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Amy Antin – Already Spring

Februar 2016 / Victoriah Szirmai

Wenn in Zeiten des reihenweisen Labelsterbens jemand den Mut findet, eine neue Plattenfirma zu gründen, ist das schon prinzipiell eine gute Nachricht. Wenn diese sich dann seit bereits zehn Jahren am stark umkämpften Markt behauptet, eine noch bessere. Und am allerbesten ist es, wenn sich ihre Existenz einem auserlesenen Portfolio verdankt.

Amy Antin | Already Spring Cover

Im Falle des 2005 von Werner Meyer in Köln gegründeten Labels Meyer Records umfasst dieses ausgesuchte Akustikklänge jenseits des Massengeschmacks, deren Spanne sich vom US-amerikanischen Singer/Songwriter Eric Andersen über die belgische Blues-Legende Roland Van Campenhout bis zum Kölner Slidegitarristen Richard Bargel erstreckt. Es gibt Salonmusik von Aglaja Camphausen & die Schmonzetten, unplugged Rock’n’Roll von den Sugarhills sowie audiophile Aufnahmen von Bluesrock-Urgestein Willy DeVille oder dem britischen Alternative-Folk-Musiker Robert Coyne mit Drummer Jaki Liebezeit, von Meyer alle konsequent auch auf Vinyl veröffentlicht, ist der Labelchef doch überzeugt, dass die Menschen auch und gerade in Zeiten von MP3 & Co. die Haptik der mithin körperlos gewordenen Musik brauchen.

Amy Antin | Already Spring 02

Nach dem Erfolg der Sampler Meyer Records Vol. I bis IV, die sich einen klandestinen Kultstatus in der Akustikszene zu sichern verstanden, startet Meyer Records jetzt mit den Kitchen Recording Series eine neue Serie, nicht verwandt oder verschwägert mit den Hamburger Küchensessions, vom Prinzip her aber ähnlich: Um die Illusion schier unglaublicher Nähe zu schaffen, werden die intimen, jeden Atemzug einfangenden Aufnahmen direkt in der Küche von Werner Meyer produziert. „Hört man sich so eine Platte an“, freut sich dieser, „ist es, als säße der Künstler direkt vor einem.“ Den Auftakt der Serie, die mit schlichter, aber exzellenter Technik aufgenommene Akustikalben unter die Hörer bringen will, macht die schon seit einiger Zeit auf Meyer Records veröffentlichende New Yorkerin Amy Antin (auf Amazon anhören). Diese gehört, genau wie die letztes Jahr hier vorgestellte Meg Baird, zur Riege weitestgehend im Verborgenen agierender, da – leider? Gott sei Dank? – nur einer verschworenen Gemeinschaft bekannter Singer/Songwriterinnen, deren Musik sich um Etiketten wie Neo Folk & Co. nicht schert, sondern schlichtweg ans Herz zu rühren weiß.

Already Spring ist das fünfte Album Antins, die den Hörer hier ganz pur, allein durch Stimme und Gitarre in den Bann zieht – und nicht zuletzt durch ihre Texte, mit denen die promovierte Literaturwissenschaftlerin ihre präzisen Alltags- und Innenweltbeobachtungen in intelligente Poesie übersetzt. Gleich der Opener „Pennies“ – der meiner Meinung nach eindrücklichste Titel des ganzen Albums – eröffnet dem Hörer eine düstere Klangwelt irgendwo zwischen Loreena McKennitt und Leonard Cohen, zwischen dezent keltischem Einschlag und Waltz Noir, derweil Already Spring im Grunde kein melancholisches Album ist, siegt am Ende der zwölf Kurzgeschichten doch immer das Licht, egal, ob ungeklärte Identitätsfrage („Healed“), Reminiszenz an die Kölner Wahlheimat Antins („Merkenich“) oder zärtlich-melancholische Liebeserklärung an das, was war („Banner Wave“). Wohl nicht von ungefähr erinnert Amy Antin dabei an eine moderne Moritatensängerin, könnte der zeitlose Duktus der Stücke doch locker fünfhundert Jahre auf dem Buckel haben – allein das Vokabular, das Wendungen wie „posting in Facebook about revolution“ nicht scheut, verortet sie klar in der Jetztzeit, während der musikalische Aufbau die stilistische Nähe zur Murder Ballad sucht. Zum Beispiel „Innocence“, ein Stück, das sich ohne weiteres auch im Repertoire eines Tom Waits vorstellen lässt und mit Sicherheit zu den Highlights des Albums gehört. Das erreicht mit „Rescue Me“ einen weiteren emotionalen Höhepunkt.

Amy Antin | Already Spring 01

Nach diesem achten Stück kann sich allerdings eine leichte Ermüdung einstellen, kommt man doch nicht umher, einer gewissen musikalischen Gleichförmigkeit gewahr zu werden – allein, auch diesen Stücken gebührt ein fester Platz im Albumkontext, da Antin ihre Themen nicht nur innerhalb eines Stückes, sondern auch im Verhältnis der Stücke zueinander entfaltet, bis sich alles aneinander reiht und ein jedes untrennbar miteinander verwoben ist. Eine Entwicklung, die von der Künstlerin so nicht geplant war: „Das war keine bewusste Entscheidung während der Arbeit, aber als das Album fertig war, wurde deutlich, dass sich alle Lieder mit einer ähnlichen Entwicklung befassen – aus einer schmerzlichen Situation heraus hin zu etwas, das eher nach Akzeptanz und Frieden klingt. Ich nehme an, es liegt daran, dass alles nach Erneuerung strebt, nach dem Schönen, Gesunden – dem Frühling, zum Beispiel.“ Und der arbeitet, so die tröstliche Botschaft, schon längst an frischen Trieben, während man selbst noch im Winterschlafdunkel der eigenen Wahrnehmung gefangen ist.

Auf Amazon anhören:
Amy Antin – Already Spring

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Elac Vela

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