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Insbesondere wenn die Verkostung der in der Regel lokal verhafteten Winzereiprodukte auf dem Programm ansteht, füllen sich die Gänge. Wien kann mit der weltweit größten Weinproduktion innerhalb einer Großstadt aufwarten. Der Weitsicht und dem Können einer Reihe engagierter Wiener Winzer ist es zu verdanken, dass heute Weine von unerwartet hoher Qualität ausgeschenkt werden und das Thema Terroir auch in Österreichs Hauptstadt gerne und beharrlich diskutiert wird.
Dagmar Postel organisiert die Klangbilder hinter den Kulissen mit ansteckend guter Laune
Nachdem der größte Durst gestillt ist, wenden wir uns wieder der Musik zu. Mit einer Anlage von FM Acoustics (www.fmacoustics.com) aus der Schweiz fraglos auf höchstem Niveau. Der österreichisch-slowenischen Vertrieb unter Hari Strukelj hat eine komplette FM-Kette aus der Resolution Serie zusammengestellt. Und die musiziert wie aus einem Guss.
Dynamik, Auflösung und Raumabbildung setzen Maßstäbe. Selbst der mittig zwischen den Lautsprechern befindliche Kamin kann diesem audiophilen Füllhorn nichts anhaben. Ein umfangreich optimierter Garrad-Plattenspieler, auf dem Wege kollegialer Amtshilfe von Martina Schöner als Ersatz für einen ausgefallenen Dreher anderer Provenienz herbeigeschafft und justiert, harmoniert bestens mit der Phonovorstufe FM 122 MkII. Die Vierwege- Lautsprecher des Typs XS III B benötigen übrigens mindestens zwei Stereo oder, wie hier, vier Monoendstufen FM 111. Alles in allem stellt diese Anlage, die Linestage 155 und der Harmonic Linearizer 133 eingeschlossen, einen Wert von deutlich über 200.000 Euro dar. Da soll noch mal einer sagen, in der Schweiz ließen sich keine Werte mehr anlegen.
Nebenan hat HiFi-Altmeister Othmar Spitaler eine der großen Suiten bezogen. Vom Plattenlaufwerk bis zu den Lautsprechern trägt die Kette die Handschrift ihres Entwicklers. Natürlich weiß Spitaler genau, wo er den technischen Hebel anzusetzen hat, um der Reproduktion Leben einzuhauchen, stellt sein Wissen aber nie plakativ in den Vordergrund. Eine Anlage von Artkustik (www.artkustik.at) mag für so manchen Musikliebhaber womöglich der Schlüssel zum klanglichen Nirvana sein. Wer sich hiervon angesprochen fühlt, kann die Kette für etwa 116.000 Euro erwerben. Aufbau und Justage vor Ort durch den Chef persönlich inbegriffen.
Interview im Artkustik-Raum: Herr Revich (Violine), Frau Leko (Piano) und Dr. Flich (Klangbild-Organisator)
(Foto: Pia Bimasdorfer)
Ihnen ist inzwischen bei all den fünf und sechsstelligen Summen doch etwas schwindelig geworden? Keine Sorge, uns geht es da nicht viel anders, obschon inzwischen tatsächlich die Gefahr einer Gewöhnung zu bestehen scheint. Das inflationäre Moment bei der Preisentwicklung lässt sich jedenfalls auch hier in Wien beobachten. Andererseits sollte man sich nicht täuschen lassen, Veranstaltungen wie die Klangbilder sind ja auch immer eine Art Nabelschau des High End und da gehört Klotzen selbstverständlich zum Handwerk. Gutes Gerät kann man beim heimischen Händler vor Ort in der Regel zu deutlich gemäßigteren Preisen erstehen. Aber wenn es unbedingt der Ferrari sein muss …
Wohnraum- und Budget-freundlich: Audio Physic an Block-Elektronik
Dass es auch unter Messebedingungen durchaus etwas wohlfeiler zugehen kann, beweisen die wohnraumfreundlich gestylten Schallwandler aus Audio Physics Classic-Serie (www.audiophysic.de). Bei Preisen zwischen 1.880 und 3.880 Euro kann der Interessent aus drei Modellen wählen. Der Clou ist die Möglichkeit, die Lautsprecher mit farbigem Glas (Aufpreis etwa 200 Euro) der Wohnumgebung anzupassen. Zusammen mit der Elektronik von Block, gleichfalls bekannt für ein gutes Preis-Leistungsverhältnis, kann die Anlage auch klanglich bestehen.
Wer noch etwas mehr will, muss wieder zurück in die Schweiz. Piegas (www.piega.ch) neue Classic-Serie (hatten wir das nicht gerade?) präsentiert sich mal nicht im markentypischen Aluminiumkleid, sondern eben ganz klassisch in Holz.
Um den gleiche Druck wie ihre Alukollegen entfalten zu können, sind die Classic-Speaker vergleichsweise etwas größer ausgefallen. Die abgerundete Rückseite kennen wir bereits, neu ist der markant schräggestellte Deckel. Die Kaufpreise beginnen bei 5.900 Euro für die Classic 40.2, die größere 60.2 schlägt dann bereits mit 11.000 Euro zu Buche. Zwischen den beiden ist eine 90.2 aus der bekannten Koax-Reihe zu sehen.
Ein interessanter neuer Hornlautsprecher mit absolut wohnraumverträglichen Maßen ist bei Vienna Physix (www.viennaphysix.at), einem örtlichen Hersteller, zu sehen. Dank aktivem Bassabteil kommt der Lautsprecher sogar mit kleineren, gerne auch integrierten Amps bestens klar. Ein Luxman 505 u hatte jedenfalls wenig Mühe, den optisch ansprechenden Wandler zu recht spektakulärem Klang zu bewegen. Stimmen werden greifbar dreidimensional im Raum platziert. Selbstverständlich ohne nasal oder gepresst zu klingen, während die beeindruckend dynamische Gangart keine Fragen aufkommen lässt – schon gar nicht die, warum dem Bauprinzip des Horns so viele Musikliebhaber verfallen sind. Gut, bei 35.000 Euro für ein Pärchen der selbstbewusst Diva Grandezza getauften Schallwandler darf man schon so einiges erwarten. Wird diesbezüglich aber auch nicht enttäuscht.
Walter Kircher betreut im Nachbarland unter anderem die Elektronik von Accustic Arts (www.accusticarts.de). Heuer hatte er einen, uns bis dato unbekannten Schallwandler aus Slowenien mitgebracht, der nach Art der offenen Schallwand arbeitet und im Mittel-Hochtonabteil auf ein Bändchen setzt. Welche edlen Teile in der riesigen externen Frequenzweiche verbaut werden, entzieht sich leider unseren neugierigen Blicken. Beim Paarpreis von 75.000 Euro dürften aber schon einige große Luftspulen und edelmetallhaltige Kondensatoren mit an Bord sein.
Wir hören Puccinis Norma über einen Blackbird von Dr. Feikert(ab 5.990 Euro), die Verstärkung liegt in den Händen der Accustic Arts Kombi aus Tube Preamp II und den Monoblöcken Mono II (zusammen ab 20.490 Euro). Klanglich ein Genuss, wenn auch das Hotelzimmer etwas zu klein für die recht hoch bauenden Lautsprecher sein mag. In größeren Räumen öffne sich der Raum noch weitaus mehr in die Tiefe, weiß Walter Kircher dann auch zu berichten.
Als wir den nächsten Raum betreten – andächtig lauschen einige Herren der Stimme einer bekannten Singer-Songwriterin – freuen wir uns die preisgünstigen Lautsprecher Kin Mini (570 Euro) und Arro (1.990 Euro) des kanadischen Herstellers Totem zu erblicken. Auch die Elektronik von YBA zeugt, wenn auch in elegantem Outfit, von eher bodenständigem Charakter: Vollverstärker A100, CD-Player CD100 und Mediastreamer MP 100 sollen zusammen 4.500 Euro kosten. Doch nicht den Totems wird gelauscht, sondern einem quadratischen Brett über der Anlage. JMC Lutherie (www.jmclutherie.com) heißt der Hersteller aus dem schweizerischen Le Brassus.
Ein Brett für die Ohren
Das „Soundboard“ besteht aus einem speziellen Fichtenholz, welches ein achtzig Jahre alter „Holzpflücker“ aus einem Wald von über tausend Bäumen auswählt, wonach ein Gitarrenbauer den Lautsprecher, pardon: das Board von Hand fertigt. 9.800 Euro wollen dafür angelegt sein. Vermutlich lassen zwei Breitbänder das dünne Holz resonieren und erzeugen so einen durchaus gut vernehmlichen Ton. Selbst eine Art von stereophonem Hörgenuss sei möglich. Also gut, nervig oder gar hochtonlastig klingt es wirklich nicht. Dennoch lassen sich übliche HiFi-Kriterien hier nicht so ohne Weiteres zur Anwendung bringen, worauf wir aus Respekt vor der Arbeit des achtzigjährigen Baumpflückers dann auch lieber verzichten wollen. Interessierte finden im Internet weitere Informationen.
Die Zimmer auf diesem Flur halten speziell für Analogliebhaber noch zwei weitere Schmankerln bereit. Roksans Mitbegründer und Entwicklerlegende Touraj Moghaddam, derzeit mit seiner Firma Vertere (www.vertereacoustics.com) im Geschäft, präsentiert den Referenzplattenspieler RG-1.
Die Maschine ist ein echtes Präzisionsgerät und holt eine Unmenge an Details aus den schwarzen Rillen, punktet aber ebenso wenn es um Rhythmus, Timing und Klangfarbenstärke geht. Hier wird die jahrzehntelange Erfahrung eines absoluten Analogprofis wie Moghaddam unmittelbar hörbar. Wäre nicht der Preis von etwa 27.000 Euro für diesen Analogtraum, immerhin einschließlich Reference Tonearm, man könnte fast schwach werden. Der Vertrieb in Deutschland? Derzeit vakant.
Ein ähnliches Gefühl der Schwäche hegen viele Analogfreunde auch für die wunderbaren, auf den klassischen Reibradplattenspielern von Garrad basierenden Laufwerken von Martina Schöner (www.garrard501.com), die ja bereits der FM- Kette zu einer adäquaten Tonquelle verholfen hat.
Dass diese Schmuckstücke auch klanglich keine Konkurrenz zu scheuen braucht, demonstriert die Vorführung an den ungewöhnlichen Kiso-Lautsprechern aus dem Vertrieb von Thomas Fast (www.fastaudio.com). Im Verbund mit Lyras neuem MC-Tonabnehmer Etna, Tonarmen von Origin Live, sowie der Elektronik von Mace-Audio, kann die Kette viele Besucher spontan für sich einnehmen. Dabei geizt Fachfrau Martina Schöner keineswegs mit Tipps und beantwortet unermüdlich aus dem Publikum gestellte Fragen rund um das Thema Analog im Allgemeinen und Reibradler im Speziellen.
Last not least: Peter Azinov (www.azinov.com) aus Wien befasst sich seit über zwanzig Jahren mit dem Thema Lautsprecherbau. Das wäre im Normalfall nichts Außergewöhnliches, wenn der ausgewiesene Klassikfan nicht so vieles anders machen würde, als es derzeit im Lautsprecherbau üblich ist.
Herr Peter Azinov vor seinen ungewöhnlichen Lautsprechern
Keine angesagten Alugehäuse, sondern edle Massivhölzer, keine geschwungenen und abgerundeten Fronten, sondern Kanten, Ecken und Quader, wohin man sieht. Er schwört auf Aktivlautsprecher, verbaut aber keinen der so beliebten DSPs, sondern nutzt konventionelle Filter erster Ordnung. Ach ja, zwei (!) kleine Breitbänder mit Papiermembran verantworten den wichtigen Mitteltonbereich.
Als Quelle dient ausschließlich ein Laptop. Speziell für mich häufig ein Grund, den Raum recht schnell wieder zu verlassen. Hier allerdings nicht, denn trotz des unkonventionellen Vorgehens des Entwicklers ist der Klang dieser Installation … atemberaubend realistisch. Violinen, Klarinetten, Oboen, Sänger, alles was die Lautsprecher zum Besten geben, ist souverän und kraftvoll, hat überzeugende Klangfarben, spielt bei Bedarf dynamisch bis zum Abwinken und sogar die Raumdarstellung, obwohl durch einen in der Zimmermitte verschraubten Schreibtisch arg gehandicapt, droht nicht komplett zu verflachen. Damit stellen die vollaktiven Schallwandler auch für recht selbstbewusst eingeforderte 19.000 Euro eine angemessene klangliche Dividende in Aussicht. Ein vielversprechender Auftakt für den quirligen Österreicher.
Sonntagabend, 18:30 Uhr, die Klangbilder sind gerade vorübergegangen, da gibt es das traditionelle After-Show-Bierchen und erste Resümees. Unter dem Strich zeigen sich die meisten Aussteller sehr zufrieden mit der neuen Örtlichkeit. Der anhaltende Zuspruch des Publikums scheint die Wahl ebenfalls zu bestätigen. Zwar birgt die Verlegung einer etablierten Messe immer Risiken, manchmal gleicht ein Umzug gar einer Operation am offenen Herzen. Nach drei abwechslungsreichen Tagen im Arcotel Kaiserwasser darf man Dr. Flich und seinem Team aber getrost gratulieren. Die OP ist gelungen, die Klangbilder in ihrer neuen Heimat angekommen.
Messechef Dr. Flich (vorne-links) & best Friends
Web: www.klangbilder.eu
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Messebericht: Klangbilder 2014