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Klang: AudioSolutions Overture O203F

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Ebenso erfreulich geht es auch zu, wenn die Lautsprecher angekabelt sind. Allerdings nicht sofort: Da mir fabrikneue Exemplare geliefert wurden, klangen sie direkt aus dem Karton heraus ein wenig verschnupft. Ich gönnte ihnen eine Einspielzeit von 50 Stunden, danach waren sie buchstäblich wie verwandelt. Müsste ich die AudioSolutions Overture O203F mit einem Wort beschreiben, dann fiele mir zuerst der etwas abgelutschte Muckerbegriff „amtlich“ ein. Das ist zu einem großen Teil der Verdienst des wirklich substanziellen, profunden und sauberen Bassbereichs. Hier wird ordentlich Schub erzeugt, ohne aber den Bass oder Oberbass überzubetonen.

AudioSolutions Overture O203F

Hinzu kommt das Talent der Lautsprecher auch die anderen Frequenzbereiche mit einer ebensolchen Klarheit und Durchzugsstärke zu präsentieren – auch dann, wenn untenrum „viel los“ ist, was bei so manchem anderen Wandler dieser Preisklasse dazu führt, dass die Mitten und Höhen gedrungener oder weniger differenziert wiedergegeben werden. Ganz anders radioheadbei der O203F, wie Radioheads Song „The National Anthem“ (Album: Kid A, auf Amazon anhören) sehr gut aufzeigt. Basis des Tracks ist eine mächtige, druckvolle, punktierte Basslinie, die sich – stets auf denselben Tönen, also quasi orgelpunktmäßig – durch den gesamten Song zieht. Auch das Schlagzeug spielt lediglich eine einzige, monotone Rhythmusfigur, und zwar sehr wuchtig und präsent mit hart gedroschenem Ridebecken. Allerlei Klangeffekte schwirren durch den Raum – und der später einsetzende Gesang von Thom Yorke wird von metallischen Verzerrungen überlagert. Dazu gibt es ins katzenmusikartige lappende Synthesizerlinien, später auch ein recht fett und bratzig abgemischtes Saxofon sowie reichlich atonale Posaunenklänge. Summa summarum also ein ziemliches Durcheinander, eine Wall of Sound, ein echtes „Brett“, wie die oben erwähnten Mucker ja zu sagen pflegen.

Dieses Stück kann bei einer minderwertigen Kette – also bei einem durchzugsschwachen Verstärker, bei schlecht differenzierenden oder bassschwachen Lautsprechern – schlicht und einfach nervtötend und chaotisch wirken. Wenn jedoch die Rahmenbedingungen stimmen, dann setzt dieses Stück rohe Energie frei und wirkt geradezu kathartisch. An der AudioSolutions Overture O203F jedenfalls soll es nicht liegen, denn sie schleudert ebendiese Energie mit Verve in den Hörraum. Der stark komprimierte, leicht angezerrte Bass hat Tiefe und Kontur. Selbiges gilt für das Schlagzeug: Snare und Bassdrum kommen mit Wucht und Durchsetzungskraft, doch auch die Ride- und Crashbecken sind definiert und mächtig, hier bewegt der Hochtöner richtig Luft – und zwar komplett zischel- und artefaktfrei. Trotz dieser recht martialischen Basic Tracks gelingt der O203F noch eine saubere und differenzierte Darbietung aller anderen Klangquellen. Die vergleichsweise zarten Synthesizerglissandi werden fein und farbenprächtig dargeboten, die metallischen, nach digitaler Übersteuerung klingenden Verzerrungen auf dem Gesang sind wie kleine Nadelstiche an den Seiten der stereofonen Bühne vernehmbar – und die rotzigen Blechbläser haben Biss und Attack.

Nicht zu vergessen: Die AudioSolutions Overture O203F kommt wirklich weit runter, der Bass ist also nicht nur voluminös, sondern auch tief. Hört man dergleichen über Kompaktboxen oder eher schwachbrüstige Standboxen, gibt’s in erster Linie „Soundbrei an Rumpumpel“ – doch über die O203F wird man richtiggehend in den Bann gezogen und das Standbein zittert kräftig im Takt mit. Klasse, das macht Spaß. Das ist richtiggehend erwachsen.

AudioSolutions Overture O203F

Ganz generell hat mir dieser Lautsprecher wieder Lust auf Musik gemacht, die ich eine ganze Weile nicht gehört habe, nämlich vornehmlich Musik, die ähnlich „unübersichtlich“ oder tonal „chaotisch“ ist wie der Radiohead-Song. Beispiel: „Freak Scene“ von Dinosaur Jr (auf Amazon anhören). Es ist ja bekannt, dass der Sänger und Kopf der Band J. Mascis ein unverkrampftes Verhältnis zur waghalsigen dinosaur jrAufschichtung von Tonspuren hat. Das sorgt bei Livekonzerten zu glücklichem Kopfwackeln, also Headbanging und Moshen – und daheim vor der Anlage manchmal eher zu missmutigem Kopfschütteln, denn allzu ungestüm und schwer fassbar fliegen einem die zahlreichen Gitarrenspuren oft um die Ohren. Der AudioSolutions-Lautsprecher schafft es, hier mustergültig die Übersicht zu behalten. Wie mit einem Läusekamm trennt er die unterschiedlichen Schallquellen voneinander: Der vermeintlich rohe Lärm entpuppt sich beim näheren Hinhören nämlich als recht lebensbejahende Verquickung von akustischen und elektrischen Gitarren unterschiedlicher Verzerrungsgrade.

Das ist zum einen die Folge der tonal wirklich sauberen Auflösung, zum anderen aber auch der Fähigkeit, sowohl laut als auch leise schlicht und einfach vollständig zu klingen. Wenn’s kachelt, dann kachelt es richtig, wenn es aber mal eine leisere Passage – wie eben den Refrain des Songs – gibt, dann wird auch einmal gepflegt ein Gang zurückgeschaltet und die lyrische, zarte Seite der Musik präsentiert.

AudioSolutions Overture O203F

Generell sind die AudioSolutions Overture O203F tonal erfreulich unbestechliche Lautsprecher. Was krumm ist, biegen sie nicht gerade. Gute Aufnahmen belohnen sie mit einer tonal wunderbar sauberen Darbietung, die feine Details herausschält, was für die Frequenzgangsenden ebenso gilt wie für den Bereich der Mitten. Bei weniger hochwertigen Aufnahmen weisen sie aber auch klar auf deren Limitierungen hin. So hörte ich beispielsweise nach sicherlich 15 Jahren Abstinenz wieder einmal in eine alte Abwärts-Scheibe (Song: „Alkohol“) rein und war dann doch sehr ernüchtert: Mulchiger Bass, „nasser“, billiger Hall, verwaschene Gitarrensounds – kein großes Vergnügen. Wohlgemerkt: Dies ist kein Fehler der AudioSolutions Overture, die Aufnahme taugt schlicht und einfach wenig – aber die O203F versucht auch nicht, das zu verschleiern.

Diese Neutralität zieht sich im Grunde auch durch alle Frequenzregister. Es gibt Lautsprecher, die etwas mehr „Schmelz“ in den Mitten liefern – wie beispielsweise die Sonus Faber Venere. Es gibt auch Lautsprecher, die insgesamt etwas erdiger, wärmer, grundtonhafter spielen, z. B. die PSB Synchrony One. Und im Obertonbereich spielt der eine oder andere Wandler wiederum etwas heller, prägnanter – hier fällt mir meine ehemalige Neat Acoustics Momentum 4i ein. Im Gegensatz zu all diesen Lautsprechern wirkt die AudioSolutions O203F im positiven Sinne unauffälliger und neutraler. Sie erinnert mich in ihrer tonalen Charakteristik eher an die nuVero 10 von Nubert. Grundsätzlich ist Neutralität ja eine gute Grundlage für die „Zusammenarbeit“ mit weiteren Komponenten – wer’s klar und direkt mag, der paart neutrale Lautsprecher mit einem analytischen Verstärker, und wer etwas mehr Wärme schätzt, stellt ihr beispielsweise einen vollmundig-warm abgestimmten Amp zur Seite. Bei mir funktionierte beispielsweise die Paarung mit den Audreal MS-3 Röhren-Monoblöcken als Endstufe und dem Abacus Preamp 14 als Vorstufe extrem gut. Der Preamp tonstudiohaft neutral, die Audreals mit einer leichten Eleganz in den Mitten und einer minimalen Verrundung im Obertonbereich – eine tolle Kombi im Verbund mit der O203F!

AudioSolutions Overture O203F

Im A/B-Vergleich zu meiner Tannoy Turnberry, die gut das Dreifache kostet, zeigt sich, dass die AudioSolutions Overture O203F in den Mitten sogar etwas verfärbungsfreier als die Schottin agiert und die verschiedenen in der gleichen Lage spielenden Gitarren beim oben genannten Dinosaur-Jr-Track in ihrer Klangcharakteristik insgesamt etwas besser voneinander unterscheidbar macht. Auch im höchsten Oberton spielt die O203F etwas frischer auf, was allerdings weniger ein Qualitätssiegel darstellt, sondern als Geschmacksfrage durchgeht.

Die Tannoy hingegen hat in anderen Kategorien die Nase vorn. Zum einen lässt sie den Hörer noch ein wenig mehr im Klang „baden“, ihre Darstellung ist, gerade in räumlicher Hinsicht, flächiger, umfassender, breiter. Das ist kein Wunder, denn ihr recht großer Dual-Concentric-Treiber – mit einem fetten Zehnzöller für den Tieftonbereich – bietet schlicht und einfach mehr zusammenhängenden Punktschallquellen-Charakter.

AudioSolutions Overture O203F

Auch lässt sich über die Tannoy sagen, dass sie „mehr am Gas hängt“, um es mal etwas volksnah auszudrücken – sie spielt etwas direkter, unmittelbarer, antrittsschneller. Ich schrieb ja oben, dass die AudioSolutions Overture O203F sowohl bei leisen als auch lauten Passagen eine saubere Leistung abliefert. Interessant sind aber manchmal auch die Übergänge, die Pegelsprünge, die Abstufungen – das, was wir Dynamik nennen. Verstehen wir uns nicht falsch: Die O203F spielt dynamisch auf hohem Niveau. Aber es geht da – häufig für mehr Geld – aber noch mehr, was letztlich auch eine Konzeptfrage ist: Hier spielen Gehäusekonstrukt, Membranfläche und –material der Treiber eine Rolle, aber nicht zuletzt auch die Auslegung der Frequenzweiche und vieles mehr.

Kommen wir einmal zur Bühnendarstellung. Die Abbildung ist, wie es sich gehört, kohärent und stabil, allerdings horizontal insgesamt etwas enger als ich es von vielen anderen Wandlern kenne. Es gibt ja Lautsprecher, bei denen die Klangbühne seitlich über die Aufstellungslinie hinauszuwachsen scheint, was durch mehr oder weniger starkes Einwinkeln nach Gusto feinjustiert werden kann. Das ist bei der O203F nicht so, ganz gleich, ob sie mehr oder weniger stark eingewinkelt betrieben wird. Wer also eine breite, weitläufige Bühnendarstellung schätzt, der sollte nicht zögern, die Lautsprecher in einer vergleichsweise großen Entfernung zueinander aufzustellen. Bei mir hat es am besten bei einer Basisbreite von dreieinhalb Metern und einem Hörabstand zur Grundlinie von jeweils lediglich zwei Metern funktioniert. Das klassische gleichseitige Dreieck führte bei mir zu einer für meinen Geschmack etwas zu kompakten bzw. engen Bühne.

AudioSolutions Overture O203F

Wie schlägt sich die Overture O203F bei feinsinniger Kost aus dem Bereich Klassik? Ich fütterte sie mit dem zweiten Satz aus Antonin Dvoraks Streichquartett Nr. 12 (op. 96), in einer sehr schönen Einspielung des niederländischen Labels STS Digital. Auch hier konnte der litauische Lautsprecher tonal wiederum mit einer monitorhaft neutralen, zudem klaren und sauberen Darstellung punkten. Das Quartett wird gebildet durch zwei Violinen, eine Bratsche und ein Cello – also insgesamt in ihrer Klangcharakteristik recht ähnlichen Instrumenten. Die feinen Klangunterschiede und miteinander verschachtelten Melodielinien schälte die O203F klar und erkennbar heraus. Leise Passagen klangen zart und sanft, Cello-Attacken oder dynamische Ausbrüche der Violinen zeigten Biss und Kraft. Lastwechsel wiederum – siehe oben – brachte sie nicht ganz so flink und unmittelbar zu Gehör wie meine Tannoy. Ebenso ließen mich letztere, aber auch die zum Vergleich angeleinten Quadral Rondo, was die horizontale, aber auch die Tiefenstaffelung anging, etwas genauer in die Aufnahme hineinhören. Die Klangquellen waren etwas präziser zu orten und hatten auch ein wenig mehr „Luft“ zum Atmen.

Auf der anderen Seite stellte ich aber fest, dass die stereofone Bühne angenehm stabil blieb, wenn ich den vielzitierten Sweet Spot verließ. Wenn ich mich durchs Hörzimmer bewegte, verschob sich die Bühne oder die Platzierung der Schallquellen nicht sehr stark, während bei der Tannoy und auch der Quadral die zuvor schön breite und tiefe Bühne außerhalb des Sweetspots schneller in sich zusammenfiel. Möglicherweise, aber das ist nur meine private Theorie, wurde die O203F also eher auf Alltagstauglichkeit gezüchtet, auf ein unkompliziertes Hören, bei dem der Hörer nicht an einen bestimmten Standort gefesselt ist – das unterscheidet sie auch noch einmal positiv von vielen Studiomonitoren, mit denen ich sie hier ja oft verglich.

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Test: AudioSolutions Overture O203F | Standlautsprecher

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