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Klang Audreal V30 (Teil I)

Inhaltsverzeichnis

  1. 2 Klang Audreal V30 (Teil I)

Wenn ich die Röhren-Amps, die in den letzten Jahren als Testkandidaten bei mir zu Gast waren, akustisch Revue passieren lasse – als da wären der Audiomat Aria, der Audiomat Arpège und der Opera Audio Consonance M100 plus – dann einte diese doch eine gewisse röhrentypische Handschrift: Eher dezent nach oben hin auslaufende Höhen, ein detailliert-farbenprächtiges Mittenband, eine eher ruhige als hektische Gangart im Bassbereich sowie eine tendenziell ins Großzügige lappende Raumdarstellung. Noch bevor ich den V30 anknipse habe ich ein Bauchgefühl, dass dieser ein bisschen aus diesem Raster ausscheren wird. Warum? Ich weiß es nicht. Bauchgefühl halt.

Audreal V30

Nach dem Einschalten bemerkt der Rezensent zufrieden, dass eine Schutzschaltung den Verstärker erst nach circa zehn Sekunden zart klickend freigibt – sehr löblich. Neugierig wird der Volume-Regler ohne anliegendes Quellmaterial hochgezogen: bis obenhin totenstill, die Kiste. Kein Brummen, Rauschen, Fritzeln. Das fängt gut an. Und nun: Musique nonstop!

Donald Fagen/sunken CondosSunken Condos, das neue Album von Donald Fagen, rotiert im CD-Spieler. Der Opener „Slinky Thing“ lässt den Hörer spontan grinsen: Der Fagen, dieser Schlingel, ja dieser Filou! Macht seit Jahrzehnten das Gleiche und trotzdem wird es (ihm) einfach nicht langweilig! Die altbekannte Hi-Hat mit stoisch durchlaufenden Achteln. Ein pumpender, dynamisch gespielter, akustischer Bass. Zur linken groovt ein Hohner-Clavinet, kontrastiert von Vibraphon-Figuren und Gitarreneinsprengseln, die funky wären, wenn Fagen sie nicht produktionstechnisch glatt geflext hätte. Die Snare wiederum klingt, als ob jemand das Auftreffen einer Linealkante auf einem Holztisch durch ein von Phil Collins im Studio vergessenes Noise-Gate geschickt hätte. Und natürlich Fagens Stimme, die von Jahr zu Jahr etwas bröckeliger wird. Begnadet-krank!

Audreal V30 von hinten

Erster Eindruck: Der V-30 kann Bass. Er kann Bass richtig gut. Er spielt schnell, er spielt tief runter, trocken und präzise. Klingt so gar nicht nach den landläufigen Röhrenklischees. Die stets in Bewegung befindlichen Bassfiguren, die auch ganz bewusst im Mix etwas nach vorne gezogen wurden, setzen sich zu jeder Zeit gut durch und bilden mit Rhythmusgitarre und Clavinet einen eng verzahnten, gut shuffelnden Rhythmusteppich. Nächster Eindruck: ein überraschend kompakter Bühnenaufbau. Kein Cinemascope, keine Opulenz, sondern realistisch erscheinende Abmaße der Bühne mit einer guten horizontalen Staffelung. Soll ich das Ding mal aufschrauben? Sind die Röhren vielleicht nur Zierde und drinnen verrichten klandestin Halbleiter schwitzend ihren Dienst? Spaß beiseite – aber der erste Eindruck ist nicht der einer „typischen Röhre“. Und das ist keine Kritik!

Hochpegeleingänge des Audreal V30

Von der rhythmischen Abteilung ins Gemächliche: Band of Horses und ihr Stück „Detlef Schrempf“. Langsam, getragen, perlende cleane Gitarren, mit Besen gespieltes Schlagzeug, Hammondorgel-Klangflächen und die sehnsuchtsvolle Stimme von Ben Bridwell. Ein hervorragend produziertes Album, das weite Klangflächen aufmacht und den Raum richtiggehend mit Musik flutet. Hier klingt der V30 schon deutlich röhriger. Was meine ich damit? Das Band of Horsesvielzitierte farbenprächtige Mittenband in Verbindung mit seidigen Höhen. Gitarren und Gesang sind fein aufgelöst, werden sehr nuanciert wiedergegeben. Sie setzen sich sehr gut von den Orgeltönen ab und umspülen den Hörer mit Wärme. Bridwell singt abwechselnd in Brust- und in Kopfstimme. Diese Kontraste arbeitet der V30 sehr gut heraus. Im Bassbereich ist positiv festzustellen: Die aufgrund der starken Kompression beinahe „stehenden“ Basstöne des Stücks werden nicht, wie man das bei Röhren schon mal hat, nur angedeutet und „abgehakt“ im Sinne eines „So, das war dann der Bass“, sondern sie sind durch das ganze Stück hindurch fundamentaler und dauerhafter Bestandteil des Klangkörpers. Der Höhenbereich, die Snare, aber auch die Becken, werden klar wiedergegeben, sind jedoch stets auf der seidigen und nicht auf der spitzen, hervorstechenden Seite.

Röhrenbestückung des Audreal V30

Jetzt darf es etwas lauter werden. „Do it again“ von Nada Surf. Ein klassisches Rocktrio, auch wenn hier irgendwer im Studio noch eine zweite Gitarrenspur hinzugemogelt hat. Auch dieses Stück lebt vom Wechselspiel zwischen Gitarren und Bass. Während der Bass hier klar die Funktion hat, durch seine Nada SurfPhrasierungen Akzente – und nicht zwingend das tonale Fundament – zu setzen, sind die Gitarren für die Breitseiten und das Wegföhnen zuständig. Die während der Strophen links und rechts im Mix platzierten, nur leicht angezerrten Gitarrensounds sind tonal leicht unterschiedlich, was der Audreal-Verstärker sehr gut herausarbeitet. Der eher drahtig-knurrige als massiv abgemischte Bass kann seine Rhythmusfiguren präzise dagegen setzen. Auch als es in den Refrains munter in die verzerrten Gitarren geht, behält der V30 stets die Übersicht und pustet besagte Breitseiten in den Raum. Das funktioniert auch bei hohen Lautstärken ganz prima, weiter als über die 13-Uhr-Stellung hinaus bin ich nicht gekommen. Die Reserven des V30 sind für einen Röhrenverstärker dieser Preisklasse sehr beachtlich.

Linker Ausgangsübertrager des Audreal V30

Nach diesen drei recht unterschiedlichen Stücken lässt sich der Klangcharakter des Audreal V30 schon recht gut herausarbeiten. Beginnen wir mit dem Tonalen: Hier treffen wir zunächst auf einen für Röhrenverstärker – insbesondere in dieser Preisliga – profunden, „amtlichen“, wirklich tief hinabreichenden und standfesten Bass, der angemessen rhythmisch daherkommt. Der V30 kann sich in Sachen Tiefgang und Nachdruck problemlos mit Transistorverstärkern, auch höherpreisigen, messen. Das Mittenband ist, wie bereits erwähnt, detailreich und Wipers/Werk Land of the Lostfarbenprächtig, der Obertonbereich gut auflösend, aber nicht erbsenzählerisch, mit einer recht röhrentypischen Samtigkeit ganz nach oben hin. Besonders gut gefällt mir der V30 in Verbindung mit gitarrenlastiger Musik. Ich wühlte mich zum Beispiel durch einen Stapel alter Wipers-LPs, allen voran das späte Werk Land of the Lost. Wie der V30 beispielsweise bei dem Lied „Different Ways“ die zahlreichen Fuzzgitarrenspuren auseinanderhält beziehungsweise so aufeinander schichtet, dass sie gut rocken, man sie trotzdem aber auch noch voneinander unterscheiden kann, das gefällt.

In der oberen Etage des Hochtonbereichs hält sich der V30 hingegen schon ein wenig zurück. Wer beim Musikkonsum darauf steht, beim Schlagzeug sämtliche vorhandenen Becken synästhetisch verschiedenen gefühlten Bronzetönen zuzuordnen, der mag hier nicht ganz auf seine Kosten kommen.

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Test: Audreal V30 | Vollverstärker

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