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Test: Lindemann musicbook:55 | Endstufe

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  1. 1 Test: Lindemann musicbook:55 | Endstufe

April 2015 / Jörg Dames

Für Endstufen gilt in mancher Hinsicht das Gleiche wie für Oberarme: „Je dicker, desto schicker oder zumindest kraftvoller“, scheint für viele das Motto zu lauten. Und wenn ich mich mit Endverstärkern auch deutlich besser auskenne als mit Oberarmen, würde ich behaupten, dass solche Aussagen generell auf wackligen – bleiben wir im Bild – Füßen stehen. In meinem Bekanntenkreis gibt’s beispielsweise jemanden, dessen Oberarme im Grunde keinerlei optische Auffälligkeiten aufweisen, der aber auf Anhieb zwanzig Klimmzüge schafft – und zwar die schwierigen, bei denen man beim Umklammern der Stange mit den Fingern nach vorne greift. Probieren Sie mal nur fünf davon … und lassen uns gerne einen Leserbrief mit Videoanhang zukommen, wenn Sie das auf Anhieb schaffen.

In Sachen Endstufen möchte ich mir an dieser Stelle weitere Vorüberlegungen sparen und im Verlauf dieses Testberichts lieber unsere Probanden, die Lindemann musicbook:55, zu Wort kommen – oder besser: Klimmzüge veranstalten – lassen. Denn physisch gehen die kleinen, jeweils gerade mal 28 x 22 x 65 Zentimeter (BxTxH) messenden und 3,7 Kilogramm wiegenden Class-D-Quader eben gerade nicht als augenfällige Muskelmänner durch, was die Übungseinheiten im Hörraum umso herausfordernder und mithin spannender gestalten sollte.


Hinein geht‘s für die Musiksignale wahlweise per Cinch oder XLR – die Lindemann Musicbook:55 sind vollsymmetrisch aufgebaut

Spannend ist dabei nicht zuletzt auch die Flexibilität der schicken Flachmänner (www.lindemann-audio.de): Mittels einer kleinen Stellschraube kann an der Geräterückseite zwischen drei Betriebsarten gewählt werden. Die Lindemann lassen sich als Stereoendstufe (dann braucht man, logo, nur einen 55er) oder als Monos – und das entweder im Bi-Amping- oder Brücken-Betrieb – fahren. Bi-Amping bietet sich an, sofern die zu befeuernden Lautsprecher über entsprechende Anschlussterminals verfügen. Die Ausgangsleistung der Lindemann musicbook:55 ist aber so oder so als recht amtlich zu bezeichnen und bewegt sich je nach gewähltem Modus zwischen maximal 2 x 240 und 2 x 450 Watt an 4 Ohm. Im Normalbetrieb sollte das freilich selten ausgeschöpft werden, was nicht zuletzt dazu führt, dass ein einzelnes Lindemann Musicbook:55 bei normalen Pegeln nicht mehr als genügsame 20 Watt verköstigt – Class-D macht’s eben möglich.

In diesem Zusammenhang wirkt es fast schon übermotiviert, dass sich die „Musikbücher“ nach einer Weile automatisch ausschalten, sofern kein Signal anliegt, insbesondere, weil dieser Automatismus nicht deaktivierbar ist. Allerdings funktioniert das automatische Ein/Aus in praxi tadellos – zudem sind die Lindemänner auch „kalt“ (ja, sie werden tatsächlich handwarm im Betrieb) klanglich auf der Höhe und entfalten auch ohne längeres Warm-up ihr Potenzial.


Das musicbook:55 verfügt über zwei Paar Lautsprecheranschlüsse, dadurch können Lautsprecher mit Bi-Wiring-Terminal auch im Bi-Amping-Modus gefahren werden

Auch wenn wir dieses Thema auf fairaudio schon öfter behandelt hatten, noch ein paar grundsätzliche Worte zum Thema Class-D: Diese Technologie ist entgegen mancher Vorurteile mitnichten per se digital (allerdings gibt es auch digitale Varianten, wie etwa von NAD). Sie ähnelt zwar wegen lediglich zwei grundsätzlich möglicher Schaltzustände der Digitaltechnik, allerdings definiert bei der meist vorzufindenden Pulsweiten-Modulation (PWM) die beliebige Werte annehmende Dauer der Einschaltzustände das Musiksignal, was eben einem stetig verlaufenden (analogen) und nicht diskreten (digitalen) Wertebereich entspricht.

Bei der Unterscheidung zwischen klassischen und Class-D-Verstärkerschaltungen wäre es laut Norbert Lindemann, dem Chefentwickler der bayrischen Audio-Manufaktur, dann auch „[…] eher sinnvoll, von linearen Schaltungen und modulierenden Schaltungen zu sprechen als von analog und digital. Weder ist ein PWM-Verstärker digital im Sinne von PCM-Technik, noch werden Sie in der Schaltung selbst ein Digitalsignal messen können. Im Grunde sind beide Prinzipien auf analoger Technik aufgebaut. Während das PWM-System sofort Energie auf den Integrator schiebt (durch einfaches Schalten), reagiert ein lineares System träger (durch das Regelverhalten der Gegenkopplung und auch die thermischen Eigenschaften der Ausgangstransistoren). Wir sehen den Vorteil eines PWM-Verstärkers vor allem im Zeitbereich. Die Signalflanke eines Impulses kann ein PWM-Verstärker sehr viel schneller ‚umsetzen‘ als ein linearer Verstärker.“

Bei der Wahl des Class-D-Moduls entschied sich das Lindemann-Team nicht für eines aus der Riege der „üblichen Verdächtigen“, sondern für ein patentiertes Konzept des Holländers Rudi Jonkmann, eines früheren Kollegen von Bruno Putzey (heute Hypex) bei Philips, das komplett mit diskreten Bauteilen realisiert wurde. Die Vorteile, so Nobert Lindemann, seien unter anderem ein frequenzunabhängiger Dämpfungsfaktor und Innenwiderstand der Schaltung, weshalb der Verlauf der Lautsprecherimpedanz – eine typische „Baustelle“ gerade älterer Class-D-Konzepte – für den Frequenzgang der musicbook:55 keine Rolle spiele. Dennoch stuft er Lautsprecherimpedanzen über drei beziehungsweise fünf Ohm im Brückenbetrieb als durchaus empfehlenswert ein. Im Bi-Amping-Modus könne man die 55er aber auch mit noch niedrigeren Impedanzen „quälen“.

Bevor wir uns in den Hörparcours stürzen, sei noch darauf hingewiesen, dass die Lindemann musicbook:55 hörbar darauf reagieren, „wie herum“ man den Netzstecker in die Steckdose bugsiert. Mit der Frage nach dem „Warum“ kontaktierte ich nach den ersten Hörtagen noch einmal Norbert Lindemann per E-Mail:

„Die Netzphase hat bei den musicbook:55 einen recht starken Einfluss aufs Klangbild, wie ich finde. Liegt diese am inneren, zur Gerätemitte zeigenden Pin der 55er, klingt es harscher und räumlich enger. Hätte ich bei Class-D gar nicht so hörbar erwartet …“

Die Antwort: „Das ist richtig, die richtige Phase ist außen. Bei einem Schaltnetzteil ist das nicht unerwartet, da netzteilintern eine bestimmte Seite des Stromnetzes mehr Ableitstrom auf den Schutzleiter legt als die andere. Das liegt an den Maßnahmen im Hinblick auf die ‚Elektromagnetische Verträglichkeit‘, genauer an den Entstörkondensatoren und nicht an der Koppelkapazität wie bei einem Ringkerntrafo. Wenn man genau hinschaut, ist auch das Messergebnis mit einem Audio Precision bei richtiger Netzpolung etwas besser.“

Okay, dann mal Stecker rein, auf die „richtige“ Phase geachtet – und los geht’s!

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Test: Lindemann musicbook:55 | Endstufe

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