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Michael Kaim von BTB Elektronik

Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Michael Kaim von BTB Elektronik

 

November 2012 / Ralph Werner

Schon faszinierend, ein solches Lager. Nicht allein aufgrund der Größe, sondern auch wegen der Vielfalt – ob kistenweise Telefunken-Doppeltrioden oder riesige Siemens-Senderöhren, hier ist fast alles zu finden – und des leicht antiquarischen Charmes, der durch die Gänge weht: Die auf Elektronikröhren aller Art spezialisierte Vertriebsfirma BTB Elektronik (www.btb-elektronik.de) zählt selbst schon 66 Lenze, so einige ihrer Glaskolben haben aber noch ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel.

Röhrenlager bei BTB

Altes Röhrenprüfgerät ...
Ein altes Röhrenprüfgerät, welches …

Altes Röhrenprüfgerät ...
… mit röhrentypindividuellen Lochkarten (!) gesteuert wird. Freilich findet dies heute nur noch selten Anwendung

Wie oben zu sehen, verströmt sogar manches Röhren-Messgerät den Reiz einer vergangenen Epoche. Doch so ganz vergangen ist diese offenbar gar nicht. Ja, Röhren gehen schon seit längerem wieder als zeitgemäß durch. Fast, möchte man meinen, sind sie wieder im Mainstream angekommen. Jedenfalls haftet Freunden des Röhrenverstärkers keinesfalls mehr der Nimbus des ausgemacht Freakigen an. Aber halt – zunächst einmal ein kleiner Blick zurück:

Eugen QueckIm Jahr 1946 gründet Eugen Queck ein seinen Namen tragendes Ingenieurbüro, lässt Elektronikröhren produzieren und verkauft diese an Unternehmen wie Saba, Grundig, Nordmende usw. Der Erfolg bleibt nicht aus – Mitte der Fünfziger hat Quecks Büro über 130 Mitarbeiter, Mitte der Sechziger neben der deutschen Zentrale auch Niederlassungen in der Schweiz und den Niederlanden.

Gefahr droht nun allerdings von einem neuem Bauteil namens „Transistor“, doch statt dessen Siegeszug im Schmollwinkel zu beobachten, baut der ehemals reinrassige Röhrengroßhändler ein zweites Geschäftsfeld auf: Er nimmt nun auch Halbleiter sowie andere passive elektronische Bauteile mit ins Programm. Mitte der Siebziger-/Anfang der Achtzigerjahre spielt das alte Röhrengeschäft kaum noch eine Rolle, man behält zwar noch ein großes Lager, „aber vieles von dem, wo einem heut‘ das Herz bluten würde, flog in den Müll“, so Michael Kaim, der heutige Firmeninhaber.

Lager BTB ElektronikQueck setzt sich schließlich zur Ruhe und verkauft sein Geschäft an drei seiner Mitarbeiter, die die Personengesellschaft in eine GmbH verwandeln und aus ihren Nachnamen – Ballwieser, Thomanek, Bergbauer – den neuen Firmenvornamen „BTB“ ableiten. Geschäftlich bleibt man sich treu, bis sich Anfang/Mitte der Neunziger auf alte Tugenden besonnen wird. Der Transistormarkt scheint dem Trio für eine Firma mit nur wenigen Mitarbeitern zu groß und zu kompliziert geworden zu sein: Also (wieder) hinein in die Nische Elektronikröhre, zumal man von den alten Glaskolben ja noch einiges auf Lager hat!

Der neue BTB-Inhaber und Geschäftsführer Michael Kaim steigt im Jahr 2002 ein – und baut das Lager aus. Unter anderem durch die Übernahme des Röhrenbestands von RSD, dem früheren offiziellen Importeur von DDR/RFT-Röhren.

Michael Kaim von BTB

Wir waren in Nürnberg und haben mit ihm gesprochen:

fairaudio: Hallo Herr Kaim! Ihre Vertriebsfirma BTB Elektronik gilt als feste Größe im „Röhren-Business“. Wie viele der hübschen Glaskolben haben Sie denn auf Lager?

Michael Kaim: Durch die Übernahme der Firmen MSF in 2002 und RSD in 2009 sowie Ankäufe diverser Posten kommen wir heute auf einen Lagerbestand von knapp einer Million Röhren, die sich in etwa auf 4.000 verschiedene Röhrentypen aufteilen. Da sind Exemplare dabei, die schon 80 Jahre auf dem Buckel haben, aber auch recht neue wie die 5Y3s von JJ oder die KT120 von Tung-Sol.

Wie behalten Sie da die Übersicht?

Unsere Röhren sind natürlich alle EDV-mäßig erfasst und nach Typ klassifiziert, sodass wir immer wissen, von welcher Röhre wie viele verfügbar sind – und wenn eine mal nicht vorhanden sein sollte, sehen wir auch gleich, welche alternativen Vergleichstypen auf Lager sind oder gegebenenfalls beschafft werden müssen.

Lager BTB
Röhrenlager bei BTB: alles ist sortiert, nummeriert und EDV-technisch erfasst

Die Einführung eines leistungsfähigen, für unsere Zwecke passenden Warenwirtschaftssystems war eines der ersten Dinge, die ich nach dem Kauf der BTB Elektronik im Jahr 2002 angegangen bin. Ohne dem ist das beim Umfang unseres Geschäftes gar nicht mehr machbar beziehungsweise es verlangsamt alles, wenn man versucht, ein solches Lager und Tagesgeschäft mit ein paar Excel-Listen oder ähnlichem zu verwalten. Natürlich war diese Software-Einführung zum Start ein hoher Aufwand, mit der ganzen Mannschaft haben wir vier Wochen lang nichts anderes gemacht als Röhrentypen und Bestände ins System einzutippen!

Apropos Röhrentypen: Da gibt es ganz unterschiedliche Namenskonventionen, amerikanische, europäische … Woran halten Sie sich?

Nun, es gibt umfangreiche Vergleichslisten – Bücher sind’s eigentlich – in denen die unterschiedlichen Bezeichnung technisch gleicher Röhrentypen aufgelistet sind. Aber alle üblichen Röhren sind mit allen gängigen Bezeichnungen wie gesagt auch in den Artikelstammdaten unserer EDV enthalten, sodass wir bei Bestellungen direkt sehen können, ob der nachgefragte Typ da ist oder ob vergleichbare Ware zum Beispiel aus russischer/asiatischer/amerikanischer Produktion zur Verfügung steht. Natürlich herrscht oft etwas Sprachverwirrung ob der unterschiedlichen Bezeichnungsschemata und Schrift.

Das Palettenlager von BTB Elektronik
Das Palettenlager von BTB Elektronik

Was sind denn die gängigsten Namenskonventionen? Und können Sie einmal beispielhaft die „Logik“ hinter den Bezeichnungen erklären?

Am weitesten verbreitet sind die europäische, die amerikanische und die russische sowie die asiatische Bezeichnung – Letztere ähnelt stark der russischen.

Bleiben wir beim europäischen Schema und nehmen mal das Allereinfachste: eine „ECC 83“. Der erste Buchstabe sagt immer etwas über die Heizung aus, hier steht „E“, also wird die Heizung mit 6,3 Volt betrieben. Ein „A“ wären beispielsweise 4 Volt, ein „D“ 2 Volt aus einer Batterie usw.

Beim zweiten Buchstaben ist es analog, er bezeichnet den Röhrentypus. Im Beispiel steht „C“, was eine Kleinsignaltriode bezeichnet. Ein „L“ wäre – wie beispielsweise bei der EL 34 – eine Leistungspentode. Das bei der ECC 83 zweimal „C“ im Namen zu finden ist, liegt einfach daran, dass es sich um eine Doppeltriode handelt.

Dann kommt die erste Zahl, hier die „8“: Die erste Ziffer steht meist für den Fuß der Röhre beziehungsweise für den Sockel, auf den sie passt, hier ist es der Noval-Sockel. Die zweite und letzte Zahl ist schließlich die fortlaufende Nummer der Röhre, die das konkrete Exemplar mit seinem individuellen Verstärkungsfaktor, dem Innenwiderstand usw. bezeichnet – also die besonderen technischen Eigenschaften dieser Röhre, die halt andere sind als bei einer ECC 81 oder ECC 82.

Ähnlich wie beim europäischen Schema verhält es sich beim russischen, auch da ist eine „Logik“ vorhanden. Im Gegensatz zu den amerikanischen Bezeichnungen, wo man häufig nur die Heizspannung aufgrund der ersten Ziffern erkennen kann. Manche Bezeichnungen wie beispielsweise bei der 300B lassen keine Rückschlüsse auf die Bauart zu.

300B-Röhre von Full Music

In welchen Geschäftsfeldern ist BTB aktiv? HiFi und High-End ist doch nur ein Bereich, oder?

Ja, das stimmt, allerdings ein bedeutender. Wir haben bei BTB keine richtige Aufteilung in Geschäftsfelder vorgenommen. Wir bedienen letztlich alle Marktsegmente, die Röhren benötigen. Das startet beim Sammler und endet bei der 100-Kilowatt-Senderöhre.

Große Senderöhre von Siemens

Man könnte den Markt aber gut nach Größe aufteilen. Die bedeutendsten Segmente sind der Musikermarkt, also alles rund um Gitarre, Bass, Studio- und Aufnahmetechnik, dann der HiFi-Bereich inklusive Do-It-Yourself und schließlich Röhren für Industriezwecke, vom Maschinenbau bis zur Medizintechnik. Für die Industrie sind das natürlich nicht die Stückzahlen wie bei Musikern und HiFi, aber die Preise für diese Spezialröhren sind deutlich höher, das kann schnell auch vierstellig werden. Den Dampfradiobastler und Sammler bedienen wir natürlich auch.

Wie schaut der Musikermarkt denn aus, da geht’s ja offensichtlich nicht nur um Gitarrenverstärker & Co?

Ein Gitarrenverstärker wird neu bestückt und durchgemessen

Das Segment „Musiker“ umfasst auch die Aufnahmetechnik, Röhren-Mikrophone sind da beispielsweise zu nennen. Hier bedienen wir alle Hersteller, die es so gibt, zum Beispiel AKG, Sennheiser, Microtech-Gefell, Horch, um nur einige zu nennen – das ist natürlich ein kleiner Markt, da solche Mikros teuer sind. Die Hersteller verwenden hier gerne New-Old-Stock(NOS)-Röhren, die wir auf Wunsch auch nach RoHs-Zulassung prüfen lassen. Dann natürlich die Studiotechnik: Röhrenkompressoren beispielsweise. Und alle Geräte, die Sound machen, die Wah-Wah- und Verzerrer-Bodentreter für E-Gitarren zum Beispiel, oder ganz allgemein gefasst: Effektgeräte, in denen häufig eben Röhren stecken. Der größte und bedeutsamste Teil dieses Marktes ist und bleibt aber der Verstärker für Gitarre und Bass.

Gitarrenamp
Der Servicetechniker von BTB beim Arbeiten an einem Gitarrenverstärkerchassis mit Biasabgleich (Einstellen der Ruheströme der Endstufenröhren)

Interessant ist da das Verzerrungsverhalten der Röhre, oder? Sprich: Erst wenn die richtig übersteuert ist, wird’s interessant für den Gitarrero.

Richtig. Aber man muss hier auch nach Gitarristen unterscheiden beziehungsweise der Musik, die sie spielen. Ob das nun ein Metal-Freak ist, der richtig dreckige, böse Sounds haben will oder ob da einer Blues oder Jazz macht …

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Kimber Flechttechnik

Firmenbericht: Michael Kaim von BTB Elektronik

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