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mit Michael Bruß
Wenn ich im Vorfeld der diesjährigen High End schon dachte, es sei angesichts des Mangels an offenkundiger Innovation im Digital-Audio-Bereich eher mühsam, wirklich interessante Geräte zu finden, die für Sie in dieser Messenachlese einen Mehrwert bieten, so hat mich der Rundgang durch die Hallen und Atrien des MOC in München eines Besseren belehrt. Zwar sind, wie gesagt, keine „großen Sensationen“ wie zum Beispiel ein schickes neues audiophiles Format oder der Durchbruch bei der Digitalsignalübertragung zu vermelden, jedoch fanden sich durchaus einige beeindruckende und Lust auf mehr machende Geräte.
Zum Beispiel der neuseeländische Musikserver und Streamer CX von Antipodes Audio (www.antipodesaudio.com). Er begleitet ab Sommer das Schwestermodell Antipodes EX, welches schon seit Anfang 2018 erhältlich ist. Wenn ich „begleiten“ sage, so ist das durchaus im Sinne des Erfinders – warum, siehe weiter unten. Beide Modelle leisten Ähnliches, will heißen, sie bieten über Einschübe auf der Geräterückseite Platz für zwei HDDs oder zwei SSDs und sind somit Musikserver – aber sie dienen auch als Netzwerkplayer, da sie jeweils zwei USB-Ausgänge besitzen. S/PDIF-Outs sucht man allerdings vergebens, doch beide bedienen die volle Streaming-Klaviatur aus Tidal, Qobuz und Roon-Integration und beherrschen den Apple-Standard AirPlay.
Der Antipodes EX unterscheidet sich vom CX vor allem durch den integrierten D/A-Wandler und die Lautstärkeregelung, die ihn zur kompletten Quelle mit analogen RCA-Ausgängen macht. Er schlägt mit 3.850 Euro zu Buche. Der Antipodes CX hat dagegen weder einen DAC, noch eine Lautstärkeregelung – dafür ist er 1.900 Euro teurer, was seinen Preis auf stolze 5.750 Euro hebt. Was sich nicht so ganz durchdacht anhört, erkläre sich durch das deutlich stärkere Netzteil und einen laut Hersteller absolut überdimensionierten Prozessor im CX, der nur mit einem Bruchteil seiner Kapazität arbeite und deshalb deutlich präziser sei.
Eine Option für Perfektionisten ist nun, dass man den Antipodes CX als reinen Server und den EX als Streamer nutzen kann, wenn man sich das denn leisten will. Über Ethernet miteinander verbunden soll die Performance des Gespanns jedenfalls „durch die Decke gehen“ – behaupten die Neuseeländer. Die massiv verarbeiteten Gehäuse im Midi-Format lassen sich auf zwei optionale Plattformen aus schwerem Stahl stellen, von denen eine ein CD-Laufwerk zum Rippen beinhaltet (P1, 800 Euro) und die andere zusätzliche Ausgangsoptionen bereitstellen wird (P2, noch nicht bepreist). Ein deutscher Vertrieb für Antipodes steht voraussichtlich ab Mitte des Jahres in den Startlöchern.
Erst ganz gegen Ende der Messe bin ich über den neuen Audiodata MusikServer MS I SE (www.audiodata.eu) gestolpert – es wäre zu schade gewesen, hätte ich den in einem schlichten und elegant designten Gehäuse daherkommenden und im Prinzip eine etwas verschlankte Version des Audiodata MusikServer MS I darstellenden Server/Player verpasst. Anders als der MS I besitzt der Audiodata MS I SE keine Kühlrippen an der Gehäuseseite, was ihn zum noch wohnraumfreundlicheren Modell macht. Zudem kündigt Audiodata den deutlich preisgünstigeren MS I SE als eine Art Kombination der „Hardware des MS I und dem Know-how des MS II“ an.
Wie Letzterer (siehe Test) erlaubt der bereits erhältliche neue Server/Player eine modulare Konfiguration ab Werk. Zum Basispreis von 1.080 Euro addieren sich dann zum Beispiel das JRiver-Streaming-Paket für 180 Euro oder eine SSD statt der serienmäßigen HDD. Nutzt man den Audiodata MS I SE als reinen Server und schließt einen beliebigen UPnP-fähigen Netzwerkspieler an, so kann man es auch beim Asset-UPnP-Paket für 130 Euro belassen. AirPlay und Roon sind ebenfalls gegen Aufpreis mit an Bord.
Ein paar Stufen rauf auf der Preisleiter kletternd, findet man den brandneuen Streaming-Vorverstärker DV2 von EMM Labs (www.audio-components.de), der als funktionierender Prototyp im Raum von Lansche Audio sein Debüt gab. Der DV2 ist mit einem von EMM Labs selbst entwickelten, hochauflösenden Hybrid-Lautstärkeregler ausgestattet und ermöglicht so den direkten Anschluss an die Endverstärkerstufe. Er bietet eine ganze Reihe von digitalen Eingängen, von Toslink (für nicht ganz so wichtige Gerätschaften wie Fernseher) über zwei Koax-Inputs, je einen AES/EBU- und USB-Port bis hin zum EMM-eigenen Optilink, die das digitale Musiksignal an Ed Meitners proprietäres und diskret aufgebautes 16xDSD-DAC-Modul liefern. Was im ersten Moment besonders ins Auge sticht, ist das wunderschön gearbeitete Aluminiumgehäuse, das in Schwarz oder Silber erhältlich sein wird. Die Verarbeitung ist – wie immer bei EMM Labs – absolute Sahne und selbst beim Vorserienmodell tadellos.
Und auch wenn man unter Messebedingungen keine wirklich qualifizierte Aussage zur Klangqualität treffen kann, so muss ich konstatieren, dass die EMM-Labs-Kette mit den sündhaft teuren MTRX-Monos (Paarpreis 150.000 Euro!) an den neuen Lansche Audio N. 7.2 SE eine mehr als überzeugende Vorstellung in Sachen Speed, Auflösung und Dynamik gab. Leider hat so viel Wow-Effekt auch seinen Preis – der ist weit weniger erfreulich als Verarbeitung, Design und Klang: Der EMM Labs DV2 wird in seiner Heimat Kanada mit 30.000 Dollar zu Buche schlagen. Ein deutscher Preis steht zwar noch nicht fest, dürfte sich aber in etwa um 35.000 bis 40.000 Euro einpendeln. Der offizielle Marktstart soll im frühen Herbst 2018 erfolgen.
Mit dem MU1 eröffnen die Niederländer von Grimm Audio (www.grimmaudio.com) zum Ende des Jahres einen kleinen Reigen von schick gestalteten Geräten für Streaming und Musikserving. Die Nummer 1 des aus dem Studiobereich stammenden Herstellers (erhältlich ab November 2018) gibt dabei den Puristen der Familie, denn er kommt ohne DAC und Lautstärkeregelung daher, ist also ein reiner Musikplayer/-server. Wie bei seinen größeren Brüdern lässt sich im Grimm Audio MU1 eine SSD für interne Speicherung einsetzen, und natürlich kann man Musik auch von externen USB- und NAS-Quellen einspeisen.
Der später erscheinende MU2 bringt zusätzlich einen DAC und einen regelbaren Pre-Out mit, so dass er als komplette Digitalquelle für den Anschluss an hochwertige Vorstufen, aber auch direkt an Endverstärker geeignet ist. Der Grimm Audio MU3 schließlich wird mit DAC und interner Verstärkung eine relativ kompakte und sehr wohnraumfreundliche All-in-one-Lösung darstellen. Alle Geräte besitzen dasselbe Gehäuse, das mir (so viel Subjektivität sei erlaubt) außerordentlich gut gefällt. Das bedeutet übrigens auch, dass man den Grimm Audio MU1 im Laufe der Zeit bis hin zum MU3 modular ausbauen kann.
Für Guido Tent (im Bild oben links) und Justin Vis (rechts) sind neben der möglichst transparenten Musikwiedergabe, die sich auf eine maximal hohe Datentreue und niedrigsten Jitter stützt, auch die Praxistauglichkeit von größter Bedeutung. So lässt sich mit einem MU1 und bis zu fünf LS1-Lautsprechersystemen (digital angesteuert und aktiv verstärkt) sogar eine beeindruckende Surround-Anlage mit minimalem Geräteeinsatz aufbauen. Für Freunde der reinen Stereolehre ist es wichtig zu wissen, dass ein Roon-Core vorinstalliert ist (lässt sich auch durch eine alternative Software ersetzen, wenn man Roon nicht will oder braucht) und Tidal, Qobuz sowie Spotify nativ laufen. Auch ein Empfänger für UKW und DAB+ findet sich im Grimm Audio MU1. Los geht’s mit dem MU1 im November 2018 für grob anvisierte 6.000 Euro, der MU2 wird bei circa 8.000 Euro liegen, und der MU3 wohl an der 10.000-Euro-Marke kratzen.
Die Firma Playback Designs (www.highendscout.de) aus Kalifornien beeindruckt auf der High End mit einem ganzen Turm an ziemlich identisch aussehenden Digitalgeräten der Dream-Serie, die in der Grundversion ohne Musikserver oder Streamer daherkommen. Stattdessen ist zum Beispiel der Playback Designs MPS-8 ein richtiger klassischer CD-Player. Herrlich, oder?
So ganz kann aber auch die Firma Playback Designs, bei der der ehemalige EMM-Labs- und Studer-Entwickler Andreas Koch die technischen Fäden in der Hand hält, nicht an der Streaming-Realität des Marktes vorbei, so dass sich entsprechende Module einbauen lassen. Im Prinzip aber haben wir es hier mit einem traditionellen CD-Spieler zu tun, der mit allen erdenklichen digitalen Ein- und Ausgängen sowie symmetrischen und unsymmetrischen analogen Ausgängen ausgestattet ist. Die beiden separaten Geräte, der D/A-Wandler MPD-8 und der SACD/CD-Transport MPT-8, sind bereits seit Beginn des Jahres erhältlich, während der MPS-8 sein Debüt auf der High End gab. Ein interessantes technisches Detail dürfte sein, dass jedes eingehende Signal intern in Double- oder gar Quad-DSD umgewandelt wird.
Ein bisschen Nervenstärke ist dann bei den Preisen gefragt. Der CD-Player/DAC MPS-8 steht mit 27.900 Euro in der Preisliste, der Wandler Playback Designs MPD-8 kostet 3.000 Euro weniger und das Laufwerk MPT-8 begnügt sich mit 19.900 Euro Kontoerleichterung. Die intern verbaute Streaming-Option Syrah für den MPT-8 kostet weitere 6.090 Euro, die Roon-Core-Option 4.790 Euro – und wer dem MPS ein Streamingmodul gönnen mag, findet für vergleichsweise günstige 2.990 Euro das Stream-X Plug-in.
In digitaler Hinsicht war diese High End irgendwie „geroont“. Kaum ein Streamingplayer oder Musikserver kommt noch ohne das „Roon ready“-Signet aus. Dabei wissen selbst alte Hasen manchmal nicht so recht, was Roon (www.roonlabs.com) denn nun eigentlich macht und warum es besser ist als andere Software-Produkte, die „ja eigentlich doch so ziemlich ähnliche Funktionen übernehmen“.
Nun: Roon ist eine Software, die eine sehr benutzerfreundliche Möglichkeit darstellt, alle möglichen digitalen Quellen und Bibliotheken vom USB-Laufwerk über die NAS bis hin zu Tidal in einer schick designten Oberfläche zusammenzufassen, abzurufen und auf beliebig vielen Endgeräten abzuspielen. Hinzu kommen noch nette redaktionelle Zusatzinfos und Metadaten. Dieses Softwareprodukt, das man für 119 Euro im Jahr oder für 499 Euro mit einer Lebenszeitlizenz erwerben kann, bekommt nun eine dedizierte Hardware zur Seite gestellt, den Roon Nucleus.
Der Name ist Programm, denn als Träger für den sogenannten Roon Core, den „Kern“ jeder Roon-Installation, diente bisher oft ein kleiner PC oder Mac. Diese Computer müssen natürlich neben der Musikverarbeitung noch so einiges anderes übernehmen, was sie nicht unbedingt zu audiophilen Überflieger macht. Der Roon Nucleus ersetzt diese „Krücken“ und besitzt ein eigens für seine Aufgabe optimiertes Betriebssystem namens RoonOS, das laut Hersteller perfekt auf die Hardware abgestimmt sei. Neben seiner Funktion als Server für externe Streamer kann der Roon Nucleus auch als Player dienen, also direkt per USB an einen DAC angeschlossen werden. Weitere Anschlussmöglichkeiten sind HDMI (Stereo und Multikanal), Thunderbolt 3 – und er besitzt einen Schacht für eine interne HDD oder SSD. Inwiefern der ab sofort erhältliche Roon Nucleus einen besseren Job macht als audiophile Server/Streamer mit dort installiertem Roon Core, muss die Praxis zeigen. Der Verkaufspreis liegt bei 1.650 Euro.
Messebericht: High End 2018