Inhaltsverzeichnis
Dezember 2015 / Martin Mertens
Klar, kaum bin ich am Standort der Firma Advanced Research in Audio (A.R.I.A.) in Dosson die Casier bei Treviso, Provinz Venetien, Italien, angekommen, oute ich mich als typisch deutsch: Kurz nachdem wir – das heißt Giovanni Nasta, der Firmeninhaber, Bartolomeo Nasta, einer seiner beiden Söhne, Geschäftsführer und unter anderem für den internationalen Vertrieb zuständig, Hannes Knorn vom deutschen Vertrieb TAD sowie meine Wenigkeit – im großen Konferenzraum Platz genommen und einige Höflichkeiten über meine Reise, Italien und das Wetter ausgetauscht haben, zücke ich mein Notizbuch und frage, was es denn mit den Firmen A.R.I.A., Opera und Unison Research, die in dem nüchternen Industriebau residieren, auf sich habe …
Bartolomeo Nasta führte mich durch die Produktion
Und prompt versteinern die Gesichter. Doch bevor ich mir ernsthaft Gedanken machen kann, ob meine Unkenntnis mich sofort diskreditiert, ob ich gleich irgendwelche Firmengeheimnisse anrühre oder in welches Fettnäpfchen ich getreten sein könnte, grinst Bartolomeo Nasta und Hannes Knorn lacht auf. Nein, so ginge das nicht. Wir seien in Italien. Ich müsse doch erst einmal wirklich ankommen, mich entspannen, etwas trinken und die Anwesenden besser kennenlernen. Für die geschäftlichen Belange sei immer noch Zeit, das würde sich ergeben. Giovanni Nasta, mit seinen weißen Haaren und dem exakt gestutzten Schnauzbart das Urbild eines italienischen Firmenpatriarchen, geht zu der im Flur befindlichen kleinen Bar und kommt mit einem silbernen Tablett, auf dem auf einer weißen Serviette vier Gläser und eine Flasche stehen, zurück. Elegant stellt er jedem ein Glas hin und schenkt Wein ein. Schaumwein, den man von einem befreundeten Winzer bezieht und der nach der Champagner-Methode in der Flasche gärt. Natürlich besser als jeder Champagner. Darf sich nicht Champagner nennen, sondern nur „méthode traditionelle“, der italienische sei trotzdem besser …
Die Endmontage der Unison-Verstärker erfolgt komplett im eigenen Hause
Bei etwas Smalltalk ist das erste Glas schnell leer. Sekt ist sonst nicht so mein Ding, aber dieser ist wirklich vorzüglich. Giovanni Nasta macht Anstalten mir nachzuschenken. Dankend lehne ich ab, mit dem Hinweis, dass ich seit dem Frühstück nichts gegessen hätte und gleich betrunken sei. Was??? Warum ich das nicht gleich gesagt hätte? Ob ich Mozzarella möge …? Und wie aus dem Nichts zaubert Giovanni Nasta eine Schüssel mit zwei Sorten der italienischen Spezialität hervor und reicht frisch aufgeschnittenes Brot dazu. Genuss ist hier ganz klar Chefsache und steht offensichtlich weit oben auf der Prioritätenliste. Den Mozzarella – ein angeräucherter und ein echter Büffelmozzarella – beziehe man von zwei unterschiedlichen Produzenten, mit denen man freundschaftliche Beziehungen pflege. Das Brot steuere eine lokale Bäckerei bei, der man ebenfalls verbunden sei. Als mir Bartolomeo dann noch erzählt, dass geplant sei, am Abend in ein Restaurant zu gehen, das Freunden gehöre, und dass dort, wie übrigens auch in einigen anderen Restaurants, eine große HiFi-Anlage von Unison/Opera stehe, bekomme ich so langsam eine Ahnung davon, wie Wirtschaft in Italien funktioniert.
Bartolomeo bestätigt meine diesbezügliche Frage: Ja, in Italien würden die Dinge anders funktionieren. Man müsse Sachen einfädeln, Kontakte pflegen und vorsichtig in den Raum stellen, was man sich vorstelle. Und dann müsse man vor allem abwarten und Freundschaften pflegen. Irgendwann würden die Dinge dann einfach passieren. Das sei schon anders als in anderen Ländern. Er habe Freunde aus Deutschland und der Schweiz, die sich in Italien niedergelassen hätten und die es verstanden hätten. Es funktioniere, wenn man sich darauf einlasse.
Der Vollverstärker Triode 25 im Bau
Ich erfahre noch viel über die Familienverhältnisse der Nastas – dass sie eigentlich aus Süditalien stammen, dass etwas dran sei an dem etwas schwierigen Verhältnis zwischen Nord- und Süditalienern, dass (natürlich) nur Süditaliener wahre Freunde wären und Bartolomeo mit einer Spanierin verheiratet ist – und die ganze Familie in der Firma engagiert ist. So passiert es, dass ich nach und nach alles, was ich wissen möchte, erklärt bekomme …
Das Unternehmen „Advanced Research In Audio“, kurz A.R.I.A., vereint die Firmen Opera und Unison Research unter einem Dach. Opera wurde 1989 von Giovanni Nasta gegründet. Der erklärte Opernliebhaber hatte sich ursprünglich mit der Beschallung von Diskotheken beschäftigt. Mit Opera erfüllte er sich einen Lebenstraum und verwendet seitdem sein Know-how bei der Konstruktion und Abstimmung hochwertiger HiFi-Lautsprecher. Unison-Research dagegen wurde 1987 von einer kleinen Gruppe von audiophilen Enthusiasten unter der Führung von Giovanni Maria Sacchetti aufgebaut. In den 1990er-Jahren begegneten sich Giovanni Nasta und Giovanni Maria Sacchetti auf diversen HiFi-Messen und lernten sich kennen und schätzen. Gemeinsame Klangideale führten zu einer immer engeren Kooperation zwischen dem Lautsprecher- und dem Verstärkerhersteller, bis sie sich schließlich unter dem Dach von A.R.I.A. zusammentaten. Herr Sacchetti ist inzwischen aus Altersgründen – er ist mittlerweile über 70 – aus der Firma ausgeschieden, unterrichtet aber noch an der Universität von Parma Elektrotechnik und steht der Firma bei Neuentwicklungen mit Rat und Tat zur Seite. Darüber hinaus vermittelt er für Entwicklungsprojekte Studenten an A.R.I.A., sodass die Firma immer am Puls der Zeit ist und neue Technologien und Ideen in die Geräte einfließen.
Die Anschlussterminals lässt Opera nach eigenen Anforderungen fertigen
Bei einem Rundgang durchs Werk erfahre ich noch so einiges über die beiden Marken Unison Research und Opera sowie über Produktion und Entwicklung.
Gehäuseteile
Der Firma Unison Research gelang der internationale Durchbruch Ende der 1980er-Jahre mit dem „Simply Two“, einem Single-Ended-Ultralinear-Class-A-Röhrenvollverstärker, der mit je einer EL 34 pro Kanal rund sieben Watt Leistung bot. Das Gerät stürzte seinerzeit Teile der audiophilen Welt in eine akute Sinnkrise. Ende der 1980er-Jahre galten eigentlich potente Transistorboliden aus Japan oder den USA als Eintrittskarte ins Nirwana des High End – und da kam so ein schmucker, lächerlich kleiner und leistungsschwacher Röhrenverstärker aus Italien und bezauberte mit seinem Klang. Kein Wunder, das Röhrenverstärker heute noch einen wesentlichen Teil des Unison-Portfolios ausmachen. Bis auf einen inzwischen wieder eigestellten Ausflug in die Welt der Push-Pull-Verstärker arbeiten alle Röhrenamps von Unison Research mit Single-Ended-Schaltungen – wobei die leistungsfähigeren Modelle hier auch mehrere Röhren parallel einsetzen.
Hannes Knorn vom TAD Audiovertrieb
Die Tradition des „Simply Two“ setzt aktuell das Modell „Simply Italy“ fort, welches das Einstiegsmodell darstellt und aktuell 2.000 Euro kostet. Das obere Ende im Sortiment der Röhren-Vollverstärker stellt der Verstärker „845 Absolute“ dar, der 2 x 40 Watt mit zwei mächtigen 845-Röhren pro Kanal erzeugt und für 40.000 Euro (!) den Besitzer wechselt. Die Fronten und weitere Gehäuseteile der Röhrenverstärker bestehen aus Holz – die schwarzen Varianten setzen auf lackierte Holzteile. Die Perfektion, mit der man hier Verstärker baut, bekomme ich eindrucksvoll vor Augen geführt, als man mir den „Ausschuss“ der von einer benachbarten Schreinerei gelieferten Holzteile zeigt. An den meisten Teilen kann ich nicht den kleinsten Makel erkennen. Dennoch zeigt mir Bartolomeo Nasta an einigen Stücken, warum man sie aussortiert hat. Selbst die Andeutung einer Schliere im Lack führt dazu, dass das Teil nicht für die Verwendung an einem Unison-Verstärker infrage kommt.
Bei Unison-Research gibt es noch viel Handarbeit
Firmenbericht: Unison Research und Opera