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Jools Holland & his Rhythm & Blues Orchestra – Sirens of Song

November 2015 / Victoriah Szirmai

Ob Lilith 2010, Summer of Girls oder Fräuleinwunder – treue Leser wissen, dass Victoriah’s Music seit jeher eine Vorliebe für starke Frauenstimmen hegt, die dann auch gern als geballte Ladung in kompilierter Form daherkommen dürfen. Die Sirens of Song, wo sich Vokalistinnen von Amy Winehouse bis Eartha Kitt um Bandleader Jools Holland und sein Rhythm & Blues Orchestra scharen, kommen da natürlich gerade recht. „Es ist“, so Holland, „ein Privileg und eine große Ehre, zum ersten Mal einige der besten Sängerinnen und Komponistinnen auf einem Album zusammenbringen zu können. Ich bin so dankbar, dass ich auf die Unterstützung all dieser unglaublich begabten Frauen bauen konnte, die ihre ganz eigene, magische Perspektive auf jeden Song einbringen!“

Sirens of Song

Gleich der Einstieg, Ruby Turner mit der Ray-Charles-Komposition „Jumpin‘ In The Morning“, die Erinnerungen an Jive Bunny & the Mastermixers weckt, geht in die Beine und schlägt positiv auf die Stimmung – das macht Spaß und selbst bekennende Morgenmuffel hellwach. Für den folgenden Sechsachtler „Letting Me Down“ hat Holland Soulsternchen Joss Stone vors Mikro geholt, und in der Tat erinnert das aus ihrer eigenen Feder stammende Stück an das intime „All The King’s Horses“-Cover aus ihrem Studiodebüt The Soul Sessions. Hollands Rhythm & Blues Orchestra spielt dann auch erstmal mit kleinem Besteck, denn gegen das große, das zum Ende des Stückes aufgefahren wird, kommt Stone, egal, wie sehr sie auf die Tube drückt, auch gar nicht an. Weitaus weniger angestrengt und trotzdem – oder gerade deshalb – um Klassen besser macht es Emeli Sandé mit „Love Me Or Leave Me“, das obendrein swingt wie nur was.

Jools Holland | Sirens of Song 1.3

„A Vow“ mit Rhythm & Blues Orchestra-Haussängerin Louise Marshall an den Vocals kann man hören, darf aber nichts Besonderes erwarten – was nicht zuletzt an der eher mediokren Komposition des Bandleaders höchstpersönlich liegt; und ob dieses Saxophonsolo wirklich hätte sein müssen, sei zumindest dahingestellt. Das ist umso bedauerlicher, hat Holland hier doch einen Text von Wendy Cope vertont, die er für „die größte weibliche Dichterin Englands in der Gegenwart“ hält. Auf den Beitrag von Amy Winehouse habe ich mich gefreut, seit ich Sirens of Songs zum ersten Mal in der Hand hatte. Leider wird die Rehab-Sängerin für ein total albernes Pseudokaribikstück verbraten – ähnlich Beklopptes habe ich zuletzt nur mit Madonnas „I’m Going Bananas“ vom Dick Tracey-Soundtrack gehört, und das ist immerhin fünfundzwanzig Jahre her! Besonders schade am 2006 aufgenommenen „Monkey Man“ ist, dass Amy eine der wenigen war, deren Stimme der Bandgewalt gewachsen gewesen wäre. Wenn die weitaus weniger stimmgewaltige Kylie hingegen den The Clash-Klassiker „Should I Stay Or Should I Go“ haucht, dessen Arrangement sich nicht zwischen Waltz und Blues zu entscheiden weiß, ist das ganz, ganz großartig – und Grund Nummer eins, diese Compilation zu erwerben.

„Sweet Bitter Love“ mit Mabel Ray an den Vocals dagegen ist dann eher was für die Smoothes-zum-Dinner-Fraktion, denn der Song würde auch in einer luxuriösen Hotelbar nicht aus dem Rahmen fallen. Mich persönlich nerven auf Dauer die Gesangsverzierungen – da hat wohl jemand zu viel Whitneymariah gehört! Muss nicht sein. Das flötendominierte „Sea-Line Woman“ dagegen, bekanntgemacht durch die unerreichte Nina Simone, wartet dank der Britin Laura Mvula an den Vocals mit einer Sängerin auf, die ihre Sache völlig unaufgeregt und gerade deshalb so richtig gut macht. Und zum treibenden Rhythmus, bei dem Hollands Orchester zur absoluten Hochform aufläuft, können alle Big Beat-Freaks obendrein super Lindy Hop tanzen. Was will man mehr?

Die britische Singer/Songwriterin Rumer befeuert auf dem Percy-Mayfield-Klassiker „Lost Mind“ mit ihrer samtenen Stimme die Phantasie. Dies ist genau die Art von Stück, mit der im Film immer diese You Can Leave Your Hat On-Szenen (vulgo: Striptease) untermalt werden. Der High-Speed-„Top To Bottom Boogie“ wiederum, eine wahnwitzige Komposition von Holland und Sängerin Imelda May, könnte Soundtrack einer wilden Slapstickverfolgungsjagd sein. May selbst klingt wie eine Rock’n’Rollerin, die sich in eine Honky-Tonk-Spelunke verirrt hat, und das ist verdammt phänomenal und Grund zwei für den Erwerb der Sirens.

Jools Holland | Sirens of Song 1.6

Nicht fehlen darf auf solch einer Compilation der Cole-Porter-Evergreen „Night And Day“, der mit KT Turnstall am Mikro in einem eher konventionellen Gala-Band-Arrangement seines Weges kommt. Das Stück ist einfach immer eine sichere Bank. So auch hier. Klavierbässe, die einmal mehr boogiewoogieeskes Feeling aufkommen lassen, gibt’s auf der Stevie-Wonder-Komposition „I Wish“, dazu wieder eine Sängerin mit der passend rotzigen Attitüde. Ich wette, so haben Sie Ex-Spice-Girl Melanie C noch nie gehört! Jools Hollands Hallo-wach-Arrangement erinnert hier an die Sachen, die Quincy Jones für Chaka Khan gemacht hat – das ist bei weitem nicht die schlechteste Referenz und Kaufanreiz Nummer drei.

Jools Holland | Sirens of Song 1.7

Die von Holland und Sängerin Ruby Turner komponierte Southern-Orgel-Nummer „I Still Went Wrong“ mit ihrem Gospel-Beat, genretypischem Tamburingeschüttel und starkem Backgroundchor ist sicherlich moralisch sehr erhebend, allein, es fehlt das subversive Moment der Vorgängernummern. Das abschließende „Ain’t Misbehavin‘“ mit Eartha Kitt, aufgenommen ein halbes Jahr vor ihrem Tod 2008, ist dagegen über jeden Zweifel erhaben. Keine nuschelt sich so gekonnt durch einen Song! Kitt gurgelt, gurrt, krächzt und macht das kleine Mädchen und die Grande Dame in einem Atemzug, bis das Holland’sche Arrangement zur Nebensache gerät: Eartha Kitt könnte zur Begleitung eines tropfenden Wasserhahns singen, der Hörer würde nichts vermissen. Was nicht heißt, dass Jools Holland seine Sache hier nicht gut gemacht hätte. Das hat er nämlich. Wie schon auf dem ganzen Album.

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