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Musikproduktion heute, Teil 1: Mikrofon und Mikrofonierung

Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Musikproduktion heute, Teil 1: Mikrofon und Mikrofonierung

Februar 2014 / Nick Mavridis

Nüchtern betrachtet sind die gesamte HiFi-Branche, die Schallplattenindustrie und die Tontechnik nur entstanden, um Defizite ausgleichen zu können: Musikgenuss direkt von der Quelle erfordert nun mal die zeitgleiche Anwesenheit von Musikern und Zuhörern am exakt gleichen Ort. Gemeinsam mit der Ermöglichung der Überbrückung von auch großen Distanzen durch das Radio ist durch die zunächst noch recht simple Schallspeicherung mittlerweile eine vielschichtige Technik und auch Kultur entstanden, die über diese reine Problembehandlung weit hinausgewachsen ist – wie wir alle nur zu gut wissen.

In Jahrzehnten der technischen und kreativen Entwicklung hat sich so einiges getan, nicht nur wiedergabeseitig, also in den heimischen Wohn- und Hörzimmern, sondern auch auf der Entstehungsseite von Musikaufnahmen. Auch für HiFi-Enthusiasten ist es sehr interessant, ein wenig mehr über die „andere Seite“, nämlich den Aufnahmeprozess, zu wissen. Was musste eigentlich im Vorfeld geschehen, damit sich Ella Fitzgeralds warme Mutterstimme, Motörheads klanggewordene Raubeinattitüde, die durch Lorin Maazel fein justierten New Yorker Philharmoniker oder einfach der nächste Verkaufsversuch des übernächsten Vorabendseriensternchens aus unseren Anlagen auf die Reise zu unseren Ohren machen können? Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie nach dieser Serie in Ihren Lieblingsplatten neue Facetten erkennen, sie vielleicht sogar mit gänzlich neuen Ohren hören!

Nun, den Beginn der sogenannten „Record Production Chain“ bildet die Schallquelle selbst. Daher beginnt auch die Arbeit eines Tontechnikers eben nicht erst mit dem Mikrofon, sondern weit vorher: Das Instrument selbst verdient eine besondere Aufmerksamkeit, denn man kann es umgehen, später Probleme mit technischen Tricks ausbügeln zu müssen, wenn etwa gemeinsam mit den jeweiligen Musikern und Technikern ein Drumset so wie notwendig gestimmt, die Registrierung der Orgel verändert wird, Parameter an einem Gitarrenverstärker anders eingestellt werden oder vielleicht auch mal ein Instrument komplett getauscht wird. Manchmal ist es eben die Akustikgitarre für 200 Euro, die für ein Vorhaben die bessere Eignung hat, nicht das teure Vintage-Instrument der angesehenen Edelmarke.

Akustische und elektroakustische Instrumente, selbstverständlich auch die so wundervolle menschliche Stimme, sind in einer unpassenden akustischen Umgebung häufig nichtssagend und belanglos im Klang – oder sogar schlimmer: Bei vielen Signalen trägt der Raum, in dem sie generiert werden, stark zum Klangeindruck bei, weshalb auch diesem viel Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Der Einfluss der Akustik ist besonders bei E-Musik äußerst groß, aber auch etwa im Jazz, bei dem Raumanteile üblicherweise eine größere Rolle spielen als bei Pop-/Rock-Produktionen. Die genaue Positionierung des oder der Instrumente im Raum (ab und an auch in verschiedenen, optimierten Räumen, z. B. Schlagzeug in der „Drum Booth“, Gitarrenverstärker im „Amp Room“) ist ein wichtiger Teil der Arbeit wie auch die Veränderung der Akustik: Viele Studios besitzen hierfür Vorhänge, Stellwände unterschiedlicher Art, ja manchmal sogar große, drehbare Module in den Wänden, mit welchen der Klangcharakter des Raumes beeinflusst werden kann.

Carnegie Hall in New York
Carnegie Hall in New York, Quelle: Wikipedia

Bei großen Klangkörpern wie Symphonieorchestern hält sich diese Beeinflussbarkeit natürlich sich in Grenzen, die Räume sind schon sehr prägend für den Charakter der Aufnahme – nicht umsonst können Aufzeichnungen aus dem großen Saal des Concertgebouw in Amsterdam, der Carnegie Hall in New York oder dem Musikverein in Wien so unverschämt gut klingen. Aber natürlich macht ein guter Raum allein keine gute Aufnahme.

Eines der wichtigsten Werkzeuge des Tontechnikers ist – ganz entsprechend der allgemeinen Wahrnehmung – das Mikrofon. Hier ist der Begriff im Singular gefallen: In den Frühzeiten der Aufnahmetechnik war es auch tatsächlich so, dass sich alle Musiker um das einzige Mikrofon geschart haben und daher Großmembran-Kondensatormikrofonausschließlich mit Distanz zum Mikrofon und der Spielweise auf das Ergebnis Einfluss genommen werden konnte. Diese Aufnahmetechnik hat ihre unbestreitbaren Vorteile, doch entsprechen die klanglichen Resultate und die anschließenden Bearbeitungsmöglichkeiten nicht dem, was der heutige Musikkonsument gemeinhin erwartet.

Heutzutage ist es üblich, das sogenannte Einzelmikrofonierungsverfahren anzuwenden, bei dem jede einzelne Schallquelle ein eigenes Mikrofon erhält, um unabhängig von den anderen bearbeitet werden zu können. Diese Aussage ist allerdings recht pauschal, denn manchmal sind es gesamte Instrumentengruppen, die sich ein Mikrofon teilen, etwa Bläser, manchmal erhält sogar ein einzelnes (Teil-)Instrument mehrere Mikrofone. Ein bekanntes Beispiel ist etwa die Bassdrum aus einem Drumset, denn hier findet man oft ein Mikrofon für den eigentlichen Anschlagsound, den der Schlägel beim Auftreffen auf das Fell verursacht, sowie ein weiteres für den tieffrequenten Signalanteil der Basstrommel, der den Tieftönern unserer HiFi-Anlagen einiges an Hubarbeit bescheren kann. Das Spielchen wird manchmal noch weitergetrieben, es gibt durchaus Bassdrum-Mikrofonierungen mit vier oder noch mehr Schallwandlern. Auch Snaredrum, Akustikgitarre und Gitarrenverstärker sind beliebte Schallquellen für Mehrfach-Mikrofonierung.

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Musikproduktion: Musikproduktion heute, Teil 1: Mikrofon und Mikrofonierung

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