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Klang: Lindemann musicbook:55

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  1. 2 Klang: Lindemann musicbook:55

Ein sich hartnäckig haltendes Vorurteil über Class-D lautet, dass dieses Konzept generell „digital hart“ klingen würde. Wenngleich – wie oben beschrieben – das Wörtchen „digital“ im Zusammenhang mit Class-D eh als recht fragwürdig durchgeht und ich persönlich die Erfahrung gemacht habe – siehe etwa die Tests von NAD M2, Auralic Merak oder Bel Canto S300 und M300 –, dass diese Technologie häufig eher gefällige, geschmeidige, wenn nicht gar hochtondefensive Klangbilder zeitigt.

Dass die Lindemann’schen Blöcke klanglich weder „digitale“ Klischees noch meine erwähnten Erfahrungen bestätigen, sei an dieser Stelle schon mal verraten. Aber der Reihe nach, zunächst noch ein paar Worte zum Versuchsaufbau: Die musicbook:55 lassen wie beschrieben mehrere Betriebsarten zu, starten wollen wir mit zwei 55ern, die als Monos jeweils kanalgetrennt einen „eigenen“ Lautsprecher vor der Brust haben, und dabei im Brückenmodus agieren – denn letztlich werden nicht alle Hörer Lautsprecher mit Bi-Wiring-Terminals ihr Eigen nennen. Auf die Unterschiede zum Stereo- und Bi-Amping-Betrieb gehe ich dann weiter unten gesondert ein.

Russian CirclesDas Erste, was auffällt: Die Lindemänner strotzen vor Spielfreude und Dynamik. Hervorragend wie zackig unsere Probanden die Toms und Bassdrum in Russian Circles „1777“ (Album: Memorial) knallen lassen, aber auch feindynamisch bei der Wiedergabe der Hi-Hat-Sechzehntel glänzen. Ja, die 55er gehören zweifelsohne zu den „schnellen“ Vertretern ihrer Zunft – und das eigentlich schon frisch aus dem Karton. Dennoch benötigen sie durchaus Einspielzeit. Wirken sie anfangs, eben auch gefördert von ihren dynamischen Fähigkeiten, fast etwas ungestüm, wird das Klangbild mit zunehmender Einspielzeit merklich kultivierter und geordneter.

Zusätzliche Lebendigkeit erfährt das Klangbild dadurch, dass die 55er sehr anmachende, druckvolle Mitten abliefern. Ein Charakterzug, der je nach Musik mal mehr oder weniger stark auffällt, mich aber unter anderem bei Jesus Lizards „Then comes Dudley“ (Album: Goat) mächtig in den Sitz presst. Das Stück eröffnet mit einem spieltechnisch nicht allzu anspruchsvollen, harmonisch aber recht ungewöhnlichen und sich deswegen in den jesus lizardGehörgang nahezu bohrenden Gitarrenlauf. Die Direktheit, die Klarheit, die Schlackenfreiheit der Mittenwiedergabe sind schon außergewöhnlich – über meine Audionet AMP, die sich ebenfalls zu den anmachenden und transparenten Verstärken zählen dürfen, klingt das Ganze überraschenderweise verhangener und gebremster. Und als der stets eine gewisse Portion Wahnsinn versprühende Sänger David Yow seiner Stimme freien Lauf lässt und wiederholt „If it had a face I won’t eat it, he said …” ins Mikro brüllt, hat das etwas derartig ungeschliffen-rohes, wirkt die Stimmwiedergabe derart ungefiltert, dass man meint, live in einem kleinen, stickigen Club dabei zu sein … okay, das lag zum Teil wohl auch am schieren Pegel, war der Lautstärke-Hahn meines Funk MTX zu diesem Zeitpunkt doch schon ziemlich weit aufgerissen.

Dass der Mittenbereich, aber auch der Hochtonbereich „freigelegter“, transparenter wirken als über die meisten Amps, die bisher bei mir vorspielten – inklusive meiner Arbeitskombi oder auch den eingangs genannten Class-D-Amps -, wird nicht zuletzt anhand Shock Therapys „Come and dance with me“ (Album: Heaven and Earth) deutlich. Der Gesang wird hier von einer Flüsterstimme begleitet, die teilweise so zart und leise hingehaucht eingefangen ist, dass man sie an gewissen Stellen eher erahnt als hört. Solche Feinheiten so gut es geht zu transportieren und zu differenzieren, zählt zu den absoluten shock therapyStärken der Lindemänner, nicht zuletzt wegen der feindynamischen Qualitäten und des hohen Auflösungsvermögens, aber auch, weil die 55er trotz ihrer spielfreudigen, rockigen Gangart, sehr sauber und ungrisselig spielen. Und bei alledem so etwas wie den vielzitierten „schwarzen Hintergrund“ suggerieren, was der Kontrastierung von Kleinigkeiten ebenfalls zugutekommt. Ja, mit Blick auf die beschriebenen Charakterzüge Spielfreude, Schlackenfreiheit, Unmittelbarkeit und Durchsichtigkeit des musikalischen Geschehens agieren die Lindemänner schon absolut „highendig“, da ist in der Regel auch mit deutlich teureren und „dickeren“ Monos nicht viel mehr zu erreichen.

Dass der Hochton zur luftig-schnellen und präzisen Sorte gehört, kann man sich nach dem bisher Gesagten eigentlich schon denken. Aber wie steht’s um die Langzeittauglichkeit? Nun, in den obersten Frequenzetagen tönt es zwar nicht ganz so seidig-feinsinnig wie etwa mit dem Norma REVO IPA-140 – den ich ja vor kurzem besprochen hatte und noch gut im Ohr habe -, aber der Italiener offenbarte im Hochton ja eh Meriten, die ich im Grundebevis frond bisher noch von keinem anderen Verstärker so geliefert bekam. Nun, dafür bringen die Lindemann musicbook:55 ein Quäntchen mehr Frische und Anmachfaktor ins Spiel – ohne dabei den Pfad der tonalen Tugend zu verlassen. Und ohne obenherum auch nur die Bohne ins artifiziell Harte, Spitze oder sonst wie Unsaubere abzudriften. Selbst Platten wie Vavona Burr der englischen Indie-Rocker Bevis Frond – eine der schrapeligsten Aufnahmen meiner Plattensammlung – bleiben verdaulich so gut es eben geht. Und das obwohl der vorgeschaltete Funk MTX ebenfalls alles andere als ein Weichzeichner oder Schönfärber ist. Dafür aber – genauso wie das Lindemann musicbook:55 – eine sehr sauber und störarm zeichnende Komponente.

Zur Spielfreude und Energiegeladenheit, die die Lindemänner versprühen, passt auch die sich schön von den Lautsprechern ablösende Bühne, die sich ähnlich weit – wenn nicht sogar noch einen Tick ausufernder – nach vorne, Richtung Hörplatz ausdehnt, wie das bei meinen ebenfalls recht offensiv abbildenden Audionet AMP der Fall ist. Ein Charakterzug, den ich persönlich sehr schätze, involviert einen die Musik doch so noch stärker. In Sachen Ortungsschärfe und Plastizität stehen die 55er den Audionet AMPs des Weiteren nicht nach. Und auch hier machen die Bochumer Blöcke eigentlich einen – auch angesichts ihrer deutlich höheren Preisklasse – ordentlichen Job, was den deutlich günstigeren musicbook:55 umso höher anzurechnen ist.

Auf der Habenseite der Lindemänner stehen zudem die Präzision und Konturiertheit des Bassbereichs. Ob die trockene Bassdrum im erwähnten „Then Comes Dudley“ oder die massiven E-Bass-Läufe in Celebrations „Holiday“ (Album: Celebration): Untenrum lassen die 55er meine Spendor SP100R² stets knackig und celebrationkontrolliert ertönen – keine Selbstverständlichkeit, gehört das 30-cm-Basschassis der englischen Monitore nicht unbedingt zur allerschnellsten Sorte. Wie ich übrigens generell finde, dass die deutschen Blöcke und die britischen Quader ein ziemlich geniales Gespann abgeben. Zu einen mag das daran liegen, dass der unkritische Impedanzverlauf (Minimum etwa 6 Ohm) der Spendor durchaus als Class-D-freundlich durchgeht, zum anderen, dass der auch tonal etwas leichtere Charakter der Musikbücher gut zum leichten Extra an Tiefton-Wärme passt, welches die Spendor vermitteln.

Und damit sind wir auch schon bei einem der Hauptunterschiede zu manch schwergewichtigen, klassischen Endstufen-Boliden: Die Lindemann klingen keinesfalls dünn – bewahre –, aber einen tief bis zum Anschlag schiebenden, massiv-ehernen Bassbereich drücken sie dem Hörer nicht entgegen: Da liefern teurere Endstufen wie etwa eine Krell Duo 300, AVM Ovation SA8.2 oder auch meine Audionet-Blöcke mehr Souveränität und Grobdynamik – und klingen dadurch auch in Gänze etwas größer, stabiler, durchaus im positiven Sinne ruhiger und abgeklärter. Die masselosere Spielweise der Lindemänner kommt allerdings ihrer leichtfüßigen Spielfreude entgegen – und kann je nach anhängigem Lautsprecher (wie eben den Spendor SP100R²), Hörgeschmack oder Hörraumverhältnissen eine perfekt „einrastende“ Lösung abgeben.

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Test: Lindemann musicbook:55 | Endstufe

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