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Linn Exakt! Die Zukunft des High-End-HiFi?

Inhaltsverzeichnis

  1. 3 Linn Exakt! Die Zukunft des High-End-HiFi?

Der eigentliche Grund für diese Pressereise nach Glasgow bestand aber wie schon angedeutet darin, der versammelten Journalistenschaft eine gründliche Einführung samt Demonstrationen in eine erst kürzlich vorgestellten Technologie namens „Exakt“ zu geben. Exakt ist eine – laut Linn – in dieser Konsequenz und Qualität noch nie verfolgte Vereinfachung des (digitalen) Signalwegs samt hochkomplexer Algorithmen und einer bisher unerreichten Flexibilität bei der Beeinflussbarkeit des Musiksignals mit dem Ziel, ebendieses so wenig wie möglich negativ zu beeinträchtigen und zu verschlechtern.

Hier werden die Einzelteile von Mitarbeitern per Hand in die Gehäuse eingebaut.
Hier werden die Einzelteile von Mitarbeitern per Hand in die Gehäuse eingebaut

Das erste, was man sich auf dem Weg zum Verständnis dieser Technologie klar machen sollte, so die Schotten, sei, dass jeder Bearbeitungsschritt, jede Wandlung, der ein Musiksignal unterliegt, jede Komponente, jedes Bauteil, durch das es fließt, es nur mehr oder weniger schlechter machen könne – niemals jedoch verbessern. Denken wir an die klassische HiFi-Anlage, wie sie sicher noch in über 95 % aller Hörräume stehen dürfte, so tummeln sich da CD-Player, Tuner, Schallplattenspieler, Streamer, Kassetten- und/oder Tonbandgerät als Quelle(n), Vor- und Endverstärker beziehungsweise Vollverstärker, Lautsprecher, und dazwischen immer wieder die unvermeidlichen Kabel. In jeder Stufe erfährt das Signal mehr oder weniger starke Bearbeitungen und Beeinträchtigungen.

Schematische Darstellungen des Signalwegs ohne ...
Schematische Darstellungen des Signalwegs ohne …

... und mit Exakt (Quelle: Linn)
… und mit Exakt (Quelle: Linn)

Konkret stellen die Linn-Ingenieure vor allem darauf ab, dass es hierdurch zu Verzerrungen und Phasenverschiebungen kommen kann – vor allem in passiven Frequenzweichen eines Lautsprechers sei das der Fall. Damit nicht genug: Schon vorher wird das Audiosignal von analog zu digital oder andersherum gewandelt, in Matrizen geschnitten und gepresst, und so weiter und so fort. Das Prinzip erklärt sehr anschaulich eines von drei Videos, mit denen Linn diese Problematik und sein Exakt-System beleuchtet.

Schon während der Montage wird jeder Schritt messtechnisch überprüft
Schon während der Montage wird jeder Schritt messtechnisch überprüft

Um das im Video Gezeigte kurz zusammenzufassen: Linn Exakt soll viele Stufen, die das Audiosignal normalerweise durchlaufen muss, entfernen und so eine im übertragenen Sinne direkte, digitale, im Normalfall hochaufgelöste Verbindung von der Festplatte zum Lautsprecher schaffen – ohne Verzerrungen, ohne Phasenverschiebungen.

So ein Exakt-System besteht nämlich nur aus dem „Exakt DSM“ inklusive Software, was aber nur die Kontrollbox und Lautstärkeregelung auf der digitalen Ebene darstellt, sowie den Lautsprechern mit aktiven Frequenzweichen (in der digitalen Domäne), D/A-Wandlern und integrierten Endstufen für jedes Chassis. Das Beibehalten des digitalen Signals bis direkt vor die Endstufe des einzelnen Treibers (analoge Eingangssignale wie zum Beispiel von einem LP12 werden von der Exakt DSM in hochaufgelöste digitale Daten gewandelt) soll dabei ungeahnte Möglichkeiten der Signalbearbeitung ohne Qualitätsverluste erlauben.

Gehäuse einer Linn Akubarik in schwarzem Pianolack vor der Montage der Treiber und Frequenzweiche
Gehäuse einer Linn Akubarik in schwarzem Pianolack vor der Montage der Treiber und Frequenzweiche

Einige werden sich nun nicht ganz zu Unrecht fragen, wo denn der Unterschied zu existierenden Systemen liegt, die digitale Daten zu aktiven Lautsprechern senden und dann eventuell sogar noch eine Raumkorrektur vornehmen. Um diese Frage zu beantworten, habe ich mit Keith Robertson, dem Technical Director bei Linn Products, gesprochen.

fairaudio: Keith, ganz kurz und knapp: Was unterscheidet Linn Exakt von anderen, ähnlichen Konzepten?

Keith Robertson: Exakt korrigiert Phasenverzerrungen an allen Punkten der Frequenzweiche. Andere Lösungen ignorieren entweder Phasenverzerrungen komplett oder korrigieren sie nur in einem bestimmten Frequenzbereich. Zudem korrigieren wir die Phasenverzerrungen und den Frequenzgang jedes einzelnen Wegs, indem wir die Treiber einzeln messen, statt nur Annäherungen vorzunehmen und die Serienstreuung zu ignorieren oder die Verzerrungen der einzelnen Treiber komplett zu ignorieren.

Weiterhin optimiert Exakt das Signal entsprechend der tatsächlichen Position der Lautsprecher und des Raumzuschnitts basierend auf einem äußerst akkuraten, modellbasierten Ansatz. Andere Systeme bedienen sich verschiedener, auf Messungen basierender Ansätze, die anfällig für Messfehler sind und häufig inkonsistente und unterschiedliche Ergebnisse liefern.

Die Signalverarbeitung durch Exakt unterstützt Samplingraten bis zu 24 Bit/192 kHz, dank unserer eigens entwickelten, in einem FPGA (Anm. d. Red.: Field Programmable Gate Array, ein integrierter Schaltkreis (IC) der Digitaltechnik, in den eine logische Schaltung programmiert werden kann) implementierten Algorithmen. Andere Lösungen sind meistens durch ihre Hardware auf 48 kHz oder 96 kHz limitiert, manchmal sogar nur mit einer 16-Bit-Auflösung.

Und schließlich ist da ExaktLink. Damit erreichen wir eine um ganze Größenordnungen bessere Synchronisation der Lautsprecher als in anderen Systemen. Der Jitter zwischen den beiden Lautsprechern beträgt nur 25 Pikosekunden!

Exkurs: Die Motivation des Ivor Tiefenbrun

Um die Motivation eines Ivor Tiefenbrun zu verstehen, muss man in seiner persönlichen Geschichte forschen. Sohnemann Gilad Tiefenbrun weiß das und gewährte uns spannende und sehr persönliche Einblicke. Sein Vater lebte als Sohn polnisch/österreichischer Einwanderer in Schottland und heiratete eine Schottin. Ivors erste Anschaffungen waren zum Leidwesen seiner Braut keine dringend benötigten Einrichtungsgegenstände, sondern eine teure HiFi-Anlage. Als musikbegeisterter Ingenieur trieb Ivor alsbald die Frage um, warum ihre Anlage gerade bei höheren Lautstärken schlechter klang und identifizierte den Luft- und Körperschall beziehungsweise dessen Einfluss auf den Schallplattenspieler als Übeltäter. Daraufhin ersann er die Aufhängung des Plattenspielerchassis und die damit einhergehende Entkopplung desselben von der Zarge und von der Unterstellfläche – der Subchassis-Plattenspieler war geboren, und ebenso der erste Linn-Wahlspruch „The Source Matters“. Der Ansatz von Linn war auch in den folgenden Jahren immer der gleiche, nämlich die Probleme eines HiFi-Systems zu eliminieren, statt an den Symptomen herumzudoktern.


Schematisch vereinfachte Darstellung der Vorteile von aktiver Trennung …


… und Verarbeitung durch Exakt bei der Frequenzauftrennung
(Quelle: Linn)

Die Aktivtechnik und das Umgehen der verlustbehafteten passiven Frequenzweiche war der nächste Schritt, die Einführung von DS (den Streaming-Geräten) im Jahre 2007 ein weiterer: Man konnte nun 24-Bit-Dateien direkt vom Studio-Master auf seine Anlage streamen. Mit Linn DSM wurde das Wiedergabesystem dann noch einfacher, denn eine Stufe mit Verkabelung fiel weg, da D/A-Wandler, Vor- und teilweise auch Endverstärker einfach mit dem DS-Streamer zusammen in ein Gehäuse verlegt wurden.

Der Warenausgang von Linn
Der Warenausgang von Linn

Exakt im Detail

Der nächste logische Schritt mit dem passenden Slogan „The Source is in the Speaker“ ist daher Linn Exakt. Zusätzlich zu den oben schon erwähnten Vorteilen wie der theoretisch optimalen, weil verzerrungsfreien und ohne Phasenschweinereien auskommenden aktiven Frequenzaufteilung und dem Ver- und Bearbeiten des Digitalsignals zieht Exakt nun auch den Raum und die Hörsituation des Hörers mit in die Gleichung ein. Mit Hilfe der Linn Software „Konfig“ lässt sich das Exakt-System rein mathematisch auf den Raum einstellen. Zur Zeit zwar nur auf einen rechteckigen Raum mit – so die Annahme – verputzten und mit Tapete bezogenen Gasbetonwänden, doch die Software-Abteilung arbeitet schon an komplexeren Algorithmen, die auch andere Formen und Oberflächenmaterialien und Möblierung einbeziehen werden. Bisher jedenfalls kann man die grundsätzlichen Raumabmessungen eingeben und die Position der Lautsprecher im Raum – Linn Exakt berechnet dann die minimal invasiven Veränderungen des Originalsignals, um den Einfluss des Raums so gering wie möglich zu halten. Vor allem bedeutet das, dass stehende Wellen im Bereich bis circa 150 Hz bedämpft werden, um dem Raum weniger Anregungsenergie zu geben und so andere Frequenzen nicht zu überdecken.

Kompensation von Raummoden mit Exakt. (Quelle: Linn)
Kompensation von Raummoden mit Exakt (Quelle: Linn)

Glücklicherweise versucht man dabei Peaks im Frequenzgang zu glätten und nicht Einbrüche aufzufüllen – Letzteres resultiert im Allgemeinen nur in versagenden Verstärkern beziehungsweise Lautsprechern und folglich schrecklichem Klang.

Keith Robertson, Chefingenieur von Linn, erklärt voller Enthusiasmus, wie Exakt funktioniert
Keith Robertson, Chefingenieur von Linn, erklärt voller Enthusiasmus, wie Exakt funktioniert

Einen Umstand müssen wir uns hier verdeutlichen: Exakt kommt ganz ohne Mikrofon aus, denn es misst nichts. Das ist nichts weniger als ein Paradigmenwechsel: Exakt berechnet aus den eingegeben Daten ein mathematisches Modell des Raums und passt die Parameter der Wiedergabekette entsprechend des gewählten Standorts der Lautsprecher und der Bedingungen an. Hört sich waghalsig an? Ja, vielleicht. Aber dass es hervorragend funktioniert, davon konnte ich mich gleich mehrfach überzeugen. Hier zahlen sich ganz offensichtlich der beträchtliche Aufwand und das Know-how der Linn’schen Software- und Akustikingenieure aus.

Verbunden werden Exakt DSM und Lautsprecher übrigens via Ethernetkabel, die allerdings nach dem eigens entwickelten ExaktLink-Protokoll arbeiten. Dieses Protokoll soll die Probleme von S/PDIF, WLAN oder normalen Ethernetverbindungen (Stichwort Jitter) eliminieren. Der Lautsprecher „zieht“ sich die Daten exakt so, wie er es will und muss, und die Master-Clock sitzt natürlich konsequenterweise in ihm (und nicht in der Steuereinheit DSM). Laut Linn ist das digitale Signal im Lautsprecher dann sogar mit weniger Jitter behaftet als noch im Exakt DSM. Auch die angegebene Präzision der Synchronisation beider Lautsprecher ist beeindruckend: Nur 25 Pikosekunden soll ja die maximale Abweichung betragen, mit der das Signal den Lautsprechern entweicht. Um das zu veranschaulichen: Man müsste die Boxen auf ein Hundertstel der Dicke eines gewöhnlichen Blatt Papiers genau aufstellen, um die Laufzeitunterschiede, die daraus resultieren, auszugleichen.

Gilad Tiefenbrun, Sohn des Firmengründers Ivor Tiefenbrun, hat die Leitung der Firma im April 2008 übernommen
Gilad Tiefenbrun, Sohn des Firmengründers Ivor Tiefenbrun, hat die Leitung der Firma im April 2008 übernommen

Ein weiteres wichtiges Merkmal von Exakt dürfte sein, dass jedes einzelne Lautsprecherchassis vor dem Einbau in das Lautsprechergehäuse genau durchgemessen wird und seine Parameter in das Exakt DSM gefüttert werden, welches dann das Signal so bearbeitet, dass alle Chassis phasengleich und im jeweiligen Frequenzband absolut identisch spielen. Fragen Sie mal einen Lautsprecherhersteller nach Toleranzen – findet man bezahlbare Treiber mit Parametern, die unter 3 % Toleranz liegen, kann man von Glück sprechen, bei 1 % wird es dann schon fast ein Ding der Unmöglichkeit. Linns Exakt matcht die Treiber nicht etwa einfach noch weiter, sondern passt die zuvor schon selektierten und optimal aufeinander abgestimmten Chassis bis auf minimalste Unterschiede digital an. Wenn das tatsächlich funktioniert, dann dürfte aus jedem Treiber weitestgehend das herauskommen, was rauskommen soll, und nicht das, was der Treiber aufgrund seiner inhärenten Unzulänglichkeiten aus dem Signal macht.

Kompensation von Treiber-Abweichungen durch Exakt. (Quelle: Linn)
Kompensation von Treiber-Abweichungen durch Exakt
(Quelle: Linn)

By the way: Exakt ist nicht nur etwas für die aktuellen Modelle der Schotten. Bei Linn hat man sehr wohl daran gedacht, dass die eigenen Kunden nach einem solch umfassenden Upgrade geradezu lechzen werden, und hat die Exakt-Technik kurzerhand in ein eigenes Gehäuse gesteckt, so dass auch ältere Linn-Lautsprecher in den Genuss kommen können, echten Exakt-Klang zu liefern. Dabei wandert im Prinzip alles, was beim normalen Exakt-System zwischen DS(M) und Endstufen sitzt (also aktive Frequenzweichen und Wandler sowie der Exakt-Computer), in die sogenannte Exaktbox. Die bietet in der Ausführungen Akurate zwei mal fünf Kanäle sowie deren zwei mal drei in der Top-Ausführung Klimax Exaktbox. Mit der Akurate Exaktbox kann also ein Pärchen Fünf-Wege-Lautsprecher „exaktiert“ werden, die Klimax-Exaktbox nimmt es im Stereo-Modus mit Drei-Wege-Lautsprechern auf (das dürfte in den meisten Fällen ausreichen), kann aber auch Mono betrieben werden und verwaltet dann problemlos je Seite sechs Kanäle beziehungsweise Chassis. An Multikanal-Anwendungen zum Beispiel im Heimkino denkt man bei Linn natürlich auch schon. Aber Achtung: Die Exaktboxen selbst beinhalten keine Endstufen, sondern „nur“ den Exakt-Computer. Es besteht also die Notwendigkeit, in eine entsprechende Anzahl von Endstufenkanälen (einer pro zu betreibendem Chassis) zu investieren.

Linn bleibt aber selbst hier noch nicht stehen, sondern strebt danach, auch die Lautsprecher anderer Hersteller mit Exakt zu segnen. Man befindet sich diesbezüglich auch bereits in ersten Gesprächen mit Bowers & Wilkins, deren Nautilus 802 der meistverkaufte High-End-Lautsprecher der Welt sein dürfte. Sollten sich genügend Kooperationspartner finden, mit denen die Exakt-Technologie in den Markt getragen werden kann, wäre dies nicht nur ein Riesenschritt für Linn selbst, sondern auch für viele audiophile Musikfans. Denn die Ergebnisse, die Linn mit Exakt erreichen und demonstrieren kann, sind nicht nur in der Theorie überzeugend, sondern auch in der Praxis.

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Firmenbericht: Linn Products

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