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A Fine Frenzy | Poolstar*

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  1. 1 A Fine Frenzy | Poolstar*

September 2009 / Victoriah Szirmai

Ich gebe zu: Popmusik wurde hier bislang sträflich vernachlässigt. Anhänger von Madonna, Kylie Minogue, Sophie Ellis Bextor etc. sind bei „Victoriah’s Music“ bis dato nicht wirklich fündig geworden. Das mag zum einen daran liegen, dass mir andere Genres oftmals weitaus spannender und ergo rezensionswürdiger scheinen, zum anderen daran, dass ich, unabhängig von jedweden Label-Verstrickungen, bei der Musikauswahl strikt meinen persönlichen geschmacklichen Vorlieben – okay: und manchmal auch dem sanften Drängen der Redaktion – folge.

Wer regelmäßig bei mir reinliest, weiß, ich mag elektronische Musik in all ihren Spielarten, von Electro-Jazz zu Electro-Tango, weiß, dass ich eine große Anhängerin von remixenden Turntablehexern bin, sowohl klassischen als auch modernen Jazz und Soul liebe, gern zu modernen Balkan Beats wie Speed Polka und Konsorten tanze und HipHop und Funk und Rock – am besten zusammen! – alles andere als abgeneigt bin. Pop stand bislang nicht auf der Tagesordnung, sieht man von jenem kategorischen Missverständnis ab, als ein unüblich schick herausgeputzter fairaudio-Redakteur und ich kürzlich im Berliner Jazz-Club b-flat durch Sängerin Katharina Debus eines Besseren belehrt wurden: Frau Contrabass, verkündete sie, würden „Popmusik im weitesten Sinne“ spielen. Wir hielten es eigentlich für Jazz. Aber das nur am Rande. Es dürfte klar geworden sein, worauf ich hinaus will: Popmusik gehört nicht zwingend zu meiner bevorzugten Klangspielwiese.

A Fine Frenzy – Bomb In A Birdcage

Tja, und dann kam voriges Frühjahr ein kleiner Song um die Ecke, sagte kurz „Hallo“, ich lud ihn ein, sich zu sezten – und er blieb. Eine Ballade! Ein schnulziges, vor Sentiment triefendes Stück Popmusik! Goodbye my almost Lover schmachtete die damals 22-jährige Sängerin zu When He Plays Piano In The Dark-Klavierklängen und Streichern. Natürlich wurden alle genre-gängigen Klischees, von der „süßesten Traurigkeit“ bis hin zur mit einiger Vehemenz vorgetragenen „nie möchte ich dich unglücklich sehen“-Beschwörung, bemüht. Und ich – ich war hin und weg. Vielleicht, weil ich die Problematik des almost lovers nur zu gut kenne … Na, lassen wir das. Das führt hier zu weit und außerdem zu nichts.

A Fine Frenzy - Bomb In A Birdcage

Almost Lover war einer dieser Songs, die einen schlicht erwischen, und nicht danach fragen, ob sie gelegen kommen oder nicht. Geschmackliche Vorbehalte sind ihnen auch egal. Sie setzen sich fest und nisten sich ein. Ähnliche Songs – nebenbei bemerkt: mit ihrer klassischen Form eine perfekte Schule im Songwriting – gibt es auch von Tamia (Lovin’ You Still), Gabrielle (Over You), Paula Abdul (If I Were Your Girl), Mariah Carey (My All) und Toni Braxton (My All), allesamt Sängerinnen, mittels deren Bewunderung man sich nun nicht gerade als „cool“ oder „geschmackssicher“ outet, und allesamt sicher verstaut sind in meinem – vermutlich nicht nur – musikalischen Giftschrank, als eine Art stille Reserve für schlechte Tage sozusagen. Wehe, sie werden losgelassen! Kitschig? Klar. Seicht? Sicher, aber das muss so!

Und nun also hat Alison Sudol, besser bekannt als A Fine Franzy, mit Bomb in a Birdcage nachgelegt. Um es gleich vorweg zu nehmen: Ein Ohrwurm wie Almost Lover ist diesmal nicht dabei. Wen die Kalifornierin, von der einschlägigen Presse gern als „feminines Gegenstück zu Coldplay“ betitelt, bislang mit ihrer Zartheit, mit der melancholischen Intimität ihrer Songs bezauberte, der könnte sich verwirrt fragen, ob er es wirklich mit der selben Künstlerin zu tun hat: „Ich glaube, manch einer wird überrascht sein“, meint diese dazu, „sie halten mich für zerbrechlich und ätherisch, und das ist auch schön, es schmeichelt mir. Mehr habe ich von mir bislang nicht gezeigt. Aber ich habe auch eine wilde Seite an mir. Ich mache gerne mal Radau, dresche auf Dinge ein. Ich bin ein stiller Mensch mit einer lauten Facette. Mir gefällt beides. Und dieses Album ist ein Zeugnis der beiden Seiten in mir.“

A Fine Frenzy - Bomb In A Birdcage

Zwar hält Bomb In A Birdcage am melodiösen Charme des Debüts fest, wird ansonsten aber von so überhaupt nicht ätherischen Gitarrenklängen und Beats dominiert, die durchaus eine Vorliebe für New Wave offenbaren. Das mag im Moment zwar sehr modern und gefragt sein (siehe Nouvelle Vague), und insofern hat Sudol den richtigen Trendriecher bewiesen, aber leider bekommt die Mode der Musik nicht. Ihre neue Platte nimmt sich seltsam farb- und belanglos aus. Zwar wird sie einem als „gereift“ und „selbstbewusst“ verkauft – doch wenn diese Songs, die sich allesamt ähneln, die erwachsene Alison Sudol repräsentieren, dann gefiel mir die junge Debütantin besser. Damals waren wir alle in die rothaarige Sängerin mit dem durchscheinenden Teint, die ihren Künstlernamen Shakespeares Mittsommernachtstraum entlieh, verliebt. Damals verzauberte dieses scheue Wesen mit seiner versponnenen Romantik, entführte seine Hörer in selbstgeschaffene, eigenhändig am Piano begleitete Fantasiewelten, die Anlass zu Spekulationen gaben, es hier mit einer kommenden Tori Amos zu tun zu haben. Die Hoffnungen jedenfalls waren groß.

Und heute? Heute macht Alison Sudol als A Fine Frenzy putzmuntere, fröhliche Lieder. So etwa kommt schon der erste Track What I Wouldn’t Do als beschwingter Country-Folk-Song samt Pfeifen, Klatschen und La-la-la-Refrain daher und setzt die Richtschnur für alle folgenden Songs, die dann ohne nennenswerte Auffälligkeiten abgespult werden.A Fine Frenzy - Bomb In A Birdcage Die Platte dudelt froh, aber eben auch ziemlich lahm vor sich hin, nach Abwechslung, gar dem großen Wurf, sucht man hier vergebens. Ist es noch Track 2, der da gerade läuft, oder schon Track 10? Man weiß es nicht. Die Songs ähneln sich allesamt. Solch ein unauffälliger Klangbrei mag sich zwar ideal als Hintergrundbeschallung diverser amerikanischer TV-Serien eignen – und tatsächlich beliefert A Fine Frenzy recht erfolgreich Serien wie Dr. House oder CSI –, reicht aber als eigenständiges Werk nicht aus.

Trauriges Fazit: Es war allein ihre Zerbrechlichkeit, durch die A Fine Frenzy bestach. Nimmt man ihr die, bleibt eine absolut durchschnittliche Popsängerin, die man nicht hören muss. Ich bin enttäuscht.

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Plattenkritik: A Fine Frenzy | Poolstar*

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