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Technik Lautsprecher Sehring S 700 SE und S 701 SE

Inhaltsverzeichnis

  1. 2 Technik Lautsprecher Sehring S 700 SE und S 701 SE

Technik Sehring S 700 SE

Inspizieren wir die kleine Sehring – Kantenmaße 18x33x29,5 cm (BxHxT) – einmal näher. Als (allerdings generell geltendes) Entwicklungsziel wird ein möglichst linearer Amplituden- und Phasenverlauf bei gleichzeitiger Verzerrungsminimierung angegeben. Der Entwicklungsweg fange dabei immer beim Chassis an, es folge das Gehäuse und schließlich die Weiche. Hinten etwas reparieren zu wollen, was man vorne versaubeutelt habe, davon halte man nichts.

Etappe 1: Die Chassis

Die Sehring-Chassis bestehen überwiegend aus SEAS-Einzelteilen, aber für bestimmte wichtige Details habe man andere Quellen, die allerdings nicht verraten werden sollen. Na, okay. Die Endmontage der Treiber erfolgt jedenfalls im eigenen Haus, „auf der Straße“ gibt’s diese also nicht.

Der Hochtöner – eine Kalotte aus beschichtetem Weichaluminium mit Gewebesicke – hat zwecks Schutzes des empfindlichen Materials einen kleinen Gitterkäfig vorne vorgesetzt bekommen, welcher auch den akustischen Zweck einer gleichmäßigen Diffusion des Schalls unterstützt.

Sehring Hochtöner

Sehring-typisch ist die asymmetrische Anordnung des Tweeters auf der Schallwand, sie unterstütze via Interferenz die (gewollte) Auslöschung von Kantenreflexionen des Gehäuses. Auch andere Hersteller bedienen sich dieses „Tricks“. Empfohlen wird eine Aufstellung mit nach außen schielenden Hochtönern, da sich die Schallabstrahlung dann Richtung Sweetspot konzentriere und Probleme mit Reflexionen von den Seitenwänden verringert werden könnten. Die Trennfrequenz ist mit 3,8 kHz recht weit oben angesetzt worden – der Verzerrungsarmut soll es dienen, da der Hub des Hochtöners so sicher im linearen Bereich gehalten werden kann. Herr Sehring hält das (recht weit verbreitete) tiefe Trennen für einen Kardinalfehler.

Dafür muss natürlich der 10cm messende Mittel-/Tieftöner weiter oben auch noch sauber spielen können – etwas, was nicht jeder Alu-Membran nachgesagt wird. Ja, Aluminium ist auch hier das Material der Wahl, auch wenn‘s auf den ersten Blick nicht ins Auge fällt, da das Metall vorn und hinten schwarz eloxiert wurde. Pappkamerad denkt man, aber iss nicht.

Sehring Bass-/Mitteltöner

Dieses Chassis ist, neben den hochwertigeren und besser selektierten Weichenbauteilen, auch das Hauptunterscheidungsmerkmal der SE-Version zur Standard-700er. Die Unterschiede: Die SE-Variante weist einen doppelten Magneten auf sowie eine Dustcap aus beschichtetem Papier statt des Phaseplugs.

Sehring Chassis

Zudem erfolge eine „selektive Bedämpfung“ des Chassis. So sei besagte Dustcap im Innern mit Acrylat an der Kapton-Schwingspule befestigt, eine Maßnahme, die geringeren Verzerrungen dienen soll. Zum gleichen Zweck wird der innere Teil der Sicke – und nur dieser! – beschichtet, und auf der Innenseite der Membran finden wir lustige Moosgummipunkte, die da keineswegs zufällig kleben. Ja, auch das fesche Klebeband um den Magneten verfolge durchaus einen Sinn …

Sehring Chassis: Bedämpfung

Etappe 2: Das Gehäuse

Sehring 700er Gehäuse

Ein Drei-Schichten-Modell plus abgesetzte Schallwand, so könnte der Körper der S 700 SE prägnant beschrieben werden. Einer ersten 19mm starken MDF-Schicht (in deren Innern eine Folie verpresst wurde) folgt ein 1mm Acrylatauftrag, auf dem dann wiederum 10mm-MDF-Platten verklebt werden. Dieses 3cm Sandwich soll – sie werden’s ahnen – Gehäuseresonanzen minimieren. Und der obligate Klopftest gestaltet sich auch dementsprechend.

Via Acrylatverklebung (Sie merken, Herr Sehring scheint den Stoff zu lieben)Sehring 700er Schallwand vom Korpus entkoppelt sitzt die 5cm-Schallwand, was neben akustischen Vorteilen auch ‘ne schicke Linienführung ergibt. Die Rückwand ist übrigens abnehmbar, dahinter liegt eine kleine Kammer, in der die Weiche ihren Platz findet. Oder auch die Aktivelektronik, falls man sich hierfür entscheiden sollte – diese Möglichkeit besteht nämlich. Oder man kippt Sand rein, um die Weiche zusätzlich zu bedämpfen und so Mikrophonieeffekte zu minimieren. An der Unterseite des Lautsprechers entdeckt man die Bassreflexöffnung sowie weitere „Löcher“, deren Zweck nicht sofort verständlich wird – dem Modulprinzip sind sie geschuldet.

Etappe 3: Die Frequenzweiche

Ich erinnere mich noch ganz gut an die Situation: Als ich vor ein paar Jahren Herrn Sehring das erste Mal traf, saß der gute Mann an seinem Schreibtisch und knipste gerade mit ‘ner Kneifzange die Ecken einer Frequenzweichen-Platine ab. Max Goldts schöner Ausspruch „Weit ist das Feld menschlicher Besessenheiten“ kam mir in den Sinn, und es kann durchaus sein, dass ich auf seinen Hinweis, es klänge ohne Ecken besser, etwas Süffisantes à la „Irgendwie runder, wa?“ rausgegeben habe. In Folge wurde ich nun darüber aufgeklärt, dass das „jetzt kein Mist“ sei, sondern „eben Physik“ … Im Nachgang muss ich konzedieren: könnte schon was dran sein. Der experimentierfreudige Entwickler jedenfalls hat den Ansatz wohl weiter verfolgt, denn was erblicke ich hier, Jahre später? Runde Ecken!

Sehring S 700 Se Weiche

Man sieht sich immer zweimal im Leben. Sehr schön. Das mit der Kneifzange ging dann aber anscheinend nicht in Serie.

Der Hauptkniff ist allerdings auch ein anderer: Das Entwicklungsziel, die Treiber möglichst steilflankig voneinander zu trennen, um deren Überlappungsbereich klein zu halten und die Chassis nicht in (Frequenz)Gegenden weiter arbeiten zu lassen, in denen sie im Grunde nix verloren haben, liegt meistens im Clinch mit dem Ideal einer möglichst einfachen und flachtrennenden Weiche – welcher ein gutmütigeres Phasenverhalten nachgesagt wird. Und das Thema „Zeitrichtigkeit“ gilt ja etwas im Hause Sehring. Ergo wird bei der S 700 SE (akustisch) mit über 24dB/Oktave getrennt – sehr steil also –, allerdings ist die Frequenzweiche für den Tief-/Mitteltöner hieran lediglich erster Ordnung (-6dB) beteiligt, der „Rest“ resultiert aus dem Zusammenspiel Chassis & Gehäuse. Ein sehr entscheidender Rest allerdings.

Damit wird auch klarer, warum Herr Sehring auf die Reihenfolge „Erst Chassis, dann Gehäuse, dann Weiche“ so insistiert. Ich habe mir von ihm eine Phasenmessung der 700er aushändigen lassen, was aber eigentlich keine so gute Idee war, denn jetzt gibt’s zwei Möglichkeiten: Entweder er mogelt, und zwar gewaltig. Oder das ist einfach verdammt gut.

Noch ein Gehäuse …

Sehring 701-Modul von oben… nun aber jenes des Moduls, welches die 700er in eine 701 verwandelt: Indem man die Kompakte S 700 SE auf den oben abgebildeten Bassreflexsockel setzt, erhält man den kleinesten Standlautsprecher des Sehring-Programms. Das Arbeitsprinzip ist einfach: Die Reflex-Öffnung der Kleinen strahlt von oben in das (ca. 12l messende) Zusatzvolumen des Sockels, welches als Resonator dient und durch die Bassreflexöffnung auf der Vorderseite den tiefen Frequenzen Unterstützung bietet. Die untere Grenzfrequenz sinkt damit um 8Hz (auf nun 46Hz bei -3dB). Aber Herr Sehring sagt selbst, dass dies nicht das Entscheidende sei: Vielmehr falle mit dem Zusatzvolumen unterm Hintern der 700er der Pegel im Frequenzkeller nicht mehr so steilflankig ab wie ohne. Vor allem hierdurch ergebe sich ein kräftigeres Fundament.

Sehring 701-ModulEin weiterer Pluspunkt sei, dass die (ohnehin geringen, aber prinzipbedingt vorhandenen) Verzerrungen durch Strömungsgeräusche an der Reflexöffnung der 700er durch das Zusatzvolumen gefiltert würden. Selbstverständlich ist die ganze Chose 100% passgenau ausgeführt, man kann die 700er oben anschrauben (muss es aber nicht), man kann die Lautsprecherstrippen unten am Sockel anschließen, ein inneres Kabel sorgt dann für die Verbindung nach oben, man kann den hinteren Teil mit Sand befüllen (muss es aber nicht), man kann die Dämpfung des Basses variieren (muss es …) – 1.300 Euro werden für ein Paar 701er-Sockel fällig.

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Test: Sehring S 700 SE und S 701 SE | Kompaktlautsprecher, Standlautsprecher

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