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Test: AKG K872 | Kopfhörer, Over-/On-Ears

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  1. 1 Test: AKG K872 | Kopfhörer, Over-/On-Ears

Dezember 2016 / Martin Mertens

Nachdem AKG vor drei Jahren den offen konstruierten Studiokopfhörer K812 als Topmodell auf den Markt gebracht hat, folgt mit dem K872 jetzt ein neuer, geschlossener Profikopfhörer. Da ist es natürlich spannend zu hören, zu welchen klanglichen Höhenflügen sich der große Closed-back-AKG aufschwingt.

AKG gehört zu den sehr traditionsreichen Kopfhörer-Herstellern. Die 1947 in Wien gegründete Firma „Akustische und Kino-Geräte“ kümmerte sich zunächst um die Reparatur und Instandhaltung von akustischen Anlagen in Kinos. Schon im Gründungsjahr begannen die Österreicher allerdings damit, Mikrofone für den Rundfunk zu fertigen und 1949 kamen Kopfhörer dazu. Seit 1993 gehört AKG zum amerikanischen Harman-Konzern, dem auch Marken wie Harman Kardon, JBL oder Infinity zuzurechnen sind.

AKG K872

Das macht die Sache in Hinblick auf AKG-Kopfhörer ein wenig unübersichtlich, denn Harman nutzt den Markennamen AKG zum einen, um darunter stylishe Consumer-Kopfhörer anzubieten. Die werden aber nicht bei AKG in Wien, sondern in einer eigenen Division bei Harman entwickelt, die für alle Consumer-Produkte des Konzerns verantwortlich zeichnet; die Fertigung dieser Massenmodelle erfolgt meist in Fernost.

Zum anderen gibt es die Produkte der AKG-Profi-Sparte, die weiterhin am traditionellen Standort in Wien entwickelt werden. Dabei handelt es sich in erster Linie um Mikrofone und Kopfhörer, aber auch um Spezialitäten wie Aviation-Headsets. Je nach Produktionsmenge erfolgt die Fertigung in Wien, in Osteuropa oder ebenfalls in Fernost, wobei für die Qualitätssicherung generell die Österreicher zuständig sind. Der Vertrieb der Profi-Produkte von AKG erfolgt über eine eigene Schiene und liegt in Deutschland in den Händen von Audio Pro aus Heilbronn (www.audiopro.de).

Der K872 ist nun so ein Produkt aus AKGs Profi-Sparte. Während die ersten Modelle des offenen K812 noch mit einer Fertigungstiefe, die vom Formen der Membranen aus einer speziellen, zweilagigen Folie über das Wickeln der Schwingspulen bis hin zur Endmontage der kompletten Kopfhörer reichte, in Wien produziert wurden, hat Harman die Produktion inzwischen in die AKG K782Slowakei verlegt, wo größere Stückzahlen gefertigt werden können. Erfreulich für den Endkunden: Auch wenn Audio Pro als unverbindlichen Verkaufspreis für den K872 1.899 Euro angibt, liegt der tatsächliche Marktpreis unter 1.400 Euro.

Was es mit offenen und geschlossenen Kopfhörern auf sich hat, können Sie im Lexikon von fairaudio nachlesen. Während für viele Musikliebhaber neben der Vorteile der geschlossenen Systeme im mobilen Einsatz vor allem die Unterschiede auf der klanglichen Ebene interessant sind, werden offene und geschlossene Modelle im Studio meist für verschiedene Aufgaben eingesetzt. Geschlossene Kopfhörer kommen vor allem zu Monitor-Zwecken zum Einsatz. Da die geschlossene Bauweise schallisolierend ist, gelangt wenig bis kein störender Außenschall an die Ohren des Trägers; umgekehrt gelangt Schall nicht aus dem Kopfhörer heraus, etwa zu einem Mikrofon, wo er Dopplungen oder Rückkopplungen erzeugen würde. Sänger tragen bei Aufnahmen im Studio deshalb grundsätzlich geschlossene Kopfhörer.

Toningenieure bevorzugen beim Mixen und Mastern dagegen meist offene Kopfhörer. Die erzeugen im Bass selten so einen Druck wie viele geschlossene Modelle es tun und sind damit oft langzeithörtauglicher. Auch heiße Ohren bekommt man mit offenen Kopfhörern seltener, weil sich in ihren Gehäusen Wärme nicht so stauen kann wie in geschlossenen. Insgesamt sind offene Modelle deshalb meist besser für lange Hörsessions geeignet. Wenn AKG nun also dem fürs Mixing und Mastering bestimmten K812 den geschlossenen K872 zur Seite stellt, dann wohl hauptsächlich, um auch fürs Monitoring einen Kopfhörer der Spitzenklasse anzubieten. Aufgrund der anderen Bauweise ist jedoch zu erwarten, dass er auch anders klingt. Ok, zu den Höreindrücken kommen wir später …

AKG K782

Zunächst noch ein paar Worte zum Kopfhörer selbst. Auch hier kommen die von AKG entwickelten dynamischen Treiber mit 53 mm Durchmesser zum Einsatz, die erstmals im K812 verwendet wurden. Branchenüblich sind Treiber mit 40 mm Durchmesser. Die Membranen werden von einer Schwingspule mit 36 Ohm angetrieben, die in einem Magnetfeld mit 1,5 Tesla magnetischer Flussdichte schwingt. 1,5 Tesla sind zurzeit wohl das in diesem Bereich maximal Machbare. Ich kenne aktuell keinen dynamischen Kopfhörer, der es hier auf eine noch höhere Feldstärke bringt.

Mit einem Wirkungsgrad von 112 dB im Zusammenhang mit seiner 36 Ohm Impedanz kann man den K872 auch problemlos an mobilen Geräten betreiben. Ob irgendein Smartphone diesen Kopfhörer klanglich allerdings auch nur ansatzweise auszureizen vermag, wage ich dezent zu bezweifeln. Aber es gibt ja wirklich extrem hochwertiges mobiles Equipment, sowohl zum Hören als auch für Aufnahmezwecke. Da macht es gerade bei einem Monitor-Kopfhörer Sinn, wenn er auch problemlos an Elektronik betrieben werden kann, die mit den bei Akkus üblichen niedrigen Spannungen arbeitet. Das mitgelieferte 3 Meter lange Kabel ist folgerichtig mit einem 3,5-mm-Klinkenstecker samt Adapter auf die große 6,3-mm-Klinke ausgestattet. Kopfhörerseitig erfolgt der Anschluss des Kabels über hochwertige Lemo-Stecker – das ist einerseits lobenswert, andererseits recht selten. Wer Kabel von Fremdherstellern verwenden will, wird sich ein geeignetes Exemplar anfertigen lassen müssen. AKG bietet alternativ lediglich ein kurzes 1,4-m-Kabel an.

Limo-Stecker
Kabel nehmen über Lemo-Stecker Kontakt zum AKG K872 auf

Das mitgelieferte Zubehör ist eher spärlich. Anstelle eines Kopfhörerstativs wie beim offenen K812 liefert AKG den K872 in einem sehr soliden Hardcase zur Aufbewahrung und für den Transport aus. Sehe ich ein, denn während der K812 wohl eher stationär im Studio eingesetzt und dort in Griffweite des Mischpultes aufbewahrt wird, muss der K872 seinen Dienst bestimmt öfter „on location“ tun. Das Hardcase ist recht groß und bietet Platz fürs Kabel und den 6,3-mm-Adapter. Allerdings scheint AKG hier den Hardcases vom MrSpeakers Konkurrenz machen zu wollen, denen ein amerikanisches Magazin schon den Preis für das hässlichste Case der Kopfhörerbranche verliehen hat – nicht ohne den Vorteil zu erwähnen, dass niemand einen Kopfhörer in so einem Behälter klauen wird. Aber Geschmack ist nun mal subjektiv.

Das Kopfband des AKG K782
Das Kopfband des AKG K872

Nicht ganz so subjektiv ist die Passform, und die ist beim AKG K872 erstklassig. Das breite, mit luftigem Mesh-Gewebe gepolsterte Kopfband fängt das Gewicht von 390 Gramm bequem ab und der Anpressdruck der Ohrpolster ist gering. Was allerdings bedeutet, dass Sie beim Hören mit dem AKG das Headbangen besser bleiben lassen. Und auch fürs Fitness-Work-out eignet er sich weniger – so fest sitzt er einfach nicht auf dem Kopf. Die kardanischen Gelenke, mit denen die Gehäuse am Kopfbügel befestigt sind, erlauben eine gute Anpassung an die Kopfform, sodass die üppigen Ohrpolster immer dicht aufliegen. Unter ihnen herrscht so viel Platz, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass jemand seine Ohren hier nicht komfortabel untergebracht bekommt.

Hier passen wohl alle Ohren rein
Hier passt wohl jedes Ohr hinein

Das Kopfband bietet darüber hinaus einen weiten Verstellbereich, insofern sollte wirklich so gut wie jeder mit der Passform des K872 zurechtkommen. Trotz der recht wuchtigen Konstruktion halten sich mechanische Störgeräusche beim AKG K872 in Grenzen. Ob die ausladende Kopfbügelkostruktion bei Außeneinsätzen anfällig für Windgeräusche ist, habe ich nicht ausprobiert. Kabelgeräusche machen sich kaum bemerkbar und die Gelenke verhalten sich lautlos.

Mit seinem empfohlenen Verkaufspreis von knapp 1.900 Euro erhebt der AGK K872 den Anspruch, zur absoluten Spitzenklasse der weltweit angebotenen Kopfhörer zu gehören. Klar, der Kopfhörer-Euphorie der letzten Jahre haben wir es zu verdanken, dass auch mal locker 5.000 Euro für einen Hörer ausgegeben werden können, von den aktuell knapp 60.000 Euro, die Sennheiser mittlerweile für den HE 1, vulgo den neuen Orpheus, aufruft, mal ganz abgesehen. Die meisten in diesen Preisgefilden angebotenen Kopfhörer werden freilich offen gebaut.

Der AKG bietet einen weiten Verstellbereich
Der AKG bietet einen weiten Einstellbereich

Geschlossene Modelle um die 2.000 Euro fallen mir nur wenige ein. Der magnetostatische Audeze LCD XC liegt aktuell etwas oberhalb dieser Marke. Der ebenfalls magnetostatische MrSpeakers Ether C ist preislich gleichauf mit dem AKG K872, darf aber wegen seiner geringen Bekanntheit und Verfügbarkeit als Exot gelten und ist aufgrund diverser Updates, die man teilweise selber nachrüsten kann, eher als „work in progress“ denn als ernsthaftes Arbeitsgerät zu betrachten. An dynamischen Kopfhörern knapp unterhalb von 2.000 Euro fällt mir ansonsten noch der Fostex TH-900 ein, aber der ist ganz klar ein Genuss-Kopfhörer, welcher sich ein gewolltes Maß an Sound gönnt und bestimmt nicht als neutrale Studio-Benchmark durchgeht – auch wenn er mit seinem Charakter klanglich durchaus zu gefallen weiß. Nimmt man den „Straßenpreis“ des K872, wäre noch ein Beyerdynamic T 5 p der aktuellen Generation vergleichbar, der allerdings als reiner HiFi-Kopfhörer vermarktet wird.

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Test: AKG K872 | Kopfhörer

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