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Klangbeschreibung: Accustic Arts Power I MK4

Inhaltsverzeichnis

  1. 2 Klangbeschreibung: Accustic Arts Power I MK4

Accustic Arts Power I MK4

Wenn man zum ersten Mal mit dem neuen Dinosaur-Jr-Album „Give A Glimpse Of What Yer Not“ (auf Amazon anhören) in Berührung kommt, muss man erst einmal aufkichern: Wer hat das denn abgemischt? Hier wurden wieder einmal sämtliche Tonstudiokonventionen über Bord geworfen! Der Song „Be a part“ zeigt es exemplarisch: Schlagzeug und Bass, üblicherweise ja die Basic Tracks, die Songs Rhythmus und Struktur geben, wurden hier einfach mal völlig in den Hintergrund gemischt. Bei Hi-Hat und Becken sind die Höhen vorsätzlich fast vollständig gekappt, die Bassdrum dinosaur jrpumpert irgendwo im Nirgendwo herum, der Bass ist zwar da, aber er bildet rein tonal eben nicht das Fundament, weil er sich offenbar im Studio durch ein Hochpassfilter quälen musste. Ganz anders aber die Gitarren. Wie so oft haben J Mascis und seine Mannen hier wieder fleißig Spuren aufeinandergeschichtet, ein paar links, ein paar rechts – und ebendiese Gitarrenspuren sind die einzigen Klangquellen, die tonal von unten bis nach oben völlig präsent und unverstellt einfach da sind. Ähnlich wie bei späten Alben von Neil Young – zum Beispiel Psychedelic Pill – sind es also die Gitarren, die hier tonal das Sagen, ja die Hauptrolle haben. Sie erzeugen in tiefen Lagen ein herrlich sonores Fundament, schillern farbenfroh in den Mitten und zeigen ganz oben, aber auch bei Feedbacks und Nebengeräuschen der mikrofonierten Amps, viel Glanz und Helligkeit.

Als ich das über meine Audreal-Monoblöcke (Paarpreis knapp 2.000 Euro) hörte, die mit „regelgerecht“ gemischter Kost durchaus brillieren und das eine oder andere Erweckungserlebnis bieten können, hatte ich lediglich ein großes Fragezeichen über dem Kopf: Ganz schöner Soundbrei! Anstrengend. Beim Power I MK4 hingegen zeigt sich, was ein hoher Dämpfungsfaktor (darauf legt man bei Accustic Arts generell Wert), eine exzellente Feinauflösung und eine eisenharte dynamische Kontrolliertheit ausmachen können. Nach dem kurzen, eingangs erwähnten Aufkichern braucht man über den Accustic Arts lediglich wenige Sekunden, um in das ungewöhnliche Sounding der Aufnahme hineinzufinden – doch dann rockt es und macht einfach nur Spaß. Denn: Obwohl man dem Schlagzeug und dem Bass die eigentlich wichtigen Frequenzbereiche – im Studio sprechen wir auch von Formanten – mal eben wegstibitzt und den Gitarrenspuren draufgelegt hat, ist doch noch alles da. Links und rechts schillern, quietschen, perlen die Gitarren glasklar, zugleich besitzen Bass und Drums aber immer noch treibende, nach vorne preschende Kräfte. Hier leistet der Power I MK4 wirklich ganze Arbeit – denn es gelingt ihm trotz des unüblichen Soundings von Schlagzeug und Bass, beide mit dem erforderlichen Nachdruck und der gebotenen Präzision darzubieten.

Accustic Arts Power I MK4

Nun wurde ich experimentierfreudig: Wie würde sich der Verstärker von Accustic Arts mit noch wesentlich unübersichtlicher Kost schlagen? Das 2016 erschienene Doppelalbum The Glowing Man von den Swans (auf Amazon anhören) steht in Sachen klanglicher Komplexität und hypnotisch-kreisender Songstrukturen den beiden vorhergehenden Alben To be Kind and The Seer in nichts nach. Teilweise lärmen hier – inklusive Gastmusiker – mehrswans als 15 Leute gleichzeitig herum. Hier gibt es kein „Intro-Strophe-Refrain-Strophe-Bridge-Refrain-Outro“, hier wird bei den meisten Stücken eine musikalische Idee oder Melodielinie so dermaßen konsequent breitgewalzt – gerne auch mal über zehn Minuten lang – bis der Zuhörer kurz vorm Wahnsinn steht. In dem Moment, in dem man es schier nicht mehr ertragen kann und man schreiend den Raum verlassen möchte, ändern sich urplötzlich die Klangszenarien und der überforderte Rezipient sieht sich von kilometertiefen Hallräumen, kreischenden Dudelsäcken, hysterischen Steel Guitars und finsteren Gesängen verfolgt. Apokalyptisch.

Doch selbst hier behält der Power I MK4 die Übersicht. Im Track „The World Looks Red / The Word Looks Black“ beispielsweise hören wir zunächst eine recht simple Instrumentierung: Bass, zwei Gitarren und Klavier spielen repetitiv die gleichen Melodielinien, eingerahmt von einem sparsamen Schlagzeug, einem periodisch auftretenden Shaker zur Rechten und einem alle vier Takte erklingenden Ridebeckenschlag aus dem linken Lautsprecher. Gemeinerweise spielen aber die Melodieinstrumente stets Figuren mit unterschiedlichen Taktlängen, sodass sich ein stetig mäanderndes rhythmisches „Eiern“ ergibt, weil sich geradzahlige an ungeradzahligen Taktlängen reiben. Teuflisch und nervenzerfetzend. Die einzige Konstante, an der man sich einigermaßen festhalten kann, ist eben dieser eine Ridebeckenschlag. Nun baut sich dieser Song aber in dem mehr als 14 Minuten, die er dauert, konsequent auf, es kommen immer mehr und schrägere Klangquellen hinzu, bis hin zu wabernden Synthesizerklängen, die das anfangs zu hörende Grundgerüst sukzessive verdecken. Und trotzdem bleibt das Ridebecken vernehmlich. Es wird zwar peu à peu überlagert und maskiert, sticht aber aus der Kakophonie weiterhin klar hervor. Ich kenne wenige Verstärker, die eine so klare Übersicht behalten – und vermitteln können, am ehesten fallen mir da noch die Valvet-A4-Monoblöcke ein, die ich vor einem Jahr einmal leihweise zuhause hatte und die ähnlich stoisch (im positiven Sinne) alles zu Gehör bringen, was eben da ist.

Accustic Arts Power I MK4 Gerätefuß

Mal einen Schritt zurückgetreten: Wie macht der Accustic Arts Power 1 das denn jetzt genau? Nun, wie schon oben erwähnt, schöpft er dynamisch wie tonal aus dem Vollen. Es ist ganz klar so, dass er den gesamten hörbaren Frequenzbereich akkurat und gleichberechtigt wiedergibt: Betonungen, Abschwächungen, Verrundungen oder „Lücken“ glänzen durch Abwesenheit – er löst zudem so sauber auf, dass wirklich jedes Detail wahrnehmbar bleibt. Es gelingt ihm, auch dann Instrumente wiederzugeben, wenn sie eigentlich – lautstärkemäßig – von anderen überlagert werden. So resultiert eine friedliche Koexistenz verschiedener Lautstärkeebenen, der Power I MK4 lenkt das Auge – beziehungsweise das Ohr – des Betrachters eben nicht auf die „vorwitzigste“ Schallquelle, sondern lässt die feineren, leiseren oder tonal unauffälligeren ebenfalls zu Wort kommen. Der Accustic Arts schafft es dadurch, komplexes Musikmaterial fein aufzufächern, anstatt es ins Chaos driften zu lassen.

Nun ist unübersichtliche Kost nicht nur eine Domäne der Swans, das konnte auch schon „ye goode olde“ Ludwig van Beethoven (auf Amazon anhören). Eigentlich habe ich es ja nicht so mit Beethoven, vieles von ihm beethovenist mir zu staatstragend und feierlich. Doch was ich gerne mag, ist seine dritte Sinfonie mit dem Beinamen „Eroica“, denn vor allem im letzten Satz, dem Finale, zeigt er sich von seiner kreativsten, richtiggehend spielerischen Seite. Da gibt’s toccatenhafte Fugenelemente, die auch von J.S. Bach hätten stammen können, rasante und fast schon alberne Harmoniewechsel à la Mozart – und nicht zuletzt rührend-volkstümliche Melodielinien wie bei Dvorak oder Brahms. Den Schluss bildet ein ordentliches Beethoven‘sches Tschingderassabumm im strahlenden Es-Dur. Nicht schlecht, auch zum Austesten von Komponenten!

Der Accustic Arts Power I MK zeigt sich ein weiteres Mal als würdiger Mitspieler in der Anlage, denn er macht mehreres richtig gut: Zum einen ist er – wie schon erwähnt – dynamisch versiert: Die häufigen Wechsel zwischen piano und fortissimo nimmt er ungerührt mit, vollkommen mühelos mobilisiert er aus dem Nichts heraus große Lautstärken und agiert ebenso wieselflink wie sonor, als er tiefste Kesselpauken und wütende Celli-Attacken in den Raum fegt. In den fugenartigen Passagen zeigt er wiederum ganz andere Talente: Hier nämlich gibt es recht leise Frage-Antwort-Spiele zwischen Streicherpizzicati und anderen Instrumenten wie Fagotten oder Oboen. Obwohl in der Einspielung, die ich bemüht habe (Berliner Philharmoniker unter Karajan, 1962) recht viel Hall in der Raumakustik mitspielt und die Aufnahme eher durch interpretatorische denn akustische Qualität überzeugt, lassen sich die Instrumente stets unmittelbar und klar identifizieren.

MOSFETs in der Ausgangsstufe des Power 1
MOSFETs in der Ausgangsstufe

Zu guter Letzt gefällt mir, dass – egal in welchem Frequenzband wir unterwegs sind – das Mobilisieren von höheren Energien vollständig ohne tonale Einbußen oder Verzerrungen/Verschiebungen vonstatten geht. Will heißen: Ganz gleich, ob Zimmerlautstärke oder richtig, richtig laut: Im Hörraum kommt wahlweise wenig oder viel Energie an – der Klangeindruck als solcher bleibt dabei aber stets ausgewogen und stimmig; so ausgewogen und stimmig, wie die Aufnahme, das Quellmaterial halt ist. So finden wir bei dem Finale der Eroica unter anderem auch rasante, punktierte Läufe, in denen gerade die Celli richtig hart arbeiten müssen – man hört schon fast die Rupfgeräusche an den Saiten und bangt um die Haarpracht der Cellobögen. Doch ganz gleich, ob die Celli leise säuseln oder voll rangenommen werden: Sie muten stets klar, unverzerrt, unkomprimiert an. Ebenso ist es bei helleren Blasinstrumenten oder Schlagwerk. Ob nun eine Triangel leise zirpt oder die fetten Crashbecken mit Wucht zusammengeschlagen werden – wir haben immer eine durchgehende, stringente Tonalität. Eine zarte Schallquelle klingt vollständig und eine mit hoher Lautstärke wiedergegebene immer noch authentisch.

Apropos: Insgesamt glaube ich übrigens, dass sich die Tonalität zwischen dem MK3 und MK4 auf eine sehr subtile Weise verändert hat. Schien mir der Obertonbereich beim MK3 noch leicht auf der helleren Seite von „neutral“, also nicht hundertprozentig auf der Nulllinie, so empfinde ich ihn jetzt gegenüber dem Vorgänger als einen Hauch, eine Idee zurückgenommen – mithin nun als vollständig neutral. Und im Mittenband meine ich beim MK4 etwas mehr Feinauflösung zu spüren, gerade akustische Gitarren, Stimmen oder Violinen erscheinen mir nun noch akkurater und farbenfroher.

Bei der Darstellung des stereofonen Raums arbeitet der MK4 mit einer erstaunlichen Tiefenwirkung, während die Bühnenbreite eher „konservativ“ anmutet. Bei John Cales und Lou Reeds Album Songs for Drella (auf Amazon anhören) beispielsweise hören wir in dem Song „Open John Cales und Lou Reeds Album Songs for Drella House“ neben der Stimme lediglich eine tiefe synthetische Streicherlinie sowie regelmäßig angeschlagene Klavierakkorde, die genau aus der Mitte, jedoch zugleich der Tiefe des Raums zu kommen scheinen. Die räumliche Separation der Schallquellen ist sehr präzise und erscheint mir dabei zugleich realistisch. Es gibt Verstärker, die noch mehr „Luft“, mehr Raum um die Musiker herum lassen, sie weiter voneinander separieren. Beim Amp von Accustic Arts geht’s ein wenig kompakter, aber zu keiner Zeit beengt zu.

Dafür entsteht beim Accustic Arts MK4 tatsächlich der Eindruck, das Klavier stünde viele Meter weit hinter den Lautsprechern, während die stereofone Streicherlinie anscheinend seitlich von den Lautsprechern begrenzt wird. Wenn ich das Stück hingegen über meine Monoblöcke von Audreal höre, dehnt sich der Raum horizontal beeindruckend weit über die Lautsprecher hinaus aus, während das Klavier wiederum etwas näher heranrückt. Was ist besser? Geschmackssache – aber der Unterschied tritt recht deutlich zutage.

Lautstärkepotenziometer ist von Alps
Das Lautstärkepotenziometer ist von Alps

Allerdings liefern die Audreal-Röhrenmonoblöcke im Tiefbass merklich weniger dynamische Kontrolle als der Accustic Arts Power 1, die tiefen Streicherlinien setzen verhaltener ein, die Zeitpunkte ihres Ausschwingens lassen sich weniger exakt festmachen. Im Obertonbereich machen die Monoblöcke zudem „füher zu“, sie erfüllen hier einmal tatsächlich das nicht totzukriegende Röhrenklischee der abgesofteten Frequenzgangenden.

Wenn ich den Accustic Arts Power I MK4 schließlich mit meinem Referenzverstärker Abacus Ampollo vergleiche, so finde ich hingegen mehr Ähnlichkeiten, beispielsweise was die generelle Tonalität angeht. Insgesamt – so konstatierte ich ja auch schon in meiner Rezension aus dem Jahr 2013 – behält der Accustic Arts Verstärker aber einen besseren Überblick, sobald das Musikmaterial komplex wird. Lautes neben Leisem, parallel spielende Instrumente in ähnlichen Frequenzbereichen, aber mit unterschiedlichen Formanten: Hier spielt der Accustic Arts seine Stärken wie beschrieben voll aus und trennt solcherart Klangquellen und -eindrücke besser voneinander; ein Talent, das in Relation zum Abacus Ampollo umso mehr zum Vorschein kommt, je lauter man hört. Hier lassen sich einfach irgendwie mehr Reserven fühlen. Hinsichtlich der Raumdarstellung leuchtet der Accustic Arts zudem noch einen gefühlten Meter weiter in die Tiefe aus.

Lautsprecherterminal

Experimente mit anderen Lautsprechern zeigen, dass der Power 1 MK4 ein echter Allrounder ist. Neben der Tannoy Turnberry Gold Reference habe ich auch einmal die Kompaktlautsprecher Quadral Rondo angeleint – aber auch die kleinen Nubert nuBox 101, die ich üblicherweise über einen Trends Audio TA 10.2 an meinem Fernseher betreibe. Mit beiden Wandlern verträgt sich der Power 1 MK4 ausnehmend gut. Aufgefallen sind mir vor allem bei der Paarung mit den kleinen Nubert-Lautsprechern die wirklich stupende Raumtiefe und die feine, klar definierte Abgrenzung der Schallquellen im Stereo-Panorama. Selbst wenn es auf den ersten Blick unsinnig erscheint, Lautsprecher mit einem Verstärker zu paaren, der etwa das Zwanzigfache kostet: Interessanterweise stößt der Amp von Accustic Arts den Hörer eben nicht auf die Unzulänglichkeiten oder Limitierungen seiner Mitspieler (in diesem Fall: naturgemäß dünnere Basswiedergabe bei den kleinen Kompaktboxen), vielmehr ergibt sich eine Art von Symbiose und positiver Verstärkung der Pluspunkte (vergleichsweise gute Räumlichkeit).

Aus der Rubrik „Lost und found“ wäre noch mitzuteilen, dass es sich lohnt, mit den Eingängen zu experimentieren. Witzigerweise klang es mit meinem C.E.C. CD5 CD-Spieler/DAC über die unsymmetrischen Cincheingänge wesentlich klarer und stimmiger, während mein B.M.C. Audio PureDac über XLR den besseren Klang lieferte. Ob’s da um ein Eingangs-/Ausgangsimpedanz-Matching ging? Keine Ahnung, aber probieren Sie in jedem Fall beide Varianten aus. Und: Der Kopfhörerverstärker ist klasse – keine notgedrungene Beigabe, sondern eine eigenständige Schaltung, die sauber, offen und transparent klingt. Prima!

Accustic Arts Power I MK4

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H-E-A-R Devore

Test: Accustic Arts Power I MK4 | Vollverstärker

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