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Die Käfer-Story

Inhaltsverzeichnis

  1. 3 Die Käfer-Story

Dass ein kleiner Käfer ihn nächtens hochfahren ließ, mag ja nur mehr oder minder amüsant sein. Da aber in seiner Dachmansarde das Fenster zwecks Luftzirkulation immer weit offen stand und draußen der Verkehr – natürlich um ein Vielfaches lauter als des Käfers „Laufgeräusche“ – munter vorbeirauschte ohne ihn im Schlaf je gestört zu haben, kam er ins Grübeln … Diese ganz alltägliche, ja geradezu triviale Reaktion auf die beiden „Hörerlebnisse“ beschäftigte ihn – was schon etwas seltsam anmutet, oder? Wer macht sich denn darüber Gedanken?

Klangfluss K1

Nun, jedenfalls fing er am Morgen danach den Käfer, setzte ihn im Grundig-Labor auf eine mit einem Körperschallmikrophon verbundene Platte und sah sich das Trapsen des Kerbtiers auf dem Oszilloskop an. Wie Herr Reime vermutet hatte, zeigte sich ein Zusammenhang zwischen der Entfernung des Käfers vom Mikro und der Wellenform, genauer: der Relation der ersten zwei-drei Halbwellen („Stoßwellen“) zu den danach folgenden. Je näher der Käfer dem Mikrophon kam, desto relativ höher der Pegel der Stoßwelle im Vergleich zu den Nachzüglern – je mehr er sich entfernte, desto ähnlicher das Level von Stoßwelle und den folgenden Schwingungszyklen.

Klangfluss - Herr Reime in der Schreinerei

Herr Reime vermutete, dass dieses Muster beim Menschen psychoakustisch tief eingeschliffen sei – die Stoßwelle diene vor allem auch zur Entfernungsabschätzung eines Klangereignisses, und damit ursprünglich als Gefahrenmelder. Aufs musikalische Feld übertragen, sei die Stoßwelle für das berühmte Live-Gefühl zuständig, so seine Theorie: Er analysierte hierzu insbesondere die Einsatzphasen von Instrumenten und fand dabei ein Analogon zu den Beobachtungen beim Käfer – die Klang-Anfänge besaßen etwas mehr Energie als die folgenden Schwingungen. Analysierte man allerdings das gleiche Instrument statt live so, wie es über eine HiFi-Anlage wiedergegeben wurde, ließ sich das prägnante Muster „Stoßwelle versus Folgeschwingungen“ nicht mehr im gleichen Ausmaß feststellen. Herr Reime begriff dies als Fingerzeig dafür, warum HiFi immer etwas „entfernt“, etwas lebloser, eben nicht „live“ klingt. Begeistert teilte der junge Labortechniker seine Entdeckungen den alten Hasen bei Grundig mit – und wurde mehr oder minder ausgelacht. In der Highfidelity gehe es um glatte Frequenzgänge, Phasenbeziehungen, Verzerrungsminimierung und manch anderes – von einer Stoßwelle aber hatte man noch nie etwas gehört.

Nun, der seinerzeit 23jährige ließ sich nicht ins Bockshorn jagen, sondern überlegte sich einen Trick: Er nahm das Geräusch eines auf Stein zersplitternden Glases auf, modifizierte diese Aufnahme nach eigenen Gutdünken Richtung Stoßwelle und spielte sie am nächsten Tag während der Pause eines Führungskräftemeetings – man diskutierte gerade die neusten Lautsprecherentwürfe – vor. Starke Irritation setzte ein, so Herr Reime, zum einen, weil es so real klang, zum anderen aber, weil der Raum mit einem dickem Teppich ausgelegt war … Als er das Geheimnis lüftete, reagierten einige der Herren etwas verschnupft, hatten sie seine Theorie doch in Bausch und Bogen verworfen – andere zeigten sich aber begeistert und wollten mehr davon erfahren. Doch dazu sollte es nicht mehr kommen, da Herr Reime das Unternehmen verließ: Die Abteilung, der er angehörte, wurde nämlich gerade wegrationalisiert. Dies war der Anfang vom 25jährigen Ende der Stoßwellentheorie.

Stoßwelle exe,plarisch
Zur exemplarischen Darstellung des Prinzips – die obere Kurve zeigt die Stoßwelle

Dass es kein finales Ende wurde, sondern nur eine lange Pause, ist auch einem Herrn geschuldet, der heute unter der Marke EternalArts mit übertragerlosen Röhrenamps von sich reden macht, seinerzeit – wie es der Zufall manchmal so will – aber bei einem Unternehmen namens Grundig die Audioabteilung leitete und dort unter anderem für die bekannte „Fine Arts“-Serie verantwortlich zeichnete: Die Rede ist von Dr. Burkhard Schwäbe. In 2004 lief Herr Reime auf einer Messe in Leipzig nämlich zufällig Herrn Dr. Schwäbe über den Weg – man plauschte, sprach über vergange Zeiten, Herrn Schwäbe fiel dabei eine ominöse Glasbruchszene ein … und aktivierte damit eine halbverblasste Jugenderinnerung: „Du musst damit unbedingt was machen, beschwörte mich Burkhard geradezu“, so Herr Reime, „und setzte mir damit wieder diesen Floh ins Ohr. Naja, vielleicht eher den Käfer …“

Ein Jahr darauf schlenderte Herr Reime am Strand von Fuerteventura entlang, in Gedanken bei seinem Lautsprecher, von dem ihm schon mal klar war, dass er eine Steinbasis haben sollte – und traf zufällig einen Steinexperten – womit der Kreis geschlossen und die Geschichte, wie es zur K1 kam, hoffentlich halbwegs nachgezeichnet wurde. Fragt sich nur, was das für ein Lautsprecher geworden ist …

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