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Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Showtime in Warschau!

Kaum jemand wird wohl bezweifeln, dass sich die Münchener High End über die Jahre zu einer Schlüsselmesse der globalen Hifi-Welt entwickelt hat, wenngleich vermehrt Stimmen laut werden, dass eine Wandlung zu einer Business-to-Business-Veranstaltung zu beobachten sei. Fairerweise muss man zugeben, dass es gleichwohl auch für die „Consumer“ immer noch viel Interessantes zu sehen und zu hören gibt im Münchener MOC. Stefan Dreischärf, neuer Geschäftsführer des Messeausrichters High-End-Society, bekundete auf der diesjährigen Pressekonferenz im MOC jedenfalls den festen Willen, die Messe für alle Besucher noch attraktiver gestalten zu wollen – für Konsumenten und Profis gleichermaßen.

Neben der sehr international ausgerichteten Veranstaltung in der bayerischen Hauptstadt mit gut 20000 Besuchern, gibt es natürlich auch noch die beliebten lokalen Messen, beispielsweise in Bonn oder Hamburg, aber auch andere Regionen, wie kürzlich mit den zweiten Mitteldeutschen Hifi-Tagen in Leipzig geschehen, dürfen inzwischen als erschlossen angesehen werden. Hier erleben an den Messewochenenden oft ein paar tausend Hifi-Fans interessante und meist auch wirklich gut klingende Vorführungen.

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Das Hotel Golden Tulip – einer der drei Veranstaltungsorte der Warschauer Audio Video Show

Soweit so gut, doch seit einiger Zeit macht die Nachricht die Runde, es gebe in Osteuropa eine aufstrebende Hifi-Show, die sich, zumindest was die Besucherzahlen angeht, sogar rapide der Münchener High End annähere. Die Rede ist von der „Audio Video Show“ in Warschau – und da auch wir viel Positives von der Hifi-Messe unseres Nachbarlandes vernommen haben, gibt’s gute Gründe, sich selbst vor Ort einen Eindruck zu verschaffen.

Mit fast 38 Millionen Einwohnern ist Polen ein durchaus ernst zu nehmender Markt, auch für internationale Hersteller. Da wundert es nicht, dass viele der großen Namen auf der Audio Video Show 2017 vertreten sind. Die Messe ist im Übrigen keine Erfindung der jüngeren Zeit, sondern wird schon seit gut 20 Jahren veranstaltet. Dieses Jahr empfängt die polnische Hauptstadt die Audio Video Show zum einundzwanzigsten Mal, somit muss man sich um die Nachhaltigkeit dieser Veranstaltung keine Sorgen machen.

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Der Messekatalog listet nicht weniger als 170 Aussteller in 240 Räumen auf, die etwa 500 Marken präsentieren. Neben den örtlichen Vertrieben, die sich um internationale Marken kümmern, gibt es natürlich auch kleinere Hersteller, die bislang nur auf dem polnischen oder osteuropäischen Markt vertreten sind. Einige davon besitzen durchaus das Potential, sich auch international durchzusetzen.

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Das Radisson Blu Sobieski

Zunächst aber gilt es, den organisatorischen Rahmen abzustecken, was gar nicht so einfach ist, denn die Audio Video Show findet nicht nur in zwei benachbarten Hotels statt, dem Radisson Blu Sobieski und dem Golden Tulip, sondern auch im einige Kilometer entfernten PGE Narodowy, dem für die Fußballeuropameisterschaft 2012 erbauten Nationalstadion auf der anderen Seite der Weichsel. Die Veranstalter sorgen mit einem regelmäßig pendelnden Shuttlebus für eine gute Verbindung zwischen den Veranstaltungsorten und auch mit dem öffentlichen Nahverkehr lässt sich die Strecke schnell und günstig bewältigen.

Durch diese Konstellation ergibt es sich, dass im Radisson und Golden Tulip naturgemäß die Atmosphäre einer klassischen Hotelmesse vorherrscht, während die im Nationalstadion genutzten, meist recht großzügigen Logen, die den Blick auf das Innere des Stadions erlauben, doch ein wenig MOC-Flair versprühen.

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Atmosphärisch: Das PGE Narodowy am späten Abend nach Messeschluss

Hier beginnt am Freitag für mich der erste Messetag, der im Vergleich zu den sehr gut besuchten Wochenendtagen noch ausreichend Bewegungsraum sowohl in den eleganten Fluren als auch in den Logen selbst übrig lässt. Daher gelingt es meist rasch einen optimalen Hörplatz zu finden, was wirklich lohnt, denn die Aussteller haben sich in aller Regel reichlich Mühe gegeben, die durchweg sehr hochwertigen Anlagen ins rechte akustische Licht zu rücken.

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Wilson Alexx-Lautsprecher an Elektronik von D’Agostino

Wer will, kann gleich vier Lautsprecher von Wilson Audio miteinander vergleichen. Der polnische Wilson-Vertrieb Audiofast hat nicht nur ein Paar Sasha W/P und die stattliche Alexx mitgebracht hat, sondern auch gleich noch die neue Alexia Series 2. Daneben führt Mytek den New Manhattan DAC II an den Wilson Audio Sabrina vor. Hier obliegt die Verstärkung den um 2000 Euro teuren und mit 2 x 250 Watt an 8 Ohm wohl ausreichend kräftigen Mytek Brooklyn Class-D-Endstufen. Audiofast dagegen befeuert die Wilson ziemlich standesgemäß mit wertvoller Elektronik von D’Agostino aus den USA und dem hierzulande noch wenig bekannten dänischen Hersteller Danish Audio Design. Am Ende sind es die Sasha W/P, die im Zusammenspiel mit D’Agostinos Progression-Vor/End-Kombi am überzeugendsten agieren. Hier stimmen nicht nur Tonalität und die Proportionen des Klangbildes, auch in Sachen Homogenität spielen die Sashas auf höchstem Niveau.

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Überzeugend: Wilson Sasha W/P

Mangelndes Selbstbewusstsein kann man dem slowenischen Lautsprecherhersteller Soulsonic und seinem Mastermind Miro Krajnc wohl kaum zum Vorwurf machen. Soulsonics übermannshohe Dipole Hologramm-X sind wirklich nicht zu übersehen, was auch klanglich eine echte Unterlassungssünde wäre.

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Soulsonic aus Slowenien an Elektronik von MSB

Ein 12-Zoll-Mitteltöner(!), gleich vier 15-Zoll-Basstreiber(!!) und ein 220 Zentimeter langer Bändchenhochtöner(!!!) ergeben nahezu einen halben Quadratmeter abstrahlender Fläche pro Seite. Zusammen mit ganz feiner Elektronik von MSB (u.a. dem über 90000 Euro teuren MSB Select DAC) ergibt sich ein den Raum vollkommen mit Musik flutender Klang. Klasse ist, dass trotz der Riesenflächen auch kleinere Schallereignisse, wie Solovioline oder eine Gitarre nicht maßlos aufgeblasen, sondern in realistischer Größe reproduziert werden. Doch so richtig ab geht es, wenn große Symphonik auf dem Programm steht. Dass wäre mein Lautsprecher für Mahler, Bruckner und Wagner.  Man munkelt allerdings von Preisen ab 150000 Euro. Also besser weiterziehen, wenn nicht das Eigenheim veräußert werden soll. Ein Trost: Miro Krajnc ist auch maßgeblich an der Entwicklung von Ubiq Audios Model One beteiligt gewesen. Die kosten nur 15000 Euro und können auch eine ganze Menge, doch davon lesen Sie an anderer Stelle mehr.

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Frisch aus deutschen Landen: Lansche Audio

Dann tauchen bekannte Gesichter auf. Rüdiger Lansche von Lansche Audio und Björn Krayvanger von LEN-Hifi (www.lenhifi.de/) haben den Weg nach Warschau ebenfalls nicht gescheut. Lansches 5.2 aus der P-Serie spielen hier an 6C33-bewehrten Röhrenverstärkern von Burdjak & Sikora  wunderbar transparent und beweglich. Selbst im Bass sind keine wesentlichen Abstriche zu bemerken, wobei sich der von dem bekannten Corona Plasmahochtöner verantwortete obere Frequenzbereich besonders fein zeichnend und delikat gibt. Björn Kraayvanger vertreibt die Masselaufwerke Janusz Sikoras in Deutschland und sichert sich hier gerade ein echtes Traumlaufwerk für sein Portfolio. Zumindest werden es die Liebhaber echter Masselaufwerke so sehen, denn das Model Standard (ca.13000 Euro), das mittlere(!) Laufwerk Sikoras, wiegt bereits stolze 80 kg und ist ein echter Hingucker. Wenn alles gut geht, wird LEN-Hifi das Laufwerk zu den Norddeutschen Hifi-Tagen im Februar 2018 mitbringen.

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Laufwerk Sikora Standard

Sonus Faber stellt die Aida 2 vor. Logischerweise zusammen mit den zum gemeinsamen Konzern, der McIntosh Group (https://audio-reference.de) gehörenden Audio Research-Verstärkern.

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Sonus faber und Audio Research

Der Preamp Reference 6, die Reference 250-Monos und der Reference-CD-Spieler kommen zum Einsatz und wie erwartet klingt es sehr weiträumig und klangfarblich stark, aber es ist vor allem ein ungemein mächtiger, souveräner Tiefgang, der die Ausnahmestellung der Aida selbst unter Top-Referenzen unterstreicht. Doch all das konnte ja auch schon die erste Aida ziemlich gut. Unterschiede zum neuen Modell wollen sich mir da nicht so recht erschließen, dennoch ist die sehr gelungene Vorführung hier allemal Grund genug etwas länger zu verweilen.

„Da steht ein Pferd auf dem Flur“ hört man ja zur Karnevalszeit recht häufig im Rheinland, im PGE Narodowy steht eine Endstufe auf dem Flur. Allerdings eine der wirklich extrem spektakulären Sorte, weshalb sich nicht wenige Besucher mit ihr ablichten lassen.

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Pferd auf dem Flur – für anderthalb Millionen Euro

Andrea Pivetti, Entwickler dieses durchaus an einen sendebereiten Weltraumsatelliten erinnernden Verstärkermonuments, hat meines Wissens vor einigen Jahren bereits auf der Münchener High End einen ähnlich gearteten Amp vorgestellt, die Opera One. Nun also die Opera Only. 1500 kg schwer und bis zu 2 x 60000 Watt leistungsstark, dürfte dieses Kraftwerk die meisten Konkurrenten datentechnisch ziemlich alt aussehen lassen. Was vermutlich auch für den Kaufpreis von 1,6 Millionen Euro gilt. Wie es sich klanglich verhält, kann natürlich nur vermutet werden. Eine Vorführung ist nicht vorgesehen, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass die passenden Lautsprecher erst noch konstruiert werden müssen. Übrigens ist die Opera Only laut Katalog „completly made in Italy“. Glaube ich gerne.

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Wiedersehen mit Freude: Tenor Audio und Marten Design

Dann gibt es ein Wiedersehen mit der von mir sehr geschätzten Elektronik von Tenor Audio aus Kanada. Neben Vorverstärker Line 1 und der Phono Stage spielt hier die Stereoendstufe 175S HP, ein Hybriddesign mit 2x 250 Watt an 8 Ohm. Als „Zweitbesetzung“ stehen die „großen Jungs“ von Soulution aus der Schweiz bereit. Obwohl der polnische Distributor Soundclub offenbar so richtig aus dem Vollen schöpfen kann, haben sie der Versuchung widerstanden, diesen Traumverstärkern eine Marten Supreme 2 für 390000 Euro beiseite zu stellen. So steht hier jetzt ein Paar Marten Mingus Quintet (um 50000 Euro), was man dem Vertrieb ja fast schon wieder als Understatement auslegen könnte. Allerdings verfügt auch die Mingus Quintet über den Diamanthochtöner und den Accuton-Mitteltöner aus der Marten Supreme 2.

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Yamaha

Bei Yamaha gibt’s die neue NS-5000 zu sehen. Vorgeführt werden die hochglanzschwarzen Speaker an einer kleinen, aber feinen Yamaha-Kette. Die besteht aus dem CD-Spieler CD-S 3000 und dem Verstärker A-S 3000, beide umgerechnet etwa 5000 Euro teuer. Für die Lautsprecher ruft Yamaha inklusive Ständer 33749 Zloty, also etwa 8400 Euro auf. Alle Komponenten sind im angesagten Retro-Style gestaltet und erinnern mich daher unglaublich an meine Jugendzeit. Ein wenig schade, dass dies auch für den Klang zu gelten scheint. Der ist eher schlank und etwas zu präsenzbetont. Ein wenig kräftigere Klangfarben täten der Performance ebenfalls ganz gut. Da macht es auch nicht mehr viel aus, dass die Abbildungstiefe der Kette unter den Messebedingungen allenfalls gehobenes Einsteigerniveau erreicht.

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Lautsprecher von Magico und Verstärker von Constellation Audio

Doch der Aussteller Top Hifi & Video Design hat auch noch anderes im Köcher, sprich im Vertrieb. Da wären die Lautsprecher von Magico und Verstärker von Constellation Audio aus dem sonnigen Südkalifornien. An den Magico S3 Mk2 ließ die Stereoendstufe Taurus zusammen mit dem Vorverstärker Pictor dann auch sprichwörtlich die Sonne aufgehen. Am Ende dieser tonal neutral gehaltenen, bestens definiert aufspielenden Kette demonstrierten die Magicos wie es klingt, wenn Lautsprechern so gut wie kein Boxenklang mehr anhaftet. Während sich der Klang vollkommen von den Schallwandlern löst, materialisieren sich die Sänger und Instrumentalisten ungemein holographisch im Raum dazwischen. Klangfarblich wirkt es wie frisch geputzt, ohne freilich je zu dick aufzutragen. Echtes Top-High-End eben, natürlich zum entsprechenden Preis. Der liegt auch ohne Pass-Phonoamp, Audioquest-Kabel und Clearaudio-Dreher Master Innovation bei gut und gerne 80000 Euro.

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Leider kann ich nicht über alle spannenden Anlagenkonfigurationen im PGE Narodowy berichten und die recht großzügige Freifläche mit den zahlreich eingerichteten „Hörbars“ für Kopfhörerfreunde durchmesse ich, der selbst keinen Kopfhörer besitzt mit angemessenem Schritt. Auch die sicher nicht in übertriebener Quantität vorhandenen Fernseh- und Videoinstallationen (ja, es ist eine Audio- und Video-Show) muss ich ein wenig vernachlässigen, gleiches betrifft den Bereich Smart Home, der mit immerhin zehn Ausstellern vertreten ist. Doch zwei Überraschungen hält das Nationalstadion noch für mich bereit.

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Beolab 50 von Bang & Olufsen

Überraschung Nummer eins: Die Vorführung des neuen, erst kurz vor der IFA vorgestellten Beolab 50 von Bang & Olufsen. Dieser elegant designte und mit reichlich Einmesstechnik versehene Aktivlautsprecher verfügt über sieben Treiber und ebenso viele je 300 Watt starke ICE-Power-Module. Das wäre auf einer Hifi-Show nicht unbedingt etwas, das einen abgeklärten High-Ender vom Hocker reißen würde. Sicher nicht, doch die lifestylige Beolab 50 bringt Adeles „Someone like you“ so herzergreifend und klangstark zu Gehör, wie ich es bis dato noch von keiner anderen Kette gehört habe. Bislang habe ich die mangelnde Hifinesse der Adele-Hits immer einer auf Massentauglichkeit ausgerichteten Aufnahmetechnik zugeschrieben. Keine Ahnung, wie die Dänen das hin kriegen.

Überraschung Nummer zwei: Ist eigentlich keine, denn der Lautsprecherhersteller Blumenhofer (www.blumenhofer-acoustics.com/) aus Walkertshofen hat schon auf einigen Messen für hervorragenden Klang gesorgt, so dass ich bei meinem Besuch am Freitag auch nicht über den ohne Frage ansprechenden Klang verwundert bin, den Blumenhofers Sales Director Andrea Vitali und sein Team mittels Scheu-Laufwerk, Ypsilon-Audios Preamp PST-100 Mk.II und einem Paar Cary-Audio CAD 211 FE Monos mit 845 Leistungsröhren aus den Gran Gioia Mk 2 herauskitzeln.

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Groß aufgefahren: Blumenhofer

Nur Andrea Vitali war noch nicht vollkommen zufrieden, aber das kennt man ja von eingefleischten Audiophilen. Am Sonntag kurz vor Messeschluss schau ich noch einmal vorbei: „Harry Belafonte sings the Blues“ kommt auf den Teller des Scheu. Und wie er den Blues singt. Eindringlich, bewegend und sehr realistisch. So habe ich Belafonte höchstens im Livekonzert erlebt. Umwerfend. Dann „Knock Out“, die Mutter aller Drum-Spektakel. Auch hier überzeugen die Gran Gioia, lassen Trommelfelle beben und Becken explodieren. Und sie liefern Tieftonenergie ab, als ob sie nicht von siebzig Röhrenwatt, sondern von einem 500-Watt-Solid-State-Monster angetrieben würden. Sicher eine der besten Vorführungen.

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Blumenhofer Gran Gioia Mk 2

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Messebericht: Audio Video Show Warschau 2017

  1. 1 Showtime in Warschau!