September 2011 / Jens Bondarenko
Wie spannend kann das heimische (digitale) Unterhaltungs-Leben sein? Bunte Smartphones mit mehr Rechenpower als PCs vor fünf Jahren, personalisierbare Benutzeroberflächen allerorten, Terrabyte schwere Multimediaplayer so groß wie Butterdosen mit hochauflösenden Audio- und Videodaten. Paradiesisch! Endlich legt man die Fernbedienung nur noch zum Schlafengehen aus der Hand. Selbst wenn das „Telefon“ klingelt, hat man sie ja oft schon in der Hand, weil gerade die E-Mails gecheckt werden … Lässt sich da nicht Profit für den experimentierfreudigen Musikliebhaber rausschlagen? Multiroomwiedergabe und universeller Fernsteuerungskomfort, das wäre doch was, oder?
Aber damit stressen wir uns freilich auch mit noch mehr Gerätewirrwarr, der überschaut werden will. Wenn beim digitalen Unterhaltungswahn wenigstens die relevanten Hardware-Teilnehmer reibungslos zusammenarbeiten würden! Die dabei zuweilen haarsträubenden Probleme mit Firmwares bei sogenannten Multimediaplayern oder Inkompatibilitäten töten gern mal nachhaltig jeden Nerv. Die neue Bequemlichkeit weicht dann schnell gestörtem Familienfrieden, wenn die musikalische Untermalung des Abendessens oder der neueste Blockbuster auf sich warten lassen.
Aber natürlich ist Hilfe nicht weit und wird uns von den am Ungemach Schuldigen zunehmend öfter mittels auffälliger, bunter Logos an allerlei unterschiedlichen Geräten im Elektromarkt hier oder Fachgeschäft dort angepriesen. So zum Beispiel auch beim Thema DLNA – der vermeintlichen Lösung von undurchsichtigen Konnektivitätsfragen. Ganz ausgeschrieben bedeutet das „Digital Living Network Alliance“. Eine Allianz verschiedener Gerätehersteller für „digitales Leben“ also, womöglich eine mit Gegenwart und Zukunft gleichzeitig im Fokus.
Das klingt vertrauenerweckend, bringt man den Begriff doch schnell mit anderen, entfernten Branchen in Verbindung. Selbstverständlich weiß jeder noch aus der 7. Schulklasse, was dieses mysteriöse DLNA bedeutet, keine Frage. Oder? Nicht? Ich auch nicht. Wäre ja zu schön, wenn man es „Universelle Medienverbindung“ oder so genannt hätte. Wobei DLNA leider nicht wirklich universal ist, da bezüglich der Medien formatgebunden und nur in Teilen verpflichtend standardisiert. Unglücklicherweise unterstützt jedes DLNA-Gerät, egal, ob als Server oder Client fungierend, mal das eine, mal das andere Format besser – oder auch überhaupt nicht (siehe DLNA-Artikel auf Wikipedia). Denn die wirklich wichtigen Formate sind teils nur optional und werden eben nicht zwingend unterstützt. Müssen wir also auf Bequemlichkeit verzichten? Oder gar mit den Unzulänglichkeiten leben? Aber komfortable Gerätevernetzung gibt es doch schon seit mindestens zehn Jahren für PCs!
Vor einigen Jahren waren Bösewichte in aller Munde, die eine Technologie für das Einschleusen von gemeiner Schadsoftware auf Windows-PCs nutzen: UPnP (Universal Plug And Play) heißt beziehungsweise hieß die Schleuse, denn diese bösartige Nutzung von UPnP ist Geschichte. Verteufelt wird sie dennoch wegen ihrer bedenklichen netzwerkigen Sorglosigkeit, akut bedrohlich ist sie aber nur bei auch sonst anfälligen, sprich ungeschützten PCs.
Vergleichsweise simpel und in die Jahre gekommen, ist UPnP dennoch praktisch, erfreuen wir uns doch an der netten Fähigkeit, beliebige Inhalte über internetprotokollfähige Netzwerke – also beispielsweise WLANs oder das Internet selbst – zu übertragen. DLNA ist übrigens eine „Weiterentwicklung“ von UPnP.
Und mittels schlichtem UPnP geht drahtlose Musikwiedergabe, Multiroom, Streaming und Fernsteuerung wirklich einfach und universell. Nämlich schnell und formatunabhängig, frei von Proprietarität.
Eine Voraussetzung sollte man freilich mitbringen: In meinem Fall ein transportables „Device“ (neudeutsch für „Gerät“), zum Beispiel eines mit iOS („intelligent Operating System“) von Apple. Ja, nun werden einige sagen, Apple wäre hinsichtlich unserer angestrebten Systemoffenheit Blasphemie. So ganz kann man das nicht zurückweisen und vielleicht gibt es auch Lösungen für das freie Android von Google, nur konnte ich die bisher nicht testen und wann sie für Geräte ohne „Mäusekino“, also für Geräte mit Displays weit jenseits der 3-Zoll-Marke, verfügbar sind, steht in den Sternen. So muss man es leider – unter anderem nach der Lektüre der Computerzeitschrift c’t (Ausgabe 17/2011) – zur Kenntnis nehmen.
Also ein iPhone, das wäre schon ganz ok, oder ein iPod als preiswertere Lösung. Viel besser für maximalen Komfort ist natürlich ein iPad, das ja immerhin 10 Stunden und mehr Akkulaufzeit bietet.
Ach so, und eine zweite Voraussetzung natürlich: Die wiederzugebenden Inhalte müssen auf einem PC oder NAS zu finden sein. Im Falle des kostenlosen Mediaplayers Foobar2000 (nur für Windows) können sie in Playlisten vorliegen oder in Foobars Datenbank indexiert sein. Wie das geht, ist hier zu lesen: Anleitung foobar2000.
Um zum Punkt zu kommen und hoffentlich Begeisterung zu wecken: Mobile Medienwiedergabe und
-steuerung mal ganz einfach, mit einem schlichten 7-Schritte-Szenario, für mich eine echte Offenbarung in Nutzerfreundlichkeit, quasi Plug ’n‘ Play in Reinstform. Sie werden bei gleichen Voraussetzungen kaum mehr Zeit für diese Lösung benötigen, als das Lesen und Verstehen dieser Zeilen benötigt. Keine fünf Minuten dauerte bei mir das Installieren einer streamingfähigen, mit beliebigen Audioformaten funktionierenden WLAN-Wiedergabe (schnarchlangsam im alten g-Standard) inklusive visuell unterstützter Fernsteuerung eines Foobar2000-bewehrten PCs mit highendiger Wiedergabe über die wohnzimmerliche Stereoanlage. Und das raumübergreifend in der ganzen Wohnung. Oder auf Wunsch im Internet mit Passwortschutz. Sorglos, standardisiert, fast gänzlich unabhängig von irgendwelchen Geräteherstellern. Fünf Minuten. Ab jetzt.
1. Browser öffnen, Foobar-Plugin „UPnP/DLNA Renderer“ herunterladen (ja, es unterstützt auch DLNA)
(http://www.foobar2000.org/components/view/foo_upnp).
2. Plugin installieren (in Foobars Components-Ordner kopieren).
3. Foobar2000 starten.
4. App-Store am iOS-Gerät öffnen (iPad/iPod/iPhone), kostenlosen „Linn Kinsky“-Player installieren (ja, er stammt vom Hersteller der bekannten schottischen Highend-Musikelektronik).
5. „Kinsky“ starten.
6. Gegebenenfalls Renderer* „Foobar2000“ auswählen, d.h. Wiedergabe an PC/Stereoanlage.
7. Titel aus vorhandener Playlist wählen und „Play“ drücken oder durch Foobars Bibliothek (Datenbank) browsen und dann „Play“ drücken.
Das phantastische Ergebnis: Es spielt Musik! Und Sie haben die Steuerung buchstäblich in der Hand. Surfen Sie doch nebenbei im Internet und lesen die News zu Ihrer Lieblingsband! Oder die Songtexte passend zur Wiedergabe. Oder besuchen Sie fairaudio.de …
Wer Foobar und seinen heimischen DSL-Router entsprechend konfiguriert, kann Foobars UPnP-Dienst im Internet nutzen. Aber Vorsicht – Passwortschutz in Foobars UPnP-Einstellungen nicht vergessen.
——————————-
*„Renderer“ steht für das Wiedergabegerät. Das kann auch das iPad/iPod/iPhone sein. In diesem Fall streamt Foobar die Musik auf den Apple-Porti; „Server“ ist der UPnP-Server, der die Inhalte bereitstellt, das kann z. B. auch ein PC mit Media Player unter Windows 7 sein.