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Hawthorne | Editors | Yorn & Johansson

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  1. 1 Hawthorne | Editors | Yorn & Johansson

November 2009 / Victoriah Szirmai

Regelmäßige Leser von Victoriah’s Music wissen, dass ich, wenn es um Solo-Künstler geht, größtenteils Sängerinnen vorstelle. Es gibt doch nichts Schöneres, als an verregneten Herbsttagen den seelenvollen Seufzern beispielsweise einer Nina Simone zu lauschen. Oder der innigen Hingabe einer Billie Holiday. Empfindsame Verführung, schmeichelndes Schmachten, herzergreifende Emotion … Nicht einmal das romantische Timbre Frankieboy Sinatras kann da mithalten. Zudem gibt es da noch den Punkt der Optik: Ihrer zumeist spröden und/oder zerbrechlichen Stimmen zum Trotz sorgen die schönen Diseusen inmitten von Kabeln, Kondensatoren und nicht zuletzt kühlen Kaufkalküls auch bei uns für ein bisschen menschliche Wärme … und Wallung.

Mayer Hawthorne / A Strange Arrangement

Bemerkenswerterweise verhält es sich mit den modernen männlichen Croonern zumeist exakt andersherum: Waren deren Ahnherren, von Klassikern wie Curtis Mayfield, Smokey Robinson, Marvin Gaye oder Stevie Wonder über Dauerbrenner wie Michael Jackson und Prince bis zu Jahrtausendwende-Barden wie D’Angelo, Maxwell und Rahsaan Patterson noch äußerst ansehnlich, sorgen heutige Soulhelden wie Remy Shand, Jamie Lidell oder Robin Thicke – Daniel Merriweather kann, man erinnerte sich an die vom hochsommerlichen Hormonrausch hervorgebrachte „Merri-Baby“-Kolumne, wohl getrost als erfreuliche Ausnahme dieser Regel gelten – in erster Linie beim Hören für wohlige Wärme. Allesamt bleiche Jüngelchen, die allem Anschein zum Trotz klingen, als hätten sie den Soul von vor dreißig Jahren gewissermaßen mit der Muttermilch aufgesogen und jetzt punktgenau reproduziert.

Hawthrone

So auch Mayer Hawthorne: Obwohl schmächtig, blasswangig und mit Hornbrille ausgestattet, wird er von der Presse ob seiner „perfekten Imitation der großen Motown-Zeiten“ gefeiert.

Und tatsächlich klingen die Songs des 29-jährigen Multiinstrumentalisten, die auf eine Take-6-verdächtige Prelude in perfekt harmonischem Satzgesang folgen, wie bislang verschollene Aufnahmen aus der goldenen Ära des Detroit-Soul. HawthorneYour easy lovin’ ain’t pleasin’ beispielsweise erinnert mehr als von ungefähr an You can’t hurry love von Diana Ross und den Supremes, One Track Mind gleich an Baby Love (Supremes) und My Guy von Martha Reeves und den Vandellas, während der Smokey-Robinson-Klassiker Tracks of My Tears eigentlich überall mal um die Ecke lugt. Selbst Labelchef Peanut Butter Wolf, auf dessen Hip Hop-, Funk-, Soul- und Jazz-Label Stones Throw Hawthornes Debütalbum erscheint, wollte zunächst nicht glauben, dass es sich bei den Stücken um neue Songs handeln solle. „Schuld“ daran trägt des Sängers Vater, der als bekennender Soul-Fan seinen Sohn mit den Songs von Isaac Hayes, Leroy Hutson, Mike Terry, Barry White, Smokey Robinson, Curtis Mayfield und Dozier, Holland & Holland Jr. heranzog. Als es dem Junior bald darauf zu mühsam wurde, für seine eigenen musikalischen Gehversuche die Rechte für diverse Samples aus der Soulhistorie abzuklären, entschloss er sich, diese Art der Musik einfach nachzubauen.

Hawthrone

Und so haben wir es, bis auf das erstmals 1969 auf Soulhawk veröffentlichte New Holidays-Cover Maybe So, Maybe So, auf A Strange Arrangement ausschließlich mit Eigenkompositionen zu tun. Deren Nostalgie ist so aufrichtig empfunden, dass esHawthornedamit gelang, im Sturm die Herzen der orthodoxesten Soulfans zu erobern, denen normalerweise alles anrüchig erscheint, was im Verdacht steht, Retro-Soul zu sein. Einzig der titelgebende Track A Strange Arrangement schwächelt, erinnert er doch statt der guten alten 60er eher an den Soul der Spätachtiger- bzw. Frühneunzigerjahre eines Alexander O’Neil, Keith Washington oder Brian McKnight, an dessen glatter Süßlichkeit man sich sehr schnell überhören kann. Mit dem letzten Song, Green Eyed Love, kommt Hawthorne dann ganz in der Gegenwart an: Dieses Reagge-lastige Lied könnte man auch auf jeder Veröffentlichung von Lenny Kravitz oder Prince finden. HawthorneDer Rest des Albums allerdings hat genau den richtigen Groove, um auf der von Amy Winehouse losgetretenen Retro-Soul-Welle ganz oben mitzuschwimmen. Kritiker mögen einwenden, dass diese ob der Masse der einschlägigen jüngsten Veröffentlichungen ihren Zenit erreicht, wenn nicht gar überschritten habe; und überhaupt, weshalb sich mit halbgaren Kopien begnügen, wenn man stattdessen doch mal wieder die Originale aus der Plattenkiste holen könnte? Im Prinzip würde ich diesen kritischen Stimmen jederzeit Recht geben, doch der Fall des Mayer Hawthorne, bürgerlich: Andrew Mayer Cohen, liegt ein wenig anders. Dieser junge Mann mit der alten Seele ist mehr als eine bloße Kopie. Merriweather-Produzent Mark Ronson löst den Fall auf seine ganz eigene Weise: „I have no idea what this is, old or new, but it’s fucking good.“ Dem bleibt nichts hinzuzufügen.

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Plattenkritik: Hawthorne | Editors | Yorn & Johansson

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