeln angesteuert, wobei auf der High End zusätzliche Subwoofer aus dem Phönix-System von ESD zum Einsatz kamen. In der Grundkonfiguration handelt es sich um ein reines Hornsystem. Der Preis liegt aktuell bei 893.878 US-Dollar.
Man muss aber nicht nach Zypern oder nach China gehen, um ein eindrucksvolles Hornsystem zu erstehen. Cessaro (https://www.cessaro.de/) ist ein deutsches Unternehmen und bietet ebenfalls Hornlautsprecher an, mit denen man die Millionengrenze für seine Anlage locker knacken kann. In München stellte Cessaro die neue Zeta vor, die ab etwa 600.000 Euro zu haben ist und im Bass mit mehreren aktiven Subwoofern arbeitet.
Ein Exkurs, zu dem mich das schöne Wetter in München verleitete, führte mich zu einem kleinen Gebäude auf dem Gelände der Motorworld München, gegenüber dem M.O.C. Hier hatte Martion (https://martion.de/) aus Berlin die Zelte aufgeschlagen oder besser: die Hörner aufgestellt. Neben der neuesten Evolutionsstufe der aktiven Bullfrog – mein persönliches Highlight und mit 11.000 Euro inklusive Verstärkerelektronik sogar noch irgendwie bezahlbar – gab es die neue Aeonor Active zu hören, ein koaxial angeordnetes Duo aus Mittel- und Hochton-Horn, das im Bass durch ein Eckhorn mit 18-Zoll-Treiber unterunterstützt wird. Auch bei Martion schwört man auf analoge Schaltkreise, das System kommt ohne DSP aus.
So langsam wird es Zeit, von den Lautsprechern der Superlative wegzukommen. Wobei ich zugebe, dass ich im bezahlbaren Bereich wenig gefunden habe, was völlig neu oder exotisch war. Vielleicht ist mir deshalb aufgefallen, dass Flächenstrahler offenbar wieder ein Thema sind. So ganz verschwunden war das Prinzip nie, es wurde aber lange im Wesentlichen von Martin Logan (Elektrostaten) und Magnepan (Magnetostaten) vertreten. Auf der High End 2024 habe ich aber gleich mehrere spannende neue Modelle gefunden.
Ziemlich beeindruckend und vom Design her so schlicht wie überhaupt nur denkbar kommen die Magnetostaten von Fonica International (www.fonica-international.com/) daher. Die Italiener sind schon länger auf dem Markt und zeigten in München ihr aktuellstes Spitzenmodell, die LaGrande, ein Flächenstrahler mit drei Wegen, die jeweils als eigene Elemente ausgeführt und mit Scharnieren verbunden sind.
Alle Modelle von Fonica International gibt es aktiv, mit Hypex-Modulen und digitaler Frequenzweiche, oder passiv. Die Preise beginnen bei 3.300 Euro für die passive Flag S, die gerade einmal 40 x 42,2 Zentimeter (BxH) misst, und enden beim Spitzenmodell LaGrande, das es auf 140 x 204,5 Zentimeter bringt und aktiv 55.000 Euro kostet.
Ebenfalls schon länger gibt es die französische Marke Diptyque Audio (https://www.diptyqueaudio.com/), die auf der High End ihr Line-up an Flächenstrahlern zeigte. Überarbeitet wurden die Modelle Diptyque dp140 MKII (14.000 Euro) und dp160 MKII (22.000 Euro), die im Bass mit einem magnetostatischen Flächenstrahler und im Mittelhochton mit einem Bändchen arbeiten, neu hingegen ist die Reference (46.000 Euro), die gar ein Vier-Wege-System aus Magnetostaten und Bändchen ist.
In der Tradition der legendären Bändchen-Dipole von Apogee Acoustics steht Clarisys Audio (https://clarisysaudioglobal.com/) aus Vietnam, deren Lautsprecher bisher vornehmlich in den USA ihren Absatzmarkt haben. In diesem Jahr war das Unternehmen auf der parallel zur High End laufenden HiFi Deluxe vertreten, denn die Vietnamesen möchten von hier aus den Sprung auf den europäischen und den asiatischen Markt schaffen. Ich möchte behaupten, dass die Chancen gut stehen, die Vorführung war für mich die beste auf der HiFi Deluxe. Die Verarbeitung ist überzeugend und das Design schick. Die Preise beginnen bei 25.000 Euro für die kleine Minuet und enden aktuell bei 146.000 Euro für das neue Referenzmodell, das bald erscheinen soll.
Audiovector (https://in-akustik.de/) hatte ich bisher gar nicht auf dem Schirm. Wohl deshalb, weil die meisten Lautsprecher der Dänen einfach aussehen wie Lautsprecher heute nun einmal aussehen. Vermutlich war es ein Fehler, die Marke aufgrund dessen nicht zu beachten.
Ausgerechnet ein Modell, das Audiovector jetzt zum 45jährigen Firmenjubiläum herausgebracht hat und das mit seiner auffälligen Form an den ersten Audiovector-Lautsprecher, den Trapeze, erinnert, hat mich auf den Geschmack gebracht. Die Trapeze Reimagined sieht mit ihrer asymmetrischen Form faszinierend aus. Und sie klingt auch so.
Technisch ist die Sache aufwendiger als man denkt. Nicht nur das komplizierte Gehäuse ist ein Highlight. Der Hochtöner, ein Air-Motion-Transformer, ist eine Eigenentwicklung von Audiovector und auch im Bass gibt es einige Besonderheiten. So arbeitet im Inneren ein zweites 21-Zentimeter-Chassis in Compound-Anordnung und die Dämpfungseigenschaften lassen sich in drei Stufen an den Verstärker anpassen. Mit 17.850 Euro ist die Sache nicht gerade billig, doch der getriebene Aufwand und der Klang rechtfertigen das allemal.
Auch bei Cayin (https://cayin.com/) feiert man ein Jubiläum: das 30jährige. Aus diesem Grund hat man sich mit einer Jubiläums-Serie beschenkt. Im Zentrum steht der beeindruckende Röhrenverstärker Pearl 30i, dessen Leistungsabteilung pro Kanal mit vier hochmodernen KT170-Röhren arbeitet, die im Ultralinearbetreib für bis zu zweimal 230 Watt gut sind.
Im „euphonischen“ Trioden-Betreib bleiben davon immer noch 145 Watt pro Kanal übrig. Das Netzteil ist in ein eigenes Gehäuse ausgelagert. Verstärker und Netzteil bringen zusammen rund 90 Kilogramm (!) auf die Waage und kosten 22.000 Euro. Flankiert wird der Jubiläumsverstärker durch den D/A-Wandler Pearl 30D (16.998 Euro) und den CD-Transport Pearl 30C (14.898 Euro) im gleichen Design – und ebenfalls separatem Netzteil.
Messebericht: High End 2024