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Frizz Feick – Woanders und Hier

Mai 2014 / Victoriah Szirmai

Obwohl es sich bei Woanders und Hier schon um das vierte Album von Frizz Feick handelt, muss ich zugeben, bislang noch nie von dem Bückeburger Sänger, Songschreiber und Saxophonisten gehört zu haben. Seine neue Platte habe ich bestellt, weil mir die Augen angesichts der Liste der Gastmusiker schier übergequollen sind. Oooohhh, dachte ich, Joo Kraus! Dessen feinen Trompetenklang habe ich doch gerade erst auf Hattlers The Kite gehört! Genauso wie den Gitarristen Torsten de Winkel, dem auf Live in Glems genügend Spielraum gewährt wurde, mich zu betören. Und aaahhhh, dachte ich weiter, da ist ja auch noch die Lux! Eine Platte, auf der all diese großartigen Musiker mitspielen, kann ja gar nicht schlecht sein.

Frizz Feick | Woanders und Hier Cover

Ist sie auch nicht. Trotzdem, das sei an dieser Stelle vorweggenommen, verdient Woanders und Hier keine uneingeschränkte Empfehlung. Das hat nichts mit Feick selbst zu tun. Im Gegenteil. Mit zunehmendem Alter scheine auch ich, allen Roger Ciceros dieser Welt zum Trotz, zu beginnen, Musik und Muttersprachliches von reiferen Männern vermehrt zu schätzen – man denke hier nur an Künstler wie Stefan Gwildis! Nicht zuletzt nimmt mich für Frizz Feick prinzipiell ein, dass er sämtliche Klischees, die dem Liedermacher an sich nun mal anhaften, elegant zu umschiffen weiß. Einschlägige Genre-Akteure machen ja gern jahrzehntelang die Musik ihrer Jugend beziehungsweise über damalige Aufregerthemen, während sich Feick thematisch – nicht nur in Form der bekannten Single „Elektropost“ aus seinem Vorgängeralbum bLaUpAuSe –, aber auch musikalisch in Gestalt dezenter Elektrobeats Zeitgemäßem anzunehmen weiß, ohne sich à la „nur noch kurz die Welt retten/noch hundertachtundvierzig Mails checken“ dem von Mail-Junkies dominierten Zeitgeschmack anzubiedern.

Frizz Feick 1.5

Und selbst dort, wo der in folkloristisches Leinen Gewandte mit wettergegerbtem Gesicht noch so sehr den Jungen vom Dorfe zu geben versucht, der die Großstadt aufmischt, kann er nicht über die höchst urbane Lässigkeit hinwegtäuschen, die seiner Stimme innewohnt und ihn zu dem macht, was man als „echten Crooner“ bezeichnet. Dabei ist es gar nicht mal in erster Linie die Stimme Frizz Feicks, die ihn von vielen seiner Kollegen unterscheidet. Es sind seine Lieder und hier vor allem die sprachliche Akribie der Texte, die Feick den Ruf als Ausnahmesongwriter einbrachten. Musikalisch dagegen greift er gern auf die eine oder andere Jazz-Harmonik zurück, die er in der deutschen Singer/Songwriter-Landschaft schmerzlich vermisst. „Wenn andere das machen“, so der Künstler, „geht es meist ihn Richtung Soul“.

Davon ist auf Woanders und Hier tatsächlich nichts zu hören. Vielmehr besticht das Album durch einen hochdramatischen Auftakt samt jamesbondesker Streicherwucht, die den Filmmusikkomponisten in Produzent George Kochbeck (u.a. Tatort, Wolffs Revier, Balko, Stahlnetz etc.) nicht verleugnen kann. Auf die Spitze getrieben wird der nervenaufreibende Effekt durch Kraus‘ zwar gedämpfte, aber nicht minder einschneidende Trompetentöne, während Feick selbst dafür sorgt, dass es wohl kaum eine Frau gibt, die nicht gern „Liebensgefährlich“ wäre, „von dieser Sorte/die einen Raum alleine füllt/mit der geheimnisvollsten Aura/ganz in Schwarz gehüllt“.

Weicher, nahezu karibisch-wohlfühlig, geht es auf „Nicht mehr für dich“ zu, wobei der Text auch hier von Mord und Totschlag erzählt. „Liebe“, raunt der Chor fein ironisch mit Achtzigerjahreanklängen, „vorbei! Mein großes Herz ist wieder frei“, während Feick trotzt: „Steck Dir deine Liebe an den Hut/Dir das zu sagen tut so gut!“ Auf dem leicht an Van Morrisons „Have I Told You Lately“ erinnernden Titelsong dann tritt Feick, der seinen ersten klassischen Klavierunterricht bei Wilhelm Drinkhut, Lehrer eines gewissen James Last, erhalten hat, erstmals auch als Bläser in Erscheinung. An die bezwingende Atmosphäre des Albumauftaktes reicht dieser Song aber nicht heran. Erst, als der volle Streichereinsatz auf „Zu laut für Berlin“ abrupt von einer mit viel Hall versetzten, nur von vereinzelten Percussions durchbrochenen Stille abgelöst wird, findet Feicks Stimme, der zu lauschen köstliche Freude bereitet, wieder einen angemessenen Boden, um die Hörer mit dem hinterlistigen Peter-Fox-Zitat „Guten Morgen, Berlin“, das hier allerdings mit „ich bin zu laut für dich!“ fortgesetzt wird, zu erheitern. Hier passt es, dass Kochbeck mit allem, was sein Mischpult so hergibt, eine godzillagewaltige Wall of Sound auffährt, während die Produktion bei Stücken wie der Manfred-Maurenbrecher-Komposition „Viel zu schön“ mitunter arg synthetisch ausfällt. Ein paar Streicher weniger hätten es hier auch (und besser) getan! Auch die uferlose Spätachtziger/Anfangsneunziger-E-Gitarre, die noch nicht retro genug ist, um schon wieder cool zu sein, muss ich nicht unbedingt haben.

Frizz Feick 1.2

Ganz im aktuellen Musikkontext kommt Frizz Feick wieder mit „Sowas von egal“ an, das im Stil eines Max Mutzke mellow-soulig vor sich hingroovt und seinen Tribut an den Zeitgeist durch die unvermeidliche Erwähnung eines sozialen Netzwerks in Blau zollt. Zugegebenermaßen hat das Ding Radiohitqualitäten – mir persönlich ist der musikalisch etwas sperrigere Feick jedoch lieber. Womit ich allerdings nicht an Stücke wie das extrem filmmusikmäßige „Ohne ein Wort“ denke, dessen Refrains unter der Last von Boxereinmarschhymnenproduktionsbombast zusammenzubrechen drohen und dem nicht zuletzt angesichts des Einsatzes dieser überladenen Chöre die alte, aber nichtsdestoweniger gültige Maxime „weniger ist mehr“ gut getan hätte. Und spätestens an diesem Punkt von Woanders und Hier beschließe ich, dass ich Feick zwar mag, mir von ihm aber ein Unplugged-Album wünsche, eins, wo nichts gniedelt, nichts schwillt und nichts widerhallt.

Nehmen wir zum Beispiel „Haus hinterm Hügel“, ein Stück, das ich einfach nur so von Akustikgitarre begleitet unheimlich gern hören würde, denn ja, dieses gebetsmühlenartig widerholte Mantra vom Hügel, das hat schon was, und das heraufbeschworene Szenario des häuslichen Friedens muss in einem unbeobachteten Moment auch den größten Zyniker wehmutsvoll aufseufzen lassen. An sich ein schöner Song.

Ohnehin die Songs! Die rechtfertigen den Besitz der Platte. Den Kampf um jedes einzelne Wort kann man nachspüren, die Geschichten Feicks kognitiv und emotional nachempfinden. Des cineastisch übersteigerten Thrills durch Überproduktion hätte es hierzu nicht bedurft. Im Gegenteil, so manches Mal scheint mir die Produktion doch schon sehr in Richtung eines ästhetisch höchst zweifelhaften Deutschrocks Maffay’scher Provenienz abzudriften. Dies ist umso bedauerlicher, da diese Lieder ursprünglich nicht so angelegt sind. Die Schlussballade „Famose letzte Worte“ versöhnt dann aber wieder etwas: Hier passt dieses hallende Anfangsneunziger-Schlagzeug, das mich fatal an Lisa Fishers How Can I Ease The Pain erinnert, perfekt, und auch Feick selbst läuft hier noch einmal zu einer derart abgeklärt-lässigen Hochform auf, dass er fortan nicht nur als erstklassiger Songschreiber, sondern auch als Vokalist im Gedächtnis bleiben dürfte.

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