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Klangfluss oder die Frage: Was sind das für Leute?
Am Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden hält ein Herr im bunten Hemd ein Schild mit meinem Namen drauf – der sucht wohl mich. Ich lerne Stefan Weber kennen, einen von drei Geschäftsführern der Klangfluss GmbH.
Wollte man am Lautsprecher K1 seinen Zuständigkeitsbereich verdeutlichen, müsste man nach oben und unten weisen: zum 50 kg-Granitsockel und zur Steinkugel, auf der der Hochtöner strahlt (wenn dort nicht gerade eine Holz- oder Edelstahl-Kugel liegt, dazu später mehr). Was kaum verwundert, heißt seine „Hauptfirma“ doch Natursteinmeister – ein Unternehmen, das beim Verschönern / Neugestalten / Renovieren der heimischen vier Wände im Innen- und Außenbereich mit Stein so ziemlich alles macht. Während der kurzen Autofahrt zum Treff mit den beiden anderen Klangflusskollegen höre ich interessiert und amüsiert einem kleinen Exkurs über gewisse Sonderwünsche einer seiner Kunden zu, der ein Privat-Hamam in seinem Schloss bei Baden-Baden verwirklicht sehen möchte – und ganz eigene Vorstellung davon hat.
Was nun Stein-Dampfbäder mit Highend-Lautsprechern zu tun haben sollen, ist eine berechtigte Frage. Allerdings irritierten mich Herrn Webers Ausführungen nicht groß, war ich doch schon über eine grundlegende Sache bei Klangfluss informiert: Dieses Unternehmen ist ein Zusammenschluss dreier Unternehmer, die in ihren jeweiligen „Hauptfirmen“ völlig unterschiedlichen Dingen nachgehen – aber gemeinsam unter dem Dach Klangfluss das Projekt „Traumlautsprecher einmal anders, bitte!“ verfolgen und ihr spezifisches Know-How zur Verwirklichung des Traums einbringen. Wie es dazu kam, schildert Stefan Weber so:
„Ehrlich gesagt, war das am Anfang eine Bierlaune – oder eine Urlaubslaune, das passt eigentlich besser, schließlich habe ich den Gerd, unseren Techniker, ja im Urlaub kennengelernt. Das war vor gut sechs Jahren auf Fuerteventura: Ich sitze am Strand, da kommt einer des Weges, der sammelt statt Muscheln Steine … hebt sie hoch, schlägt sie aneinander und horcht. Manche wirft er wieder weg, andere kommen in ein Säckchen, das er bei sich hat. Okay, etwas verrückt kam er mir schon vor – aber Steine sind nun mal mein Thema, also kamen wir ins Gespräch. Später an der Hotelbar rückte er mit seinem ominösen Lautsprecher-Projekt raus … drei Jahre drauf gründete ich mit ihm und dem Marcus die Klangfluss-Manufaktur … hätte mir das jemand damals am Strand erzählt … äh, kennen Sie das eigentlich schon alles?“ Ich gebe ein Nein zurück.
„Rückblickend frage ich mich manchmal schon, ob das alles Zufall war oder doch schon sowas wie Fügung. Ich meine, wie wahrscheinlich ist das – ich verdiene mein Geld mit Steinen und lerne dann im Urlaub ausgerechnet jemanden kennen, der geradezu leidenschaftlich einen Steinexperten sucht? Und zudem: Gerd hätte ja auch aus Hamburg kommen können – aber nein, es stellt sich heraus, dass er bei mir um die Ecke wohnt und arbeitet … Oder wie wir den Marcus, unsern Schreiner, kennengelernt haben. Kennen Sie die Geschichte?“ – „Nö.“
„Also: Eines Abends, wieder daheim, wir sitzen draußen beim Italiener, trinken ein Glas Rotwein und diskutieren unser Lautsprecherprojekt. Uns fehlt noch jemand, der den Holzkorpus für die K1 herstellen kann. Stein, das ist mein Feld, und die Metallteile, dafür hat der Gerd die Maschinen – für die Technik ist er ja sowieso zuständig, das Grundkonzept für die K1 stammt von ihm -, aber das eigentliche Lautsprechergehäuse, da fehlte noch jemand. Als reine Auftragsarbeit wollten wir das aber nicht angehen, es sollte jemand sein, der mit Herzblut dabei ist, der mitdenkt, eigene Ideen einbringt – und am besten finanziell unabhängig ist, schließlich zahlt man bei so einem Projekt erstmal drauf.
Klangfluss auf der Karlsruher Messe Offerta 2009
Nun, ich schlug vor, es mit einer Zeitungsannonce zu probieren. Aber was macht Gerd? Er steht auf und ruft den anderen Gästen zu: ‚Gibt’s hier einen Schreiner mit Phantasie?‘ – ‚Entweder lacht man ihn jetzt aus oder es passiert einfach gar nix‘, dachte ich mir. Stattdessen kam von zwei Tischen weiter jemand auf uns zu und stellte sich vor: ‚Hallo, ich heiße Marcus und bin Schreiner!‘ Das gibt’s doch gar nicht, oder? Und nein, er ist nicht nur einfach gelernter Schreiner, das wäre schon unwahrscheinlich genug – er besitzt gleich auch noch eine gutgehende, modern ausgestattete Schreinerei mit allem drum und dran … und kann sich für unser Vorhaben begeistern! Da fahren wir übrigens gerade hin … Glaubt man sowas?“ – „Klingt ein bisschen wie aus einem Abenteuerroman …“ – „Ja, wahrscheinlich haben wir deshalb so viel Spaß bei Klangfluss …“
Inzwischen sind wir bei der ersten Station der heutigen Reise angekommen, wir parken bei der Möbelwerkstätte Heck, einem Traditionsbetrieb, beheimatet in Gaggenau-Bad Rotenfels, und in Händen des gerade genannten Marcus Klöpfer.
Dessen Hand ich schon auf der High End in München geschüttelt hatte: „Ich bin hier der Holzwurm – Sie kommen bald bei uns vorbei, stimmt’s?“ „Stimmt.“
Die idyllisch gelegene Möbelfirma Heck
An Furniersorten herrscht bei Klangfluss kein Mangel
Herr Gerd Reime, der Dritte im Bunde, ist auch da, also folgt nach einem kleinen Rundgang durch die Schreinerei das Gruppenfoto:
Das Klangfluss-Trio von links nach rechts: Marcus Klöpfer, Stefan Weber, Gerd Reime
Während die Produkte der Hauptfirmen der Herren Klöpfer und Weber noch ganz real physisch-haptisch erfahrbar sind, sind die des Herrn Reime eher geistiger Natur, damit freilich nicht weniger interessant. Picosens ist eine Ideenschmiede, eine Erfinderwerkstatt oder, in Neudeutsch, also Englisch: ein „Think Tank Electronic Development“, wie es auf der Homepage heißt. Dabei kreist das Denken überwiegend um optische, kapazitive und induktive Sensortechnik für Anwendungen im Industrie- und Automobilbereich. Klingt etwas abstrakt? Nun, Herr Reime hält beispielsweise ein Patent für einen Regensensor, der in Großserie zur Steuerung von PKW-Scheibenwischer verwendet wird – und brütet gerade unter anderem eine neue Art von Parkhilfen-Sensor aus … solche Dinge erfindet man bei Picosens:
Ein Stoßstange …
… mit Parkthilfensensor
Der Prototyp eines neuartigen Metalldetektors …
Dabei stellt das Unternehmen nicht die finalen Produkte her, sondern patentwürdige Techniken und Ideen, die dann an die Industrie verkauft beziehungsweise lizensiert werden. Und so gehören zu Picosens neben dem Eigner und Chef-Erfinder Gerd Reime noch zehn weitere Entwicklungsingenieure, die sich berufsmäßig frische Gedanken machen müssen, aber natürlich auch ein Patentanwalt sowie Vertriebsmitarbeiter, die die neuen Erfindungen an den Mann bringen.
… sowie des größten Picosens-Projekt derzeit, eines optischen Transponders
Auf meine Frage, wo man das denn lernt, Erfinder werden, holt Gerd Reime weiter aus und kommt dabei – kaum zufällig – auf eine Idee namens „Stoßwellenkonditionierung“ zu sprechen, die ganz zentral für den Klangfluss-Lautsprecher K1 ist. Und im Grunde schon gute 25 Jahre auf dem Buckel hat.
Wie man sich leicht denken kann, ist „Erfinder“ nicht gerade ein klassischer Ausbildungsberuf, so Herr Reime, doch sei er damals bei Grundig, wo er Mitte/Ende der Siebziger eine Ausbildung zum Radio- und Fernsehtechniker absolvierte, durch Ideenreichtum auffällig geworden, was man firmenseitig zum Anlass nahm, ihn einer in Fürth ansässigen Entwicklungsabteilung für Ton- und Video-Aufzeichnungsgeräte zuzuordnen – dort herrschte naturgemäß mehr Gedankenfreiheit als in der Produktion. Sein Arbeitsfeld lag primär im Videobereich, was ihn freilich nicht davon abhielt, sich auch anderweitig Gedanken zu machen.
Dabei kam ihm die Grundidee zur Stoßwellenkonditionierung nicht mal bei Grundig, so geht die Geschichte, sondern im Schlaf – oder besser gesagt: als er eines Abends aus dem Schlaf gerissen wurde. Und zwar von einem Maikäfer, der auf einer Wärmedämmungsplatte aus Styropor einen nächtlichen Spaziergang in der Nähe seines Bettes unternahm …
Firmenbericht: Besuch bei der Klangfluss Manufaktur