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Klangeindrücke mit dem Transrotor Figaro

Inhaltsverzeichnis

  1. 2 Klangeindrücke mit dem Transrotor Figaro

Transrotor Figaro

„Giunse alfin il momento“

Die Beschäftigung mit dem Transrotor Figaro hat mich in gewisser Weise wieder für die Themen Mechanik und elektrisch-physikalische Effekte geerdet: Der Tonabnehmer hatte schon gut 50-60 Stunden Spielzeit hinter sich, bevor er es sich auf meinem Plattenspieler gemütlich machen durfte, sodass ich eigentlich von einer ausreichenden Einspielzeit ausging, als er zum ersten Mal seine Signale an die Neukomm MCA112S Phonovorstufe (um 3.000 Euro) lieferte. Die ersten Resultate an der ab Manufaktur mit einem Abschlusswiderstand von 350 Ohm für mein ZYX optimierten Neukomm waren jedoch eher ernüchternd. Relativ langsam, dicklich und schwer, ohne die von MC-Tonabnehmer dieser Klasse erwartbaren Ergebnisse in Sachen Glanz und Auflösung tönte es. Ein Problem des Widerstandes? Also schnell die flexible Sonneteer Sedley USB (um 1.200 Euro) ans Netz und warmlaufen lassen. Aber bevor eine weitere ernsthafte Betrachtung erfolgt, lasse ich noch so einige Plattenseiten in aller Stille durchlaufen, bis das Transrotor Figaro es auf weitere mindestens 20 Stunden mit der Nadel auf der Platte gebracht hat – ein Bauchgefühl.

Transrotor Figaro
Überraschung: Im Deckel der Verpackung steckt …

Nach dieser zusätzlichen Einspielzeit und auf die empfohlenen 100 Ohm eingestellt, offenbart das Transrotor Figaro an der Sonneteer Sedley einen etwas sonnigeren, luftigeren Charakter als zuvor: Das Klangbild hat an Schwere verloren, Becken und Glöckchen funkeln mit mehr Glanz, und im Mittelton gesellen sich zur von Beginn an vorhandenen tonalen Farbigkeit nun auch eine gewisse Transparenz und die zuvor vermisste Agilität. Mit jeder zusätzlichen abgespielten Plattenseite gewinnt die Wiedergabe ein wenig mehr an Offenheit – doch so recht mag es immer noch nicht passen. Ich habe mich wohl schon zu sehr an die Qualitäten der Neukomm gewöhnt, und so gut die Sonneteer Sedley in ihrer Preisklasse auch ist, an die MCS112A kommt sie nicht heran, das ist unstrittig.

Überraschung: Im Decke der Verpackung steckt ein metallener Singlepuck!
… ein metallener Singlepuck!

Zurück also an das unscheinbare Schweizer Kistchen. Was jetzt, nach gut über 100 Stunden Spielzeit, aus dem Transrotor Figaro kommt, ist erstaunlich: Jegliche Schwere, Trägheit oder Wattigkeit ist verschwunden, endlich fließt die Musik wie befreit von Fesseln. Woran liegt’s? Okay, die absolute Qualität der Neukomm MCA112S gegenüber der Sonneteer Sedley ist wie gesagt deutlich höher, aber was war denn nun mit der Impedanz? Um deren Einfluss zu überprüfen, stelle ich die Sedley annähernd auf die 350 Ohm der MCA112S ein und höre mit verschiedenen Abschlusswiderständen. Und um ehrlich zu sein, sind die klanglichen Auswirkungen eines Abschlusses des Figaro mit 100 Ohm, 220 Ohm und 470 Ohm marginal – keinesfalls auch nur ansatzweise im Bereich der klanglichen Unterschiede zwischen 50 und über 100 Stunden Einspielzeit. Das Figaro braucht also vor allem: Zeit. Und wenn es die hatte, erweist es sich – soviel vorweg – als tadelloser Allrounder, dem beim besten Willen nicht am Zeug zu flicken ist. Das heißt aber auch, dass Menschen, die gerne eine stark ausgeprägte eigene Note suchen, vielleicht lieber woanders suchen sollten …

Das Bessere ist des Guten Feind

Was sich erst mal wie eine der ältesten HiFi-Test-Plattitüden liest, ist hier – das muss ich mir eingestehen – umso mehr wahr. Dachte ich nach dem Wechsel vom an sich schon fantastischen Lyra Delos (um 1.300 Euro) zum ZYX R100 Fuji noch, so etwas wie den Heiligen Gral der Tonabnehmer für mich gefunden zu haben, so macht mir das Transrotor Figaro MC mit jeder weiteren Plattenseite klar, dass es in fast allen Belangen eben doch noch mal ein wenig besser geht. Konkret bedeutet das zuallererst mal, dass ein zuvor eigentlich fast gar nicht bemerkter Grauschleier vom Klangbild entfernt wird. Das gesamte akustische Geschehen Romeo and Julietwirkt klarer, sauberer, feinkörniger, präziser und umrissschärfer – aber nicht technokratischer – als mit dem an sich tadellosen Fuji. Auf Romeo and Juliet (Mercury SR90315) spielt das Minneapolis Symphony Orchestra unter Stanislaw Skrowaczewski „The Montagues and the Capulets“ in eindeutig voneinander abgegrenzten Instrumentengruppen, die zwischen sich viel Luft vorfinden. Faszinierend ist dabei, dass selbst auf der Mikroebene, also zum Beispiel in der Streichergruppe selbst, einzelne Instrumente besser heraushörbar sind – dabei entwirft das Transrotor Figaro das gesamte Klangbild nicht wirklich größer als das ZYX, doch fransen die einzelnen Schallereignisse etwas weniger aus, wirken kompakter abgebildet und somit besser identifizierbar. Ich führe das auf eine höhere Verzerrungsfreiheit zurück, die die Essenz des Klangs besser zur Geltung kommen lässt. So entdecke ich ein ums andere mal neue musikalische Details, die mir zuvor verborgen geblieben waren hinter einem – wenn auch nur minimalen – Schleier.

Sicher ist sicher: Figaro-MC mit Nadelschutz
Sicher ist sicher: Figaro-MC mit aufgesetztem Nadelschutz

Wenn ich mich an das Lyra Delos zurückerinnere, dann geriet das Klangbild dort zwar tonal ähnlich neutral, dabei aber weniger dynamisch und organisch atmend, glatter gebügelt und musikalisch weniger involvierend. Neben der eindeutig besseren Auflösung des Figaro lässt sich als Ursache gerade für letzteren Umstand auch die auf den Punkt gebrachte Reproduktion von Klangfarben ausmachen, die sich nicht als definierendes Merkmal ins Rampenlicht stellt, es aber sehr einfach macht, auch Solo-Instrumenten andachtsvoll zu lauschen, die man ansonsten eher gelangweilt „überhören“ möchte, um schnell wieder zu klanglich aufregenderen Stellen zu kommen. Die Obertöne eines Fagotts zum Beispiel arbeitet das Figaro so schön und natürlich eingewoben heraus, dass es eine Freude ist, den Hallfahnen im Aufnahmeraum nachzuhorchen.

Apropos Raum: Der ist da, und zwar auf eine subtil-unaufdringliche Weise. Auf der genannten Aufnahme spielt das Minneapolis Symphony Orchestra in einem deutlich wahrnehmbar Simon and Garfunkelabgegrenzten Raum, dem Auditorium der Edison High School in Minneapolis. Simon and Garfunkel hingegen stehen eindeutig auf einer riesigen Bühne im Central Park unter freiem Himmel, während die intime Atmosphäre in der Stockholmer Bar Stampen auf „Jazz at the Pawnshop“ Lust auf ein Glas „Stockholm Festival Starköl“ macht. Die Übermittlung dieser Informationen geschieht nonchalant und in allen Dimensionen ohne erkennbare Grenzen. Das Besondere daran ist, dass auch an den Rändern des Klangbilds in Sachen Abbildung Stabilität herrscht – Instrumente und Hall gleichermaßen weichen und blähen nicht auf, wabern nicht herum und werden auch nicht Jazz at the Pawnshopkleiner dargestellt als sie es in der Mitte der Bühne wären. Der Effekt ist für mich ziemlich erhellend, denn bisher war mir gar nicht wirklich bewusst, dass diese Schwäche in meiner analogen Kette bestand … Besonders hervorzuheben ist die Fähigkeit des Figaro, Schallereignisse präzise und mit realistischen Größen- und Entfernungsbeziehungen im jeweiligen Aufnahmeraum darzustellen und dreidimensional greifbar in den Raum zu projizieren – weder das auf diesem Gebiet schon sehr gute ZYX noch mein altes Delos können in dieser Disziplin mithalten.

Transrotor Figaro

Mit Voivods Über-Album Nothingface, einem der meiner Meinung nach bestproduzierten Heavy-Metal-Alben überhaupt, kann das Transrotor Figaro neben der bereits erwähnten Reinheit des Klangs vor allem zwei weitere Dinge beweisen: Seine Schnelligkeit und seine Differenzierungsfähigkeit (hier insbesondere im Kickbassbereich). Noch nie (!) habe ich den Anschlag der Schlegel auf dem Bassdrumfell so klar abgehoben vom knurrig und leicht angezerrt aufgenommenen Bass erlebt, der sich mit einer deutlich gesteigerten Nachvollziehbarkeit seiner komplizierten Voivods Über-Album „NothingfaceTonfolgen bedankt. Mit meinem ZYX R100 Fuji treten die Schallereignisse mit etwas weniger dreidimensional ausgearbeitetem Relief zutage, und wieder legt es einen leichten Unschärfeschleier über das auch grobkörniger wirkende Klangbild. Dies wäre absolut gesehen gar kein Reibungspunkt, im direkten Vergleich zum Figaro aber fällt es auf.

Sehr schön nachvollziehbar ist die Schnelligkeit des Figaro auch auf Yellos Album Zebra, dessen Synthiegemälde das Transrotor mit einer prononcierten Attacke reproduziert, die ich zuvor auf der Vinylversion des Albums noch mehr vermisst hatte als auf der CD. Zu weich und soft geriet mir die Wiedergabe des insgesamt überragend gut produzierten Elektrokrachers auf beiden Medien bisher. Das Figaro schafft es nun, Impulse und Transienten nicht nur äußerst flott und geradezu schwerelos im Ansatz in den Hörraum zu schleudern, sondern sie auch plastisch greifbar – quasi im Widerspruch zur leichtfüßig anmutenden Geschwindigkeit – mit größerer Masse, mehr Gewicht, skulptural und reliefartig im dreidimensional greifbaren Raum zwischen, über und hinter den Lautsprechern zu modellieren – ja, zu manifestieren.

Transrotor Figaro

Noch mehr Anhörungsmaterial gefällig? Bitteschön: Madonnas „Die Another Day“ vom Album American Life. Der Titelsong des gleichnamigen James-Bond-Films hat mich schon bei seiner Kinopremiere fast vom Sessel gehauen: Er ist ein Fest für Fans des brachialen, zerhackt anmutenden, unvorhersehbar abrupten Analogsynthiesounds von Produzent Mirwais und bei entsprechender Lautstärke dazu angetan, sensible Seelen in eine verwirrte Schutzhaltung zu zwingen. Unglaublich, mit welcher ansatzlosen Lässigkeit aus dem schwarzen Hintergrund heraus die irrsten und verschwurbeltesten Synthieklänge (auch gegen Ende des nachfolgenden Tracks „Easy Ride“) ihren Weg in die Gehörgänge des Zuhörers fräsen!

Beide letztgenannten Alben offenbaren aber auch eine weitere Sahneseite des Transrotor Figaro: den tiefen und druckvollen Bass, der auf der ehrlichen und kontrollierten (nicht fetten) Seite bleibt, dabei aber ein hohes Maß an inhärenter Energie besitzt und bis in den unteren Mittelton hinein einen zupackenden, kräftigen Grundcharakter definiert. Er dient gleichsam als Grundlage für ein sehr stabiles, integres Klangbild, das selbst bei heftigsten Dynamikattacken nicht komprimiert, nicht aufbricht und nicht ausfranst. Dadurch erlaubt das Figaro dem Zuhörer, sich entspannt zurückzulehnen und einfach zuzuhören; er oder sie kann sich sicher sein, dass das Transrotor-System mit was immer auch kommen mag, problemlos zurechtkommen wird.

Farblich klar markierte Anschlusspins
Farblich klar markierte Anschlusspins

Das Thema Tonalität können wir mit dem Stichwort „kräftig, aber neutral“ eigentlich recht schnell abhandeln – eine ausgeprägte Präferenz oder Vernachlässigung eines Frequenzbandes wäre in dieser Preisklasse aber auch ein Ausschlusskriterium. Das Transrotor Figaro zeigt dementsprechend keine Verfärbungen oder störende Überhöhungen, und es unterschlägt auch nichts. Chick Corea & FriendsDer ausgewogene Charakter des Mittel- und Hochtons mag im Vergleich zu einigen „effektvoller“ getunten Tonabnehmern im ersten Moment ganz oben herum leicht zurückgenommen wirken, doch beweist schon der Track „Bouncin‘ with Bud“ von Chick Corea & Friends (Album: Remembering Bud Powell), dass dieser Eindruck täuscht. Selten habe ich das Ride-Becken so strahlend und die Bläser mit mehr Energie spielen gehört. Und ein ums andere Mal fällt die überdurchschnittliche Differenzierungsfähigkeit des Figaro insbesondere im musikalisch essenziell wichtigen Frequenzband vom Oberbass bis zum oberen Mittelton auf, die mit einer ebenso beeindruckenden ansatzlosen Schnelligkeit und Leistungsfähigkeit auf dem fein- wie grobdynamischen Gebiet einhergeht.

Oft habe ich in meinen Tests von der „Sahneseite im Mittelton“ gesprochen. Wenn ich dies beim Transrotor Figaro nun nicht tue, liegt das nicht an einer vermeintlichen Schwachstelle des Tonabnehmers in dieser Hinsicht, sondern an der hohen Qualität aller anderen Aspekte und daran, dass das Transrotor Figaro extrem ausgewogen musiziert. Die Stimme von Kurt Wagner auf Lambchops „The Old Gold Shoe“ (Album: Nixon) besitzt den ihr ganz eigenen reibeisernen Schmelz, steht frei im Raum zwischen den Lautsprechern und hebt sich mit deutlichem Abstand von der hinter ihm spielenden „Band“ (normalerweise circa 15-20 Mann und Frau stark) ab. Wunderbar auch, wie einfach die teils schräg anmutende Instrumentierung im Hintergrund ein dräuendes Unbehagen schafft, und dann die sonnige Country-Gitarre alle Gewitterwolken vertreibt – kurzzeitig. Absolut umwerfend: Die mit Besen gespielten Becken des Schlagzeugs sprechen so sensibel an und schwingen dermaßen fein gezeichnet aus, dass ich mich fragen muss: Habe ich das schon mal besser gehört?

Transrotor Figaro

Hmmmmmmmm … Okay, ein Lyra Etna vermag die Räume schon noch weiter aufzutun, spielt noch klarer und gleichzeitig zupackender. Und ein Jan Allaerts MC1 MKII dröselt Strukturen ganz untenrum und ganz obenrum noch weiter auf, wirkt noch behänder und delikater. Aber beide Systeme liegen preislich deutlich bis sehr deutlich über dem Transrotor Figaro. Nach „unten“ hin distanziert sich das Transrotor Figaro vom ZYX R100 Fuji vor allem mit größerer Durchschlagskraft im dynamischen Sektor und einer reineren, klareren, greifbareren Darstellung des Raums. Dem preisklassenbezogen überdurchschnittlich guten Lyra Delos hat das Figaro die deutlich umfangreichere und mit intensiveren Farben versehene Klangfarbpalette und ebenfalls die dreidimensionalere, mit stärker ausgeprägtem Relief versehene Abbildung voraus. Wenn ich mich recht erinnere, gab es nur einen preislich vergleichbaren Tonabnehmer, der mich in der Summe seiner (aus der Erinnerung heraus) recht ähnlich gelagerten Eigenschaften so überzeugt hatte, und das war das Linn Akiva.

Billboard
Lyravox Karlsson & Karlotta

Test: Transrotor Figaro | Tonabnehmer

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