Wer schlau ist, besteht auf einer Generalprobe: Die „Finest Audio Show“ in Wien war 2024 mehr als eine regionale Folklore-Party – das Messegelände wird ab 2026 Austragungsort der ganz großen High End. Isar ade, Donau willkommen. Schwimmt man damit auf einer Erfolgswelle? Es kann gelingen. Die Zahl der Besucher hielt sich 2024 zwar in Grenzen, aber der Spirit in der Welthauptstadt der Musik war stark. Walzer-Seligkeit mit starken Produkten – auf kleiner Flamme. Noch.
Wie klingt der Wiener Sound?
Nun, da sieht man natürlich die Bilder aus dem Golden Saal des Musikvereins vor sich, die Philharmoniker spielen auf. Oder die jubelnden Fans im Ernst-Happel-Stadion. Vielleicht hört der ganz feine Mensch auch Udo Jürgens ein Duett mit Falco auf dem Zentralfriedhof singen … Alles Unsinn. Wien klingt wie seine Fiaker. Pferdehufe auf dem Asphalt und den Pflastersteinen. Alles eine Spur gemütlicher als anderswo, dazu opulente Bauten am Ring und kleine Nebenhöfe, auf denen plötzlich Mozart auftauchen könnte. Eine Zeitreise.
Das Austria Center Vienna schert aus diesem Postkartenidyll allerdings maximal aus. Ein Bau, eröffnet 1987, den die Architekturkenner unter „Brutalismus“ verbuchen. Wer noch nicht zugegen war, stelle sich am besten einen Mix aus dem Flughafen Tegel und dem Gewandhaus in Leipzig vor. Kein Stuck, aber alles hoch praktisch.
Man muss über den Prater, dann über die Donau und schlussendlich direkt neben der UN aussteigen: Am Wochenende 23./24. November kamen 4.000 Besucher in den Osten Wiens. Nicht wirklich viel angesichts einer Zweimillionenstadt. Die Audiomesse „Finest Audio Show Vienna“ hätte deutlich mehr Besucher vertragen. Egal, viele der Aussteller (von circa 300 Marken) waren nicht zuletzt deshalb gekommen, um das Theater, die Bühne und die Logistik für die High End 2026 zu testen. Denn vor einigen Wochen tönte ein Paukenschlag: Die High End Society hat der MOC-Messe in München gekündigt und verlässt das Land. Einmal werden wir im Frühjahr 2025 noch an der Isar wach, dann schlägt das Herz der weltweit größten HiFi-Messe in Wien. Irritierend – ist die Mutter der Messe doch ein eingetragener deutscher Verein und die Tochter eine waschechte GmbH mit Sitz in Wuppertal (https://www.highendsociety.de/). Ein Misstrauensvotum gegen den Standort Deutschland?
Nein, das ist es nicht. Wir hatten Gelegenheit mit den Verantwortlichen zu plaudern – halb „off the record“. Da schwingt etwas Unmut über das MOC in München mit, das über Jahre anstehende Investitionen aufgeschoben hat, aber noch wichtiger ist die Lust auf einen Neustart, eben in der Welthauptstadt der Musik. 2023 war Hauptprobe, dieses Jahr Generalprobe, 2026 sollen die Premieren-Gläser klirren.
Finest Audio Show Vienna 2024
Nun ja, ehrlich? Wien 2024 war nett, aber keine Messe für die Champagner-Laune. Ich hatte mir fest vorgenommen, ein Foto mit Menschenschlangen vor dem Eingang zu schießen. Doch da waren keine. Oder drängende Massen in der zentralen Halle – auch das Motiv wäre nur per KI und Bildbearbeitung möglich. Der Messe-Samstag war gut besucht, erstaunlich angesichts der verlockenden Herbstsonne über der Stadt. Der trübe Sonntag wirkte auch auf den Gängen trübe. Da geht mehr.
Wird auch so kommen. Wir dürfen nicht der Gefahr erliegen, eine Regional-Messe mit einer internationalen Großveranstaltung zu vergleichen. Der Spirit ist da – und viele Vorzüge. Pirschen wir uns heran. Da wäre die perfekte Anbindung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Just zum Messewochenende war die U1 durch einen Brandschaden am Stephansdom unterbrochen. Aber sie fährt faktisch alle fünf Minuten an der Station „Kaisermühlen-VIC“ ein. Von da aus geht es überdacht bis in das Austria Center Vienna hinein. In München waren die Fußmärsche mitunter nervig und die U-Bahn unwillig. Blöd, wenn man Taschen voller LPs schleppen musste. Punkt zwei: Die Stadt ist günstig(er). Die Hotels liegen deutlich unter Münchner Preisniveau, ein Wochenendticket für die Öffentlichen kostet fast nichts, auch die Taxis sind erschwinglich.
Der wichtigste Punkt jedoch: Die Räume im ACV sind dramatisch besser als im MOC. Das Austria Center bietet unterschiedliche Größen; als Aussteller entscheidet man sich schnell für einen symmetrischen Aufbau – wie zumeist von den Besuchern angetroffen. Die Lautsprecher stehen mit dem Rücken zur Glasfront, die Seiten sind gleich entfernt, die Rückwände sind je nach Raum mit Filz bezogen und die Decken verfügen über Diffusoren. Ich würde meinen eigenen Klangraum kaum besser gestalten können. Alle Vertriebe und Hersteller haben einen Teppich ausgelegt, spürten aber nicht zwingend die Not, zu professionellen Schallschluckern zu greifen. Alles sehr schlau gemacht, lebendig, nicht überdämpft – diese Räume vertragen auch hohe Pegel und Dynamik.
Was durchaus verführen kann. Wie immer auf High-End-Messen: Diejenigen, die es am wenigsten können, spielen am lautesten. Wie auf dem Rummel oder der Reeperbahn, wenn man vorbeischlendernde Touristen einfangen will. Die Masche funktionierte in Wien aber nicht wirklich gut, denn die Wiener sind tendenziell Feingeister, die bestgefüllten Räume fassten rund 20 Sitzplätze und boten Feinkost im Aufgebot von Lautsprechergröße und Wattzahlen.
Trotz der mitunter kompakten Maße konnte es richtig teuer werden. Audio Reference aus Hamburg (https://www.audio-reference.de/) bereitete sich selbst Konkurrenz – ein Doppelaufbau: Zum einen eine Kombi von Perlisten-Standboxen (die „Limited Edition“ für 39.000 Euro das Paar, aber bereits ausverkauft) an Krell-Elektronik, zum anderen aktive Schallwandlern von Meridian (88.000 Euro). Das brachte hohes Interesse, wurde aber getoppt von einem der Besuchermagnete schlechthin, einer Wilson Audio WATT/Puppy (49.000 Euro) mit VTL-Schubkraft. Wirklich lecker – auch und gerade für Fans des US-amerikanischen HiFi, egal ob alt oder jung.
Neckisch und Paradebeispiel für den kleinen Aufbau: Die nagelneuen „Trapeze Ri“-Lautsprecher von Audiovector (17.850 Euro). Davor in der Kette kein Weihrauch-HiFi, sondern moderne Stringenz – ein Streamer/All-in-One I35 Prisma vom schwedischen Hersteller Primare (5.060 Euro).
Mehr als ein Hauch von Retro bei den Boxen, der Vollverstärker dagegen minimalistisch-kühl designt und mit Class-D-Technik unter der Haube. Das Ganze natürlich verbunden mit LS-1205-Air-Lautsprecherkabeln und einer AC-4500-Stromversorgung vom ausstellenden Vertrieb und Hersteller In-akustik (https://in-akustik.de/).
Außer Konkurrenz: Der Aufbau von IAD (https://www.audiolust.de/), mit Luxman-Streamer NT-07 (7.990 Euro) plus DAC DA-07X (7.490 Euro) am Vollverstärker Soulnote A-3 (20.000) und schlanke Standsäulen von Wilson Benesch A.C.T 3zero (42.000 Euro). Dann und wann drehte ein Plattenspieler der neu im Vertrieb aufgenommenen Marke Zavfino seine Runden (15.000 Euro, mit Thiele 12-Zoll-Tonarm).
Also Japan, Great Britain, Kanada. Aber ich muss mich einer Wertung entziehen – IAD hatte mich um Vorführungen und Moderation gebeten. Doch ein guter Ort für das Gesamtgefühl der Messe: gut besucht, schlaue Fragen, spannende Dialoge. Natürlich kein Vergleich zum „King of Workshop“: Stereo-Autor Matthias Böde zog eine wahre Fan-Gruppe von Raum zu Raum. Bei Canton war gar nicht daran zu denken, einen Sitzplatz zu bekommen, selbst die Tür zum Vorführraum ließ sich vor lauter Menschenrücken kaum öffnen …
Als guter Journalist sollte man sich nicht blenden lassen von dem, was da ist, sondern auch hinterfragen, was abwesend ist. Oder weniger verklausuliert: Bowers & Wilkins glänzte mit Abwesenheit. Kein wirkliches Wunder, die Masimo-Gruppe hat gerade hausinterne Wirrungen auszutragen. Aber ein Fixpunkt wäre der Name für ein Mehr an Besucher schon gewesen. Dynaudio entzog sich ebenfalls, so auch Burmester und T+A.
Viele CDs waren an den Ständen käuflich zu erwerben – aber es gab kaum CD-Player in den Vorführräumen. Hier hatten klar die Streamer (und natürlich Plattenspieler) die Übermacht. Einige Aussteller hatten philosophische Großdiskussionen über FLAC, Lossless, PCM, DSD und die neusten Masterings erwartet – aber es blieb erstaunlich still und gelassen.
Dafür umso wundersamer und spannend: Revox (https://revox.com/de/) zeigte Flagge mit einem eigenen Stand und der großen, schwarzen Edelversion der Bandmaschine B77 MKIII (15.950 Euro). Das ist keine „Bastelarbeit“ aus alten Teilen, sondern ein tatsächlich rundum neues Tonband-Meisterwerk. Doch woher die passgenaue Musik nehmen? Revox deutete auf der Messe schon den kommenden Coup der Übernahme des Band-Multiplikators Horch Haus an, und es ist jetzt auch offiziell: Revox unterhält seit diesem Monat eine eigene hausinterne „Analog Division“, und die Revox Master Tapes werden im Werk Villingen bespielt.
Heinz Lichtenegger, der Inhaber und Gründer von Pro-Ject (https://www.project-audio.com/; deutscher Vertrieb: https://www.audiotra.de/), zeigte sich zwar nicht in persona, war aber trotzdem sehr präsent – fast die komplette zentrale Ausstellungshalle okkupierten seine Plattenspieler, dazu noch die Edelmodelle der Firma von Gattin Jozefina Lichtenegger von E.A.T.
Darunter ein knallgelbes Fortissimo-Laufwerk mit doppeltem Riemenantrieb (zum Sonderwunschpreis von 27.900 Euro). So mancher Pop-Art-Künstler hätte seine Freude daran gehabt, so mancher Kanarienvogel ebenfalls.
Ein starker Auftritt, aber: Alles Erlebnisse nur für die Augen, keiner der Player spielte auf. Nun, warum auch einen großen Raum halbherzig bespielen, wenn es um die pure Präsenz geht – und man nicht das volle Sortiment inklusive Lautsprechern unterhält? Auch weitere Plattenspielerhersteller hielten es so, wie Transrotor und Clearaudio.
Ganz wichtig: Die Messe war bis auf LPs und Silberscheiben keine Live-Verkaufsveranstaltung – potentielle Kunden wurden an die Händler in Österreich weitergereicht. Was künftig durchaus eine gewisse „politische Fallhöhe“ birgt, denn manche Importeure in Deutschland stehen mit den aus Österreich in direkter Konkurrenz. Das wird noch „lustig“, wenn die offizielle Gesamt-High-End hier 2026 einzieht. Die „Audio Tuning Vertriebs GmbH“ ist beispielsweise die Plattform von Heinz „Pro-Ject“ Lichtenegger und lockte gierige Blicke auf die schönen Lautsprecher von Sonus faber. Die aber in Deutschland in den starken Händen von Audio Components liegen. Da können ungeplante Dramen zwischen Alphatieren auf uns zukommen.
Zur Webseite der High End Society: https://www.highendsociety.de/