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Technisches zum VPI Classic

Inhaltsverzeichnis

  1. 2 Technisches zum VPI Classic

Es handelt sich beim Tonarm um den 10,5-Zöller von VPI in der „Special Edition“-Variante, die sich von der normalen a) durch eine andere Verkabelung, nämlich der VPI-eigenen statt der von Nordost, b) durch einen anderen, simpleren VTA-Mechanismus und nicht zuletzt c) durch einen günstigeren Preis unterscheidet. Möchte man den JMW 10.5 i SE benannten Tonarm solo erwerben, sind 1.850 Euro über den Tresen zu reichen – beim „Komplettpaket“ VPI Classic war in Sachen Arm also alles andere als Schmalhans Küchenmeister. Rein rechnerisch werden bei diesem Plattenspieler knapp 60% in den Tonarm investiert. Eine ungewöhnlich hohe Relation wie sie auch schon seinerzeit beim VPI Scout auffiel.

Der JMW 10.5 ist, wie alle VPI-Arme, ein Unipivot-Design. Eine senkrecht nach oben weisende Stahlspitze trifft auf ihr Pendant in der Lagerhaube – alle Bewegungsrichtungen erfolgen aus einem Punkt.

VPI Classic - Tonarmlager

Entgegen des beim Scout verbauten 9-Zöllers besitzt die Stahlspitze des 10.5 allerdings eine Art Kragen, sie sitzt in einer kleinen Mulde, welche – dies ist ihr Zweck – mit Öl betankt oder besser gesagt betröpfelt werden kann und so eine optional mögliche, zusätzliche Bedämpfung des Tonarms besorgt. Zu den klanglichen Auswirkungen dessen komme ich später.

Natürlich sind Ähnlichkeiten zum schon im Scout-Test beschriebenen Armdesign festzustellen: Auch beim 10.5er wird zwecks Stabilitätssteigerung das Gros der Masse tiefer gelegt, also unter den Lagerpunkt gebracht, daher diese Form der Lagerglocke mit den kleinen seitlichen Hantelscheiben sowie die exzentrische Bohrung im Gegengewicht. Auch bei diesem VPI-Arm kommt die Verkabelung oben aus der Haube heraus und wird mit einem kleinen Lemo-Stecker an die Anschlussbox gebracht; auch für ihn können zusätzliche Armrohre erworben werden (Stück 1.200 Euro), was Tonabnehmer-Wechsel im 30-Sekundentakt ermöglicht, wenn man denn will. Es soll Händler geben, die zu diesem Zweck eine halbe VPI-Armrohr-Armada gekauft haben …

Neben den prinzipiellen Gemeinsamkeiten gibt es natürlich auch Unterschiede, der offensichtlichste ist dabei natürlich die Längendifferenz von 1,5 Zoll, was tendenziell eine verzerrungsfreiere Abtastung (siehe tangentialer Spurfehlwinkel) ermöglichen sollte, aber natürlich auch mit einer Erhöhung der bewegten Masse einhergeht – von 7,7 Gramm beim 9er auf 9,9 Gramm beim 10.5er. Das Armrohr ist diesmal nicht konisch ausgeführt worden wie beim 9-Zöller, sondern gerade – und zudem „gesteckt“, Aluminium trifft auf Stahl, was der Resonanzenkontrolle dienen soll. Dem gleichen Zweck geht auch die Befüllung des Rohres mit einem speziellen Schaum nach. Der Einstellring zur Adaption des VTA ist lediglich optisch anders geraten als beim kürzeren Modell – das handlingsfreundliche Prinzip ist das Gleiche.

VTA-Anpassung beim VPI

Wer übrigens ein hochbauendes System sein Eigen nennt und mit der VTA-Einstellung an den Anschlag kommt – oder wer unbedingt dicke Matten auf den Teller legen möchte und deshalb auf das gleiche Problem stößt -, den kann Herr Rischmüller vom deutschen Vertrieb mit Aufsatzringen versorgen, welche die Grundbauhöhe des Armes anheben. Für den Fall der Fälle.

Der Azimut wird durch Drehen des Rings mit den seitlichen Gewichten eingestellt, und wenn das nicht reicht, wie es mit meinem Ortofon Rondo Pickup der Fall war, lässt sich durch zusätzliches Verdrehen des Gegengewichts der Winkel korrekt ausrichten.

VPIs 10.5-Zöller von hinten betrachtet

Stichwort Antiskating: Harry Weisfeld scheint kein übertriebener Freund hiervon zu sein, gehört er doch eher der Fraktion an, die empfiehlt, darauf gänzlich zu verzichten – erfreulicherweise lässt er einem beim Classic aber die Wahl. Letztlich sind sogar zwei Anti-Skating Vorrichtungen mit an Bord: Durch die Tonarmverdrahtung kann eine Torsionskraft hergestellt werden, die hierfür gut ist – eine konventionellere Lösung wird beim JMW 10.5 durch die kleine Seilzugvorrichtung aber ebenfalls angeboten.

Der Tonarm ist auf einer 53 cm breiten, 40 cm tiefen und 7 cm hoch bauenden Zarge montiert, die allerdings wegen der „TNT Mini Feet“ genannten Füßchen auf eine Gesamthöhe von circa 11,5 cm angehoben wird (gemessen an der Zargenoberkante). Die Füße erfüllen die Funktion „aufstellen und glücklich sein“, so Herr Rischmüller. Klingt schon mal ganz gut. Zwar schlucken sie richtig heftigen Trittschall, wie er auf Parkett- oder Dielenboden bisweilen auftreten kann, nicht komplett weg, aber dank der entkoppelnden Wirkung könne man auch auf „nicht so highendigen Untergründen“ sehr gute Ergebnisse erzielen.

VPI TNT Mini Feet

Zurück zur Zarge: Sie wurde aus MDF- und Stahlplatten gebaut, Letztere befinden sich dabei oben auf der Zarge sowie in deren Innern. Der Materialmix dient – man kann es sich denken – der Resonanzminimierung und -steuerung. Die vorne-links postierte Motordose wird übrigens vom Chassis über eine „Gummiwand“ entkoppelt und gleichzeitig von zwei Aluplatten in die Zange genommen, die ihrerseits an den Untergrund des Drehers angekoppelt sind, um (einen Teil) der Motorschwingungen Richtung Boden abzuleiten, so VPI.

Als Motor wurde ein drehmomentstarkes Modell gewählt, wie es auch beim größeren VPI Aries zum Einsatz kommt – richtiggehend atemberaubender Aufwand zur elektronischen Regelung wurde nicht betrieben, ein Kondensator und ein Widerstand lassen sich unter der Abdeckung finden.

VPI Classic - Motorsteuerung

Die Netzfrequenz bestimmt also den Lauf. Daraus folgt, dass zum Wechsel der Geschwindigkeit von 33 1/3 auf 45 U/min Hand an den Rundriemen gelegt werden muss – was ja auch keine große Mühe macht.

Der Teller des VPI Classic bringt neun Kilo auf die Waage und besteht hauptsächlich aus Aluminium, allerdings wurde er an der Unterseite mit einer Stahlplatte versehen, die etwas fürs Gesamtgewicht tut und darüberhinaus – entscheidender – im Verbund mit dem Alu wiederum einen resonanzenminimierenden Materialmix abgibt. Dem berüchtigten „Glockeneffekt“ eines Vollmetalltellers soll so beigekommen werden und deshalb bedürfe es auch keiner (dämpfenden) Plattentellerauflage – VPI empfiehlt, das Vinyl aufs nackte Aluminium zu legen. Gleichwohl liegt dem Paket eine dünne, dämpfende Matte aus einem Material namens „Puron“ bei – falls man nicht gerne auf Empfehlungen hört.

An eine Labelvertiefung wurde gedacht – und mit der bei VPI üblichen Technik lassen sich die Platten an den Teller klemmen: Über den Mitteldorn kommt zunächst eine Art Unterlegscheibe, dann die Platte und schließlich wird geschraubt.

Dies soll nicht nur einen guten Kontakt des Vinyls zum Teller sicherstellen, sondern hat den angenehmen Nebeneffekt, das verwellte Exemplare größtenteils „entwellt“ werden. Mein Praxistipp dabei lautet allerdings: Beim Festschrauben die Platte schön mit dem Finger am Rand fixieren, sonst scratcht die nämlich gar nicht schön über’s Alu!

VPI Classic mit Ring Clamp - Detailansicht

Wem die Kraft der Klemme nicht ausreicht, kann auch zur sogenannten „Ring Clamp“ greifen, einem Metallring, der den äußeren Rand des Vinyls von oben an den Teller presst. Allerdings gehört die nicht zum Lieferumfang des Classic Tables, sondern zur recht umfänglichen Zubehör- beziehungsweise Upgrade-Liste des Herstellers – und schlägt mit famosen 760 Euro zu Buche. By the way: Den Preis für die optionale Acryl-Abdeckhaube finde ich mit 370 Euro noch viel famoser.

VPI Classic mit Abdeckhaube

Noch ein Wort zum Tellerlager: Wie Usus bei den Amis, wird auch beim Classic ein invertiertes Modell verwendet, die Achse zeigt also von der Zarge aus nach oben und die komplementäre Buchse steckt im Teller. Der Lagergrund dieser Buchse besteht aus „PEEK“ (einem speziellen thermoplastischen Kunststoff, siehe Wiki), da dies Material höhere Drücke vertragen könne als Teflon. Geschmiert wird das Ganze mit einem Fett – was bessere Dämpfungseigenschaften garantiere als Öl, so Mr. Weisfeld.

Teller- und Motorlager müssen sich übrigens einspielen, sagt Herr Rischmüller vom deutschen Vertrieb. Er empfiehlt deshalb, den Classic die eine oder andere Nacht durchlaufen zu lassen, bevor man sich mit kritischen Ohren davorsetzt. Ich gab ihm gleich fünf Tage am Stück …

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Test: VPI Classic | Plattenspieler

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