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Test: Sonics Argenta | Kompaktlautsprecher

Juni 2007 / Ralph Werner

Gut, ich gebe es ja zu. Bisweilen steh‘ ich schon auf coole Sprüche. Einen habe ich neulich gelesen, der kommt jetzt immer dann zur Anwendung, wenn sich jemand über mein sieben Jahre altes Handy lustig macht: „Ich zähle mich eben zu den Neo-Reduktionisten.“ Cool. Auch in anderen Situationen kann er angewendet werden. Zum Beispiel morgens in der U-Bahn, wenn ein BILD-lesender Zeitgenosse neben mir die erste Flasche Bier öffnet. Da kann man doch einfach mal interessiert und höflich nachfragen, ob er sich eigentlich zu den Neo-Reduktionisten zählt. Nice. Leider nicht von mir.

Doch zurück zur Sonics Argenta: Da schraube ich die Kabelschuhe an das Boxen-Terminal und muss feststellen, dass es sich a) recht schwer schrauben lässt und b) dreht sich da doch echt etwas mit, was eigentlich feststehen sollte. Na gut, man muss schon ein wenig fester ziehen, um das zu merken – aber so was sollte nicht sein, finde ich. Und wo ich gerade beim Finden bin: Herausragende Imbus-Schräubchen an den Chassis sind auch eher „industrial“. Zudem hätte man durchaus den Tweeter richtig bündig einbauen können. So sieht man die Spanplatte herausblitzen. Nicht schlimm, vielleicht einen Millimeter, aber na ja, jedenfalls hatte ich wieder mein aktuelles Lieblingssprüchlein auf den Lippen: „Da zählt sich einer wohl zu den Neo-Reduktionisten!“

Um das Geheimnis zu lüften: Der Spruch kommt vom Entwickler der Kompakt-Box Sonics Argenta: Joachim Gerhard, einem der anerkanntesten Lautsprecher-Entwickler in Deutschland. (Geäußert in einem Interview, das sein Lautsprecher-Design zum Thema hatte.) Ja, ich wähle bewusst den Begriff „Box“ – nicht Lautsprecher, Wandler oder Speaker. Ich kann mich noch nicht ganz entscheiden, ob ich die Argenta als das ironisch-gebrochene, den DIY-Charme zitierende Gegenmanifest zum Schlank-Und-Nach-Hinten-Gekippt-Sein-Einheitsbrei üblicher Lautsprecher-Designs begreifen muss – oder sie schlicht und ergreifend hässlich finden soll. Fest steht jedenfalls, Mainstream sieht anders aus! Aber ist das jetzt schon wieder cool, oder Rebellion gegen die eigene Vergangenheit (Schlank & nach hinten = Audio Physik)? Oder schlicht ein Renditeböxchen, denn bestimmt findet sich einer, der so was als ironisch-gebrochenes Gegenmanifest abfeiert, und wenn der Hype dann läuft und die Kosten eher gering sind?

Zugegebenermaßen war ich leicht missmutig, als ich die kleinste Sonics das erste Mal anschloss. Habe schon ein paar gehypte Sachen gehört, an denen nicht viel dran war; und dann wackelt die Schraube auch noch, Neo-Redutionismus-Philosophiererei, also echt …

Aber: Kaum drei Takte läuft das hässliche Entchen und es ist klar, die räumliche Abbildung ist sensationell! Und das nicht nur für diesen Preis, sondern überhaupt! Das ist nicht normal, das ist richtig, richtig gut und wenn ich vorab schon sagen soll, was unterm Strich bleibt, oder mich jemand in zehn Jahren fragt: „Weißt du noch, die Argenta?“, dann sage ich: „Ach ja, das Ding, hätte die sich doch auch optisch so völlig aufgelöst, wie sie es akustisch tat!“ Keine Bange, ich reihe mich nicht in den Chor derer ein, die diesen Lautsprecher abfeiern. Aber sagt irgendjemand: „Ich brauche dieses Air, diese freie Abbildung, die Losgelöstheit der Musik. Wenn ich das bekomme, kann ich andere Sachen gut tolerieren. Außerdem will ich nicht gleich eine Hypothek aufnehmen!“ – Ja, dann hätte ich schon einen Hinweis parat .

Technik & Finish

Die Sonics Argenta ist ein 2-Wege-Bassreflex Monitor. Das klingt erstmal so, wie sie aussieht: 08/15. Es gibt aber ein paar Details, die sie besonders machen. Auffällig ist der versetzte Hochtöner: Normalerweise sind die Chassis ja vertikal in einer Linie angeordnet. Hinsichtlich der Forderung „gleiche Laufwege des Signals“ – gerade auch im Übergangsbereich – ergibt dies Sinn und wird von vielen anderen Herstellern ja auch so gehandhabt. Die asymmetrische Anordnung hat bei der Argenta einen Versatz von cirka 4 cm. Der Vorteil, den Sonics sich bei dieser Art der Positionierung verspricht, ist die Vermeidung von Kantenreflexionen – und die hierdurch hervorgerufenen Unebenheiten im Frequenz– und Phasengang. Und Ecken und Kanten hat die Box ja alle Mal. Als Nebeneffekt der versetzten Anordnung lässt sich ein wenig mit der Aufstellung spielen, sprich, man kann den Tweeter nach innen oder nach außen zeigen lassen. Ich kenne das Spiel mit der Hochtöner-Positionierung z.B. von den Sehring-Wandlern. Das kann schon sinnvoll sein.

Eine weitere Besonderheit ist das Gehäuse. Hier für den Preis von 1.300 ¤ mehr als MDF zu erwarten ist ja fast schon frech. Was nichts gegen MDF heißen soll, das Material kommt auch in wesentlich höheren Preisregionen zum Einsatz und hat sich dort bewährt – aber hier wird ein Drei-Komponenten-Kabinett geliefert: Es besteht aus zwei Spanplatten mit unterschiedlicher Dämpfung und ist innen mit Keramikplatten verkleidet. Ein Aufwand, den nicht jeder betreibt. Gehäuseresonanzen soll so der Garaus gemacht werden. Kaschiert wird das Ganze nicht mit Folie, sondern mit Echtholz-Funier. So weit, so solide.

Solide sind auch die Schrauben, die die Chassis halten. Sie ragen – wie erwähnt – schön raus und lassen sich im Fall der Fälle bequem mit einem Imbus nachziehen. Rustikale Sache.

Bei den Wandlern handelt es sich um einen 18er Tief/Mitteltöner aus beschichtetem Papier und um eine 25 mm Seiden-Kalotte, die den Job schon bei 2,3 kHz übernimmt. Der 18er ist recht weich aufgehängt und effektiv, wenn es um bewegte Membranfläche geht, eigentlich ein 13,5er. Warum gibt man standardmäßig eigentlich den Einbau-Durchmesser an? Jedenfalls muss dieser Treiber bei gehobenen Pegeln schon ziemlich ackern: Deutlich sieht man, dass Hub Größe wettzumachen versucht. Unterstützung bekommt der Bass durch die nach vorne abstrahlende Reflexöffnung und durch die – in Relation zur Größe des Treibers – doch recht breit bemessene Schallwand (25 cm). Denn der Baffle Step – also der Bassabfall in Abhängigkeit von der Schallwanddimension – fällt geringer aus, wenn die Schallwand breiter ist. Allerdings setzt man bei der Argenta zu diesem Zweck auch ein eigens optimiertes „Diffraction Control Modul“ ein. Es ist Bestandteil der Weiche und soll den genannten Baffle Step unschädlich machen. Die von ihm entwickelten DC-Module machen seine Lautsprecher „vollkommen unabhängig von der äußeren Form“, so Gerhard in dem erwähnten Interview.

Dass man bei Sonics die Chassis nicht selbst baut, wird nicht schamhaft verschwiegen – warum auch? Dass aber Massenproduktion als Vorteil herausgestellt wird, finde ich mal erfrischend anders. Lange Referate über Bauteilselektion und den Matching-Prozess erspart man sich – es wird schlicht darauf verwiesen, dass durch die Massenproduktion des Hochtöners ein Teil dem anderen gleicht. Sympathisch. Die Schwingspule dieses Hochtöners wird übrigens mit dünnflüssigem Ferrofluid gekühlt und bedämpft.

Zum Design, nun, da habe ich ja eingangs schon mein Erstaunen geäußert. Ist wohl Geschmackssache. Die Verarbeitung wirkt sehr solide, wenn auch rustikal – könnte auch gut aus einem Hobbykeller kommen. Was mich ein wenig gestört hat, ist das Anschlussterminal. Da gibt es Besseres, aber vielleicht ist das auch nur meine Privatneurose, kein Mensch bringt mir bei, dass man so was nicht größer, solider und ergonomisch sinnvoller bauen kann. Bei Cinch-Buchsen werde ich meist noch unleidlicher …

Klang:

Die Argenta macht es einem nicht leicht: Ist es meist so, dass nach einer Viertelstunde klar ist, ob man etwas mit einer Komponente anfangen kann oder nicht, geht das hier nicht so einfach. Klar, ich behaupte nicht, 15 Minuten reichen grundsätzlich für ein umfassendes Urteil. Aber ein erster Eindruck ist vorhanden. Wie war der, als ich die Argenta zum ersten Mal anschloss?

Zunächst hatte ich die ZU Druid wegzutragen und ich stellte mich darauf ein, dass nun der Klang wieder an den Boxen kleben bleiben würde – von der phänomenalen Raumabbildung des US-Breitbänders musste ich mich wohl oder übel jetzt verabschieden. Also „Goodby, ZU“ und „Guten Tag, Argenta“!

Und dann flirrt Howe Gelbs Gitarre so was von durch die Bude, völlig frei . und seine Stimme etwas weiter links oben, klar getrennt. Und das ganze Geraschel und Geschrummel, das hat alles seinen präzise zugewiesenen Ort. Da klebt überhaupt nichts an den Boxen, das ist ja gar nicht übel! Das kann doch nicht sein, dass dieses kleine preiswerte Böxchen in Sachen Raumgefühl einem die Schuhe auszieht, eine freie und große Bühne aufbaut, als wäre es nix?

Aber wieso denn nicht, die Chassis stehen eng genug beieinander, Richtung Punktschallquelle ist das schon der halbe Weg. Tempo besitzt die Kleine auch, dynamische Attacken werden nicht verschliffen, sie kommen zügig rüber; vielleicht ist das auch dem Hochtöner zuzuschreiben, der ja schon recht früh anfängt zu werkeln und die oberen drei Oktaven bedient. Und das mit dem DC Modul – Diffraction Control, auf Deutsch Beugungskontrolle – spielt hier möglicherweise auch eine Rolle – vorausgesetzt, dass sich damit tatsächlich eine sehr gute Abstrahlcharakteristik erreichen lässt. Jedenfalls zeigt sich die Argenta nicht divenhaft in Bezug auf den Abstrahlwinkel: Auf oder aus der Achse, es gibt keine großen Unterschiede im Raumgefühl. Persönlich ziehe ich eher geringere Winkel vor, das klingt nach meinem Dafürhalten etwas offener. Aus dem gleichen Grund lasse ich die Hochtöner bei der Sonics nach außen zeigen – wobei der Effekt, zugegebenermaßen, eher gering ist

Die Enden des Frequenzspektrums sind gut gelungen. Die Höhen ab >5 kHz luftig und frei, klar zu vernehmen, aber nicht lästig, sondern weich. Dabei reagiert die Sonics deutlich auf Kabel- oder gar Elektronikwechsel – der Tweeter lässt hier den „vorgeschalteten Charakter“ der Kette durch. Und daran ist ja nichts auszusetzen, im Gegenteil, das ist eher ein Qualitätsmerkmal. Auch der Bass macht Spaß, er ist räumlich und frei und recht flott. Wenn ein Bass-Drum Kick aus der Mitte kommt, dann kommt er auch daher – und das prägnant und griffig. Freilich sollte man nicht zu viel Impact erwarten. Woher denn auch, bei guten 140cm² Membranfläche? Techno-Jünger und Home-Organisten kaufen keine Kompaktboxen und wenn doch – selbst Schuld.

Natürlich fehlt da etwas, da fehlen zwei Oktaven und damit nicht nur „Bumms“, sondern jede Menge Rauminformationen. Aber das ist nun mal klar, wenn man sich für Kompaktboxen entscheidet. Ab 100 Hz rollt der Bass aus, darüber ist er aber in ausreichender Menge vorhanden. Als staubtrocken würde ich das zwar nicht bezeichnen, auch nicht an einem Kaliber wie dem Dussun V8i – macht aber nichts. War jemand schon mal auf einem Konzert von dem er nachher gesagt hat, der Bass war aber staubtrocken? Nein? Eben.

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ASR Audio Emotion seit 1980

Über die Autorin / den Autor

Equipment

Analoge Quellen: Laufwerk: SME Model 15 Tonarm: SME 309 Tonabnehmer: MC: Denon DL-103R, Dynavector DV-20X2 H, Transrotor Figaro; MM: Shelter 201 Sonstiges: Flux-HiFi (Nadelreiniger), VPI HW-16.5 (Plattenwaschmaschine)

Digitale Quellen: D/A-Wandler: Rockna Wavelight Musikserver: Antipodes K22 G4 Sonstiges: Pink Faun LAN Isolator

Vorstufen: Hochpegel: Pass XP-12 Phonoverstärker: BMC Audio MCCI Signature ULN

Endstufen: Pass X250.8 (Stereo)

Lautsprecher: Acapella High BassoNobile MK2

Kopfhörer: Beyerdynamic DT-990, Sony MDR-1000X, Teufel Supreme In

All-In-One: Ruark Audio R4

Kabel: Lautsprecherkabel: Dyrholm Audio Phoenix, fis Audio Studioline NF-Kabel: Dyrholm Audio Phoenix XLR, Boaacoustic Blueberry Signal.xlr, fis Audio Livetime (Cinch), Vovox und andere Digitalkabel: Audioquest Cinnamon (Toslink), Audioquest Vodka 48 (HDMI/I2S), Boaacoustic Silver Digital Xeno (USB), fis Audio Magic (LAN-Kabel), Wireworld Series 7 Starlight Gold (Koax-S/PDIF) Netzkabel: fis Audio Blackmagic, fis Audio Studioline Netzleiste: fis Audio Blackmagic

Rack: Creaktiv Trend 3

Größe des Hörraumes: Grundfläche: 40 m² Höhe: 2,45 m

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