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mit Andreas Günther
Man sollte sich vor Projektionen hüten, sagte Sigmund Freud und schrieb viele Bücher darüber. Deshalb: Nur weil ich entspannter und geschmeidiger werde, muss die High-End-Messe in München es nicht auch gewesen sein. Aber es kam mir so vor: Früher gab es ein Hauen und Stechen, es ging um Marktanteile, die heißesten Produkte der Zukunft. Diesmal waren viele Hersteller und Vertriebe im Kuschelmodus – so schien es mir jedenfalls. Vielleicht auch und gerade, weil es die letzte Messe in München war. Da schwebten der Abschied und etwas Melancholie durch die Flure. War es nicht schön?
Tatsächlich stimmt dieser Satz – ohne jegliche Angst vor falscher Projektion: Es war schön. Die Sonne schien, die Menschen kamen, aber nicht diese überhitzte Überfüllung wie letztes Jahr. Ein guter, neudeutscher „Spirit“. Okay, einige Aussteller nölten sanft nach dem zweiten Glas Wein am Messeabend: Wien 2026 ist so weit weg, ich weiß nicht, ob wir kommen werden. Wenn das mal gut geht. Es geht gut – unsere Eindrücke von der Generalprobe im November 2024 waren jedenfalls stark.
Direkt hinein in die Kernfrage: Was hat mich am meisten beeindruckt? Das Nebeneinander von Großaufbau und den Neulingen. Fangen wir mit den „Kleinen“ gleich an.
Lucca Chesky (www.cheskyaudio.com) ist der Sohn von David Chesky, dem legendären Aufnahmemeister aus New York. Der Vater wirkte etwas überentspannt – kein Problem, Lucca sollte ja die Messe rocken. Der Youngster hatte das dabei, was seine Generation gerade flasht – also keine Standboxen für einen zum Zurücklehnen animierenden Wohlfühlklang. Die Jugend komponiert und mixt selbst – und zwar am Schreibtisch, lean forward. Weshalb Chesky Audio mit einem Schreibtisch, einem Amp, einem MacBook und zwei eigenen kompakten Lautsprechern namens LC1 vertreten war.

Väterchen wollte nicht aufs Bild. Lucca Chesky ist der Sohn des legendären Produzenten David Chesky – segelt aber unter eigener Flagge. Hier mit selbst entwickelten Nahfeldmonitoren. Die erstaunlichen Schub auf die Stirn drücken können – und aufs Zwerchfell
Die tönten passiv (Überraschung eins) und geschlossen mit zwei erstaunlich großen Bässen in der immer noch kleinen Bauform (Überraschung zwei). Hoher Spaßfaktor. Eine Premiere für Lucca Chesky, der viele Visitenkarten von interessierten Vertrieben eingesammelt hat. In den USA werden sie für 1.000 Dollar das Pärchen angeboten.
Die Gegenwelt: JBL (https://de.jbl.com/premium-audio/) schreitet zur Bergbesteigung – der „Everest“ war bislang der größte unter den Lautsprechern im Katalog. Das Paar für 96.000 Euro. Nun wird es kleiner und günstiger, aber noch immer ambitioniert. Die Namen muss man lernen: Summit Ama, Pumori und Makalu.

Das Bergmassiv im Hintergrund an der Wand kann man ahnen. JBL hat die neue „Summit“-Serie vorgestellt. Alle drei Modelle nach großen Bergmassiven benannt. Hier das kleinste Modell, die Ama – an einem Arcam Radia. Die Boxen werden um die 17.500 Euro das Paar kosten. Schwarz trifft den Zeitgeist, das Mahagoni in Hochglanz hat einen etwas eigenen US-amerikanischen Touch
Wir spannen den Bogen von 17.500 bis 44.000 Euro, vom recht massigen Zweiwegler auf Ständern bis zur großen Standbox. Natürlich kommen alle drei „Summit“-Lautsprecher mit quadratischem Hornvorsatz und dahinterliegendem Kompressionstreiber. Tönte nach meinem ersten Eindruck schnell, nicht böse, sogar sehr human bei hoher Detailgenauigkeit und auch der Chance zu kleineren Lautstärken. Wenn es einen Stressfaktor gab, dann die übervolle Pressekonferenz – jeder wollte berichten. Lustige Idee und fast ein Party-Crasher: Die JBL-Profis wollten die Show auflockern mit einem Kurzvortrag des Extrembergsteigers Benedikt Böhm – der zog so viel Aufmerksamkeit an, dass die drei Gipfel-Lautsprecher fast ins Hintertreffen gerieten. Fast (ich habe sie am Folgetag ausgiebig gehört).

Der höchste Gipfel der neuen JBL-Serie hört auf den Namen „Pumori“. Sieht typisch aus für JBL, will seine Kundschaft aber ganz oben bei den Gutverdienern abholen – das Paar liegt bei 44.000 Euro. Zur Pressekonferenz gab es auch neue Elektronik von Mark Levinson
Seltsames, Skurriles? Grundsätzlich kann man den Hype zur Bandmaschine kritisch hinterfragen. Vor allem, wenn „Masterbänder“ angepriesen werden. Aber kultig ist es schon, wenn auf einem Revox B77 MKIII (https://revox.com/de/) der Name von Alice Cooper blutrot über die Spulen tropft.

Den Herrn auf dem Plakat kennt man: Alice Cooper. Der Mann links heißt Jürgen Imandt – und hat den Altrocker zu einer doppelten Sonderedition überreden können. Eine nagelneue, auf 25 Exemplare limitierte Edition der Revox B77 MKIII-Bandmaschine. Nettes Detail: Der Plattenspieler rechts funktioniert mit den gleichen Tasten wie die B77
Natürlich alles schwarz, tiefschwarz. Großartig die Show, die Verarbeitung – das Teilchen will man haben. Zumal es nur 25 Modelle geben wird – handsigniert vom Meister. Der maximale Kick: Die künftigen Besitzer erhalten das Versprechen zu einem Meet & Greet mit Alice Cooper persönlich. Zum Gruseln schön. Wie auch der Preis: 27.950 Euro. Doch es geht auch kleiner: Mit dem T77 legt Revox einen Plattenspieler auf. Wieder in Schwarz natürlich, mit rotem Alu-Beschwerer – und Tasten vom Tonbandmodell. Doppelte Auflage, 50 Stück, aber zu einem deutlich geringeren Preis: 8.950 Euro.
Ich bin Brillenträger – und kann das Display nicht sehen. Geht das auch größer? Eine häufig gestellte Frage im Handel (nicht lachen). So richtig fett, dick, groß stellt Auralic alle Botschaften der Tracks auf einem 14-Zoll-Touchscreen aus. Dalibor Beric vom DreiH-Vertrieb (https://3-h.de/) wurde hinter das neue Flaggschiff „Aquila X3“ gestellt – weil es enorm viel zu erklären gibt. Der X3 kann die Außenhaut verändern, das Finish – aber modular auch das Innenleben. Wir starten bei 16.000 Euro, haben einen CD-Transport, können rippen, eine SSD einbauen, eine Phonostufe integrieren. Der Preis legt dann mächtig zu.

Gut gelaunt: Dalibor Beric vom DreiH-Vertrieb zeigte auf der High End 2025 das neue Auralic-Flaggschiff Aquila X3
Irgendetwas muss an dem Horn-Trend dran sein. Bei JBL liegt es in den Genen, aber selbst Piega (https://piega.ch/), sonst sittsamer Verfechter des flachen Bändchens, baut eben dieses nun hinter einen Hornvorsatz – die Standbox Premium 801 kommt im Herbst.

Kennen wir doch alles? Tatsächlich? Bitte nach oben schauen und staunen – Piega setzt in der neuen Premium 801 ein kleines Horn vor das bekannte Bändchen. Ein klarer Zugewinn an Fokus und Dynamik auf den Sweetspot. Aber noch immer gesittet, wie alles bei den Schweizern (hier mit dem deutschen Country-Manager Manuel Neitzel)
Was klanglich natürlich Timing und Drive verändert. Ein kurzer, konzentrierter Hörtest sagt mir, dass die Schweizer natürlich ihren Hang zur gesitteten Eleganz nicht aufgegeben haben. Aber da tickt die Moderne, die Neuausrichtung durch die zweite Generation im Familienbetrieb vom Zürichsee – natürlich auch schweizerisch in der Preisgestaltung: 10.000 Euro das Paar in Alu, eloxiertes Sonderfinish zum Aufpreis.
Wenn der Firmenchef eine Idee hat – kann es seltsam oder groß werden. Bei Heinz Lichtenegger von Pro-Ject (https://www.audiotra.de/) wird es klein, spannend, im besten Sinn auch irritierend. So verkündete der Chef: Ich bin häufig unterwegs, da will ich auch im Hotel mit guten Lautsprechern hören. Also gibt es jetzt zwei extrem kompakte Zwei-Wege-Böxlein mit Schaltverstärker – im passgenauen Rollkoffer für Zug und Flugkabine.

Der Chef hatte eine Idee. Und wenn Heinz Lichtenegger etwas will, bekommt er es auch. Der Pro-Ject-Gründer braucht auf seinen Reisen unbedingt taugliche Lautsprecher für die Hotelsuite – und ließ sie in seinem Haus bauen. Kommt als Set mit Verstärker im Rollkoffer …
Jeder wollte das Set auf der Messe streicheln. Ich traue den Pro-Ject-Profis zu, dass sie einen Subwoofer im Sideboard versteckt hatten. Was die Österreicher aber beharrlich als Lüge und Phantasie ablehnen. Erstaunlich human der anvisierte Preis: 700 Euro. Das wird Kult.
Alte Hasen und Emporkömmlinge: Quad (https://www.quad-highend.de/) mixte sehr schlau den Retro-Trend mit neuem Design. Mastermind und Alles-Entwickler Peter Comeau hatte schon im vergangenen Jahr die Wiederkehr der Flächenstrahler in neuester Generation ahnen lassen. Nun sind die Quad ESL 2912X der Vorserie entwachsen – das sind echte Elektrostaten, fast mannshoch, das Paar circa 16.900 Euro (wichtig ist das „X“ im Namen). Natürlich im Design „cleaner“, zielstrebiger als die alten Raumteiler.

Die alte Dame lebt – mit Retro und dem Bruch von Retro. Quad stellte die nun serienreife ESL 2912X vor. Natürlich mit dem Charme der alten Flächenstrahler von damals. Aber bei der Elektronik gibt’s einen komplett neuen Designentwurf
Angetrieben von einer komplett anderen Ästhetik und Generation bei Vollverstärker, Streamer und CD-Transporter. Die „Platina“-Serie ist schwarz und überhaupt nicht auf Retro gebürstet. Fetter Lautstärkeknauf, massive Lautsprecherklemmen – der Amp arbeitet in Class A/B (circa 3.700 Euro), angeblich. Am letzten Tag der Messe beheizte er allerdings wie ein reiner Class-A-Verstärker den Raum.
Zum Schluss schaut Robin Hood vorbei. Hinter Ars Machinae (https://www.arsmachinae.com/) steht der Ingenieur Ralf Woelfel – ein waschechter Franke, der in Lichtenfels einen Plattenspieler ersonnen hat. Daniela Manger ließ ihn an ihren Lautsprechern aufspielen. Das hätte auch schiefgehen können, denn der Ars Machinae lockt Augen und Finger maximal an. Dick, ohne dicklich zu sein, klassisch, ohne altbacken zu wirken. Ein wuchtiger Riementriebler mit großformatigem Armausleger, auf dem ein 12-Zöller montiert war. Alles aus eigener Fertigung – maximal regional und fränkisch. Da erreichen wir eine anvisierte Summe von 28.000 Euro, haben dann aber auch ein feinmechanisches Fest auf dem Laufwerkstisch. Mein ganz persönlicher Haben-Wollen-Moment der High End 2025.

Plattenspieler aus Franken? Da gibt es einen Aufsteiger und Einsteiger: Ralf Woelfel baut in Lichtenfels ehrliche, schwere, massive Laufwerke unter dem Label „Ars Machinae“. Allein der Ausleger für den Arm ist ein feinmechanisches Fest. Je nach Ausstattung liegen wir bei rund 28.000 Euro. Es gibt auch passgenaue Tische zum Extra-Preis
Messebericht: High End 2025