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Transrotor/Räke HiFi

Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Transrotor/Räke HiFi

Februar 2014 / Martin Mertens

Was haben ein englischer Tüftler und ein Pferdeanhänger mit Stanley Kubricks Verfilmung des Romans „A Clockwork Orange“ von Anthony Burgess und dem „Seewolf“-Darsteller Raimund Harmstorf zu tun? Welche Rolle spielte der ehemals mächtige Grundig-Konzern und warum laufen alle Fäden in der kleinsten Großstadt Nordrhein-Westfalens, Bergisch Gladbach, zusammen? Was klingt wie die Zutaten für eine wilde Verschwörungstheorie, hat in Wirklichkeit alles mit der Firmengeschichte von Transrotor alias Räke HiFi zu tun.

Wenn man eine Liste mit zehn deutschen High-End-Schmieden, die internationales Renommee genießen, zusammenstellt, gibt es sicher einige Kandidaten, über die man diskutieren kann. Zu denen, die einen Platz auf der Liste bekommen, gehört ohne Zweifel die Firma Räke HiFi mit ihrer Marke Transrotor. Dass es so weit gekommen ist, hat Firmengründer Jochen Räke seiner technischen Kompetenz, seinem kaufmännischen Geschick, aber auch einer ganzen Reihe unterhaltsamer Gegebenheiten, Zufällen und glücklichen Fügungen zu verdanken.

Transrotor

Ein Faible für Schallplatten hatte der studierte Maschinenbauer Räke schon seit seiner Jugend. Bereits als Teenager baute er seinen ersten Plattenspieler – wobei es sich um einen Bausatz aus England handelte. Offensichtlich war diese Art Freizeit-Beschäftigung prägend, denn das Thema Plattenspieler ließ den heute Mittesiebzigjährigen nicht mehr los.

Transrotor

Begeistert von der britischen Schallplattenspielertechnik, begann Jochen Räke Anfang der 1970er-Jahre Plattenspieler aus England zu importieren. Dabei begnügte er sich mit nichts Geringerem als den Transcriptors-Plattenspielern des englischen Tüftlers David Gammon. Geräte wie etwa der Hydraulic Reference waren, was die Technik betraf, deutschen Produkten weit überlegen. In einem anderen Punkt hinkten die englischen Plattenspieler solchen aus deutscher Produktion allerdings hinterher – nämlich in Sachen Qualität und Serienkonstanz. Herr Räke meint dazu, dass das in Großbritannien kein Problem gewesen sei. Im Gegenteil: Dem ausgeprägten Individualismus der Briten wäre es sogar entgegen gekommen, wenn der Händler ein neues Gerät erst hätte „tunen“ müssen, damit es einwandfrei funktioniere. So habe jeder Käufer die Gewissheit, ein einzigartiges Produkt zu besitzen. Engländer würden einfach keine Geräte „von der Stange“ wollen …

Transrotor

Die Mentalität deutscher Kunden ist bekanntermaßen eine völlig andere. Hier erwartet ein Kunde ein einwandfrei funktionierendes Produkt zu erwerben. Ein Anspruch, dem Großserienhersteller wie Dual oder Thorens problemlos gerecht wurden. Für Räke hieß das, jeden importieren Transcriptors zuerst einmal komplett zu überprüfen und gegebenenfalls funktionsfähig zu machen. Für den gelernten Maschinenbauer kein Problem. Einmal dabei, nahm Räke an den Transcriptors gleich eigene Verbesserungen vor. Durch den engen Kontakt zu David Gammon war darüber hinaus ein fachlicher Austausch gewährleistet – alles andere als eine schlechte Schule. Natürlich betreute Räke seine Kunden auch in Garantie- und Servicefällen. Neben Plattenspielern holte er mit jeder Fuhre aus England auch große Mengen an Ersatzteilen. Auch heute noch ist die Firma „Räke HiFi/Vertrieb“ die erste Adresse, wenn es um die Reparatur oder Instandsetzung alter Transcriptors-Plattenspieler geht – nicht zuletzt aufgrund eines immer noch üppigen Lagers an Original-Ersatzteilen.

Transrotor

Das mit den „Fuhren“ aus England kann man übrigens wörtlich nehmen: Den Transport der Plattenspieler und der Ersatzteile übernahm Jochen Räke persönlich – mit einem extra zu diesem Zweck angeschafften alten Pferdeanhänger. Der bot ausreichend Platz für die nicht gerade kleinen Geräte und weckte keine unerwünschte „Neugier“, so Räke. Den Pferdeanhänger gibt es übrigens heute noch.

Einen deutlichen Anschub bekam das Geschäft 1971, als Jochen Räke das „unwiderstehliche Angebot“ bekam, eine Standfläche auf der IFA zu übernehmen. Die Fläche, die er „geerbt“ hatte, war allerdings riesig – zumindest viel zu groß für den kleinen Importeur, dessen gesamter Warenbestand zu dieser Zeit aus zehn identischen Transcriptors-Plattenspielern bestand. Und an einen aufwändigen Messestand brauchte Räke bei den finanziellen Möglichkeiten seines jungen Unternehmens gar nicht zu denken. Also machte er aus der Not eine Tugend: Aus Brettern wurden neun Podeste zusammengenagelt, ein Tisch organisiert und alles mit schwarzem Molton verkleidet. Auf die Podeste kam je ein Plattenspieler, der von einem Spot angestrahlt wurde. Auf dem Tisch wurde die Vorführanlage aufgebaut, die sich Räke bei den Standnachbarn zusammengeliehen hatte. Ein Stuhl vor den ebenfalls ausgeliehenen Lautsprechern, und fertig war der existenzialistische Messestand …

Transrotor

Und der erregte Aufsehen. Nicht nur aufgrund seiner reduzierten Aufmachung. 1971 war Stanley Kubricks Verfilmung von Anthony Burgess Roman „A Clockwork Orange“ in den Kinos angelaufen – die quasi zum Pflichtprogramm aller Film- und Kulturinteressierten gehörte. Die zentrale Figur des Films, Alex, ist Anführer einer kriminellen Gang und zeichnet sich durch eine außergewöhnliche Brutalität gegenüber seinen Opfern aus. Nebenher pflegt er eine Leidenschaft für Musik, vornehmlich für Beethoven, die ihm im Laufe der Handlung zum Verhängnis wird. Und nun kommt’s: Seine Lieblingsmusik hört er im Film über einen Transcriptors Hydraulic Reference, der in verschiedenen Einstellungen eindrucksvoll in Szene gesetzt wird.

Transcriptors Hydraulic Reference im Film Clockwork Orange
Bösewicht mit Transcriptors Hydraulic Reference im Film
„A Clockwork Orange“

So kam es, dass vor allem die Prominenz aus Funk und Fernsehen, die sich in diesen Jahren auf der IFA ein Stelldichein gab, neugierig Räkes Stand aufsuchte. Wenn Räke hiervon erzählt und auflistet, wer alles seinen Stand besucht hat, leuchten seine Augen. Wobei er zugibt, dass er in vielen Fällen erst später von Standnachbarn erfahren hat, wer da gerade zu Gast gewesen war – die meisten Promis kannte er bis dahin nur dem Namen nach.

Transrotor Fat Bob
Transrotor Fat Bob

Folgen hatte unter anderem der Besuch eines großen, starken Mannes, der selbstsicher auf Räkes Stand Platz nahm und ausgiebig dem Gebotenen lauschte. Dann wandte er sich an Räke und fragte ihn, ob er ihm auch eine ganze Anlage aus Glas bauen könnte. Als Räke bejahte, meinte der Mann nur: „Dann tun sie das!“, stand auf und ging. Räke eilte zum Nachbarstand und fragte, mit wem er es denn da zu tun gehabt hätte. Er erfuhr, dass der Besucher Raimund Harmstorf war, der zu dieser Zeit als Hauptdarsteller des Fernseh-Mehrteilers „Der Seewolf“ höchst berühmt war.

Transrotor Dark Star
Transrotor Dark Star

Als Räke ihm einige Wochen später die gläserne Anlage lieferte – Harmstorf wohnte in einem Gutshof in der Nähe von München –, bescherte ihm das nicht nur ein vom Seewolf höchstpersönlich gebratenes Steak zum Abendessen, sondern auch die Eintrittskarte zur Münchner Schickeria, in die ihn der zufriedene Kunde einführte. Bei diversen gesellschaftlichen Ereignissen machte Harmstorf keinen Hehl daraus, wie zufrieden er mit der Anlage von Herrn Räke war – was Letzterem einige neue Kunden brachte.

Mit dem zunehmenden Erfolg wurde sich Räke immer mehr bewusst, dass er die Qualitätsprobleme der importierten Produkte in den Griff bekommen musste. Längst wurden bei Transcripors eigene Modelle für Räke gebaut, so dass es 1973 dann an der Zeit war, die Unterschiede zu den englischen Modellen durch einen eigenen Markennamen zu kennzeichnen. In Anlehnung an die Transcriptors nannte Räke seine Marke Transrotor …

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Firmenbericht: Transrotor/Räke HiFi

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