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Accustic Arts Power I: Endlich ab in den Hörraum

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Kennen Sie das? Sie verkabeln eine neue Komponente, legen eine CD ein – und haben sofort ein Grinsen im Gesicht und ein „Jau!“ in der Seele? Genau so war das bei mir und dem Power I. Es gibt ja Verstärker, die einen mit gerunzelter Stirn dasitzen und „ah ja, interessant“ murmeln lassen. Meist sind dies Verstärker, die das „gewisse Nichts“ haben, das man sich dann als „studiomäßig superneutral“ schönredet. Ganz das Gegenteil der Power I. Er sagt von Anfang an wo’s langgeht. Und letztlich waren die drei Eindrücke, die ich als allererste beim Hören in mein Notizbüchlein kritzelte, geradezu maßgeblich für diesen Verstärker: Livecharakter durch Dynamik ohne Ende, Basskontrolle und höchst transparenter Hochtonbereich.

Nehmen wir Richard „Groove“ Holmes, den unberechtigterweise stets im Schatten von Jimmy Smith agierenden Hammondorganisten. Sein Live-Album Groove’s Groove zeigt ihn in absoluter Höchstform – und noch dazu darf es als audiophile Perle bezeichnet werden, denn hier ist es den Produzenten gelungen, die mitreißende Live-Atmosphäre eines Clubgigs einzufangen, und diese durch sanfte Eingriffe bei der Post Production in überragender Klangqualität in den Hörraum zu transportieren. Hören wir den Song „Blues All Day Long“. Was fällt über den Power I auf?

Zum einen ein gleichsam schneller und tiefer, kontrollierter Bass: Jeder einzelne Ton der gezupften Walking-Bass-Läufe wirdRichard „Groove“ Holmes mit der vibrierenden Energie eines Flummis in den Raum gesetzt. Zum anderen klingen die Schlagzeugbecken zum Niederknien authentisch! Während der Drummer recht groovend und antizyklisch in der Snare herumrührt, schlägt er zugleich sehr entspannte geradlinige Achtel auf einem halblinks im Stereopanorama sitzenden Ride-Becken. Und dieses Becken klingt hell, seidig, nah, jeder Beckenschlag ist eine kleine Freude, nämlich brillant und bis ins kleinste Detail aufgelöst. Etwas poetischer: Es leuchtet, und zwar hell, aber es blendet nicht.

Nachdem eingangs das Thema, die „tune“, vorgestellt worden ist, beginnt das Stück mit einem Solo des Saxofonisten Houston Preston, das von Richard „Groove“ Holmes durch klug eingeworfene Hammond-Akkordfetzen rhythmisch sekundiert wird. „Affengeil“ und ähnliche unkritische wie volksnahe Begriffe sausten durch mein Gehirn, als ich dies hörte. Der Accustic Arts Power I bringt Live-Feeling pur. Und das gelingt ihm mit zweierlei Dingen:

Einerseits verfügt er über eine ausgesprochen lebendige stereofone Bühnenabbildung. Der Saxplayer scheint geradezu dreidimensional in den Raum projiziert zu werden (links außen neben den Drums) und bekommt im Umfeld genügend „Luft“ zugeteilt, um sich entfalten zu können. Von halbrechts perlen die Hammondorgeleinwürfe von Richard Groove Holmes, auch er scheint auf einer kleinen, klar definierten Einmann-Insel im Soundmeer zu stehen und sich dort prächtig wohl zu fühlen. Der Accustic Arts Power I zeichnet eine Bühne, die durchaus über die Lautsprecherstandpunkte hinausgeht, ohne dabei jedoch in ein unrealistisches Breitwandpanorama abzudriften. Trotzdem gelingt es, den Schallquellen Raum zu lassen und sie nicht wie in einer Sardinenbüchse zu platzieren.

Das zweite zum Live-Feeling beitragende Talent des Power I ist für mein Empfinden, dass er sowohl Grob- als auch Feindynamik meisterhaft beherrscht. Das Orgelsolo in der Mitte von „Blues All Day Long“ zeigt dies deutlich. Holmes registriert während des Solos immer mal die Orgel um; eingangs klingt sie noch leicht gedämpft, klassische Gospelregistrierung, ohne zugeschaltetes Vibrato und mit nur langsam laufendem Leslie. Nach und nach zieht Holmes mehr und mehr Register (beziehungsweise Zugriegel), gibt dem Leslie die Sporen und tritt den Gasfuß bis zum Boden durch. Hier zeigt der Power I sowohl das feine „Anwachsen“ des Hammond-Sounds, er kann aber auch aus dem Stand heraus fette, überraschende Orgel-Attacken in den Raum schleudern.

Überhaupt stellt das harmonische und gleichzeitige Miteinander von Fein- und Grobmotorik eines der Markenzeichen des Power I für mich dar. Das lässt sich sehr schön bei dem Song „The Answer“ von Bad Religion (Album: Generator) nachvollziehen. Im Grunde genommen war mir dieses Album nun nicht gerade als tontechnischer Leckerbissen in Erinnerung, aber als der dicke, schwarze Amp da so verführerisch im Rack stand, wollte ich ihn auch mal mit deftiger Kost füttern. Und ich war sehr überrascht, was der Power I aus diesem etwas schmalbandig abgemischten Stück machte. Der in meiner Erinnerung eher zischelig-hochtonlastige und mit nur wenig stereofoner Rauminformation versehene Track bekam richtig Druck und Punch – und auch räumliche Ausdehnung. Doch noch viel frappierender fand ich Folgendes:

Der Schlagzeuger spielt durchgehend eine recht stark nach vorn gemischte halboffene Hi-Hat, in deren Frequenzbereich sich zusätzlich noch der hochfrequente Zerr-Anteil der E-Gitarre herumdrängelt. Und obwohl die Bassdrum für meinen Geschmack in diesem Stück schlicht und einfach zu leise gemischt wurde, geht sie in dem ganzen Gewese nicht unter, sondern setzt klare Akzente – inklusive, und das ist das Besondere, einer Rauminformation. Rauminformation meint hier nicht die exakte Position der Bass-Drum in der Stereo-Bühne, sondern eine realistische Information über die Abmessungen des Raumes, in dem das Schlagzeug mikrofoniert wurde. Klingt wie ein zirka 15 Quadratmeter großer, sehr stark bedämpfter, „holziger“ Raum. Nun gut, das ist jetzt schon ein sehr spezielles Beispiel hart am Rande der Erbsenzählerei.

Was ich eigentlich sagen möchte ist: Der Power I kann auch in tonal sehr unübersichtlicher Kost noch Spreu vom Weizen trennen. Das erinnert mich an den TV-Entertainer Harald Schmidt: Der kann zu gleichen Teilen einen prolligen Brachialhumor bedienen, aber auch den Bildungsbürger mit feiner Ironie erfreuen. So macht das der Power I auch. Er rockt bei entsprechender Musik gnadenlos nach vorne, verwöhnt den kundigen Hörer aber auch mit überraschend feingezeichneten Details.

Gut lässt sich das auch bei dem Song „Bug Eyes“ von Dredg (Album: „Catch without arms“) hören. Eigentlich ist dieser Song vom ersten bis zum letzten Takt eine veritable Haudrauf-Nummer. Im Intro haut der Drummer, begleitet von einer sich warmjaulenden Gitarre vier Takte lang Crescendo-Achtel auf Ridebecken und Snare – und dann geht’s ab:

Fuzzgitarrenbreitwand, halboffene Hi-Hat und herrlichstes Geknüppel. Doch anstatt daraus eine Rock-am-Ring-Veranstaltung zu machen, verschweigt der Power I nicht, dass zwischen Intro und erster Strophe immer weiter der Hallanteil am Schlagzeug zurückgeschraubt wird, sodass die ersten Takte noch sphärisch klingen, während es in der ersten Strophe dann furztrocken wird – vom akustischen her, versteht sich.

Es soll hier übrigens nicht der Eindruck entstehen, der Power I sei nur was für Freunde der elektrischen Haudraufmusik. Die oben erwähnten Meriten dieses Verstärkers können auch bei Musik ganz anderer Couleur zum Tragen kommen. Nehmen wir Leonard Cohens „I tried to leave you“ vom Album New Skin For Old Ceremony. Zu Beginn hören wir nur den alten Mann und die Gitarre. Faszinierend, wie der Power I eben nicht nur zwei Schallquellen – Gesang und Gitarre – einfängt, sondern die gesamte Raumatmosphäre. Nebengeräusche wie Einatmen oder das sanft im Hintergrund zu hörende rhythmische Fußstapfen von Cohen wurden im Studio eben nicht per Noisegate rausgefiltert, sondern gnadenlos mit aufgezeichnet.

Und so hat man eben das Gefühl, dass Cohen da wirklich vor einem sitzt, mit seiner brüchig-larmoyanten Stimme, der Gitarre mit den alles andere als frisch aufgezogenen Saiten und das Ganze an einem vermutlich verregneten Tag irgendwo in einem kleinen Studio. Später kommen dann im Song noch auf kammermusikalische Art und Weise eingesetzte Drums, ein akustischer Bass und gestopfte Blasinstrumente hinzu. Ähnlich wie beim eingangs genannten Jazzstück haben auch hier wieder die Akteure Raum um sich herum. Sie stehen einander nicht im Weg, sondern spielen „livehaftig“.

Das Lautstärkepoti von Alps

Soweit die ganz bewusst noch nicht nach Kategorien geordneten Eindrücke. Sie sollen Aufschluss darüber geben, was für mich die Essenz dieses Verstärkers ausmacht. Nichtsdestotrotz möchte ich das Pferd nun auch noch einmal von der anderen Seite aufzäumen und versuchen, den Amp nach nachvollziehbaren Kriterien zu beleuchten …

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Elac Vela

Test: Accustic Arts Power 1 MK3 | Vollverstärker

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