Fachjournalist, Opern- und Theaterregisseur

Den nachhaltigsten, emotionalsten, schlicht umwerfenden Eindruck bei einer High-End-Kette – hatte ich beim Griff in den offenen Trafo einer Röhrenendstufe. Viele Volt, Sternchen vor den Augen und Anzeichen einer Ohnmacht. Ein so nicht gewollter Wow-Effekt. Mein Vater hatte in seiner Radio- und Fernsehwerkstatt die Rückseite des Amps offen gelassen für den finalen Testlauf. Ich war zwar nominell bereits erwachsen, aber offenbar noch immer unvernünftig. Oder schlicht blöd. Genau sehe ich noch die Situation vor mir und das Modell – ein VTL aus den USA. Der alte Trafo war hinüber und mein kunstreicher Vater hatte tatsächlich eine Werkstatt aufgetrieben, die für diesen Verstärker einen passgenauen Ringkern mit allen US-amerikanischen Abzweigen in Maßarbeit bauen konnte.
Vergangenheitsform. Mein Vater ist hinweg, der Amp mittlerweile auch – aber das Erlebnis unvergessen. Hat irgendein HiFi-Baustein auch nur ansatzweise diese Emotionen bei mir aufblitzen lassen? Nein. Ich habe Monster-Lautsprecher in den USA gehört, Verstärker, die Ingenieure in den Kraftwerken nervös gemacht haben – so gern es manche hören wollen: High-End ist Reproduktion. Aber schön, lebenswert und mit technischem Wissen gefüllt, mit Emotionen, im besten Fall sogar ein Kulturgut. Aber ein Abend im Konzertsaal ist ultimativer, im besten Fall rast das Herz in das Finale einer Mahler-Symphonie und die Brillengläser beschlagen.
Aber High-End kann eben auch Kulturgut sein. Eulen nach Athen getragen: Die Beatles fingen als kleine Band an der Abbey Road an, ein Tag, dann musste das Live-Progamm von gestern auf Band sein. Später drehten die vier Jungs die Spielregeln um: Lange Tage im Studio, keine Live-Konzerte mehr, die Platte selbst wurde Kulturbotschafter.
Deswegen bin ich manischer Flohmarkt-Jäger. Wir haben doch alles in High-Res auf irgendwelchen Streaming-Plattformen? Ich liebe es, aber wir haben es nicht. Ein alter Karton mit schwarzen Scheiben berichtet von einer reicheren Welt. Wobei ich mich zurückhalten kann. Ein Freund, ein manischer Alles-Sammler, hatte auf dem gleichen Flohmarkt so viele Schallplatten gekauft, dass auf der Rückfahrt sein alter BMW aufsetzte und die Achsverteilung neu geregelt werden musste. Immer gut, wenn man Grenzen kennt, primär die eigenen.
Deshalb das Biografische schnell erzählt: Die technischen Finessen habe ich mir bei meinem Herrn Vater abgeschaut (und eben abgefühlt), dann eine Ausbildung zum Tageszeitungsredakteur. Das berühmte „Von-der-Pike-auf“, mit Schwerpunkt Feuilleton. Dann ein Studium, „Opern- und Theaterregie“ an der Musikhochschule München und der Bayerischen Staatsoper. Mit Abschluss und legendären Begegnungen. Viele Instrumente kann ich spielen, mit den Fingern, dem Mund und der Lunge. Aktuell hängen 14 Bässe im Musikraum – das geht ins Manische. Zwölf Zeilen zurück: Immer gut, wenn man Grenzen kennt, primär die eigenen. Dann ein biografischer Parallellauf zwischen Theater und Redaktion, lange Jahre bei Audio, Stereoplay, viel erlebt – vor allem die mystischen Orte besucht. Eben auch das Studio am Zebrastreifen. Tipp: Nicht anhimmeln – das Studio zwei der Beatles ist eine schmucklose Turnhalle, aber Blut, Schweiß und Tränen tropfen aus den Wänden.
Ein schöner Satz für das Poesiealbum? Der alte, etwas verbitterte und zum Zen-Buddhismus übergetretene Dirigent Sergiu Celibidache hasste Schallplatten und jede Form von Tonaufzeichnung. Karajan war sein erklärtes Gegenbild: „Karajan? Ich weiß, er begeistert die Massen. Coca-Cola auch.“