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Klang Genelec 8351 (Teil 1)

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  1. 2 Klang Genelec 8351 (Teil 1)

Als ich die ersten Tracks über das Genelec-Setup hörte, musste ich unwillkürlich lächeln, denn in den vorigen Wochen hatte ich mich ein bisschen in einer eigentlich „unmöglichen“ Kombination aus 300-Euro-Verstärker (Yarland FV-34C III) und 6.000-Euro-Lautsprechern (Tannoy Turnberry Gold Reference) festgehört. Eine Handvoll zart schmelzender Röhrenwatt an einem wirkungsgradstarken Old-Fashioned-Konzept – das kann richtig Freude machen. Auf der Couch, bei einem schönen selbstgerührten Sazerac-Cocktail lassen sich so ungezählte, höchst entspannte Stunden verbringen. Das mag zwar nicht die reine audiophile Lehre sein, aber so what. Der Schwenk auf die Genelec 8351 transportierte mich schon irgendwie in eine Parallelwelt – eine Parallelwelt, in der es aber durchaus vieles zu genießen und entdecken gibt, gottlob.

Gelelec- und Tannoy-Lautsprecher

„Gemütlich“ ist da zwar nichts mehr, aber dafür werde ich mit einer unglaublichen Fokussierung und Präzision belohnt, und zwar so ziemlich in allen Disziplinen, die der Audiophile gerne bedient sieht: linealglatt durchgezogene Tonalität, Freiheit von jedweden Verfärbungen, eine geradezu reißbrettartig genaue Raumdarstellung und Positionierung der musikalischen Akteure, aber auch eine Zackigkeit und Dynamik, die nicht von schlechten Eltern ist.

Schon nach wenigen Takten mit der Genelec wird deutlich: Ja, wir haben hier einen echten Studiomonitor vor uns. Ein Beispiel: Wenn es um das in unseren Kreisen sehr beliebte Anlagen-Posing geht, dann wird sehr häufig der Song „Private Investigations“ der Dire StraitsDire Straits herangezogen – gilt er doch als Inbegriff eines die audiophile Kette herausfordernden Tracks: heftige Laut-Leise-Sprünge, vielfältige Instrumentierung – und eine sicherlich auch sehr ambitionierte Produktion. Über die Genelec spürt man indes recht schnell, dass diese Aufnahme nun mehr als 30 Jahre alt ist – und die typischen Artefakte jener frühdigitalen Tonstudiotechnik, nämlich einen irgendwie doch etwas nass und dürr klingenden Hall oder auch eine zwar voluminös und druckvoll, zugleich aber auch nicht hundertprozentig natürlich klingende, etwas näselnde Akustikgitarre. Als nach einer guten Minute das Marimbaphon einsetzt, kann man – wenn auch sehr, sehr leise – eine leichte begleitende Rauschfahne ausmachen. Es ist jetzt nicht so, dass dies alles den Genuss schmälern würde, aber die Genelec leuchtet Aufnahmen mit einer außerordentlichen, ja beeindruckenden Präzision aus.

Und so zeigt sie, wenn wir mal beim Beispiel der Akustikgitarre bleiben, dass ältere Aufnahmen durchaus besser klingen können. Das bereits 1974 veröffentlichte Album „Pretzel Logic“ von Steely Dan hat mit „Any major dude will tell you“ einen Song, der überwiegend aus akustischen und elektroakustischen Instrumenten besteht; nebst der genannten Gitarre gibt es ein wunderbar authentisch klingendes Schlagzeug sowie ein Wurlitzer-200A-Elektropiano. Dass bei Steely Dan in Sachen Studiotechnik und interpretatorischer Perfektion schon immer Steely DanVollprofis am Werk waren, ist hier unverkennbar zu hören. Die Aufnahme ist ungemein stimmig, ausgewogen, trotz dichter Instrumentierung jederzeit akustisch durchlässig (wer drauf achtet, kann jedes Instrument separat verfolgen) – bringt aber auch einen harmonischen Ensemble-Klang. Wenn – ja wenn – die Kette mitspielt. Und über die Genelecs funktioniert das nachgerade famos. Während bei dem Dire-Straits-Song die Gitarre zwar durchaus beeindruckend klingt, haftet ihr aber auch stets eine leichte tonale Verfremdung an. An der einen Stelle etwas zu bauchig, an der anderen wiederum etwas zu spitz im Mittelhochtonbereich. Etwas gutmütigere Lautsprecher – wie meine Tannoy Turnberry GR – überdecken das gnädig. Wie es gewissermaßen richtig zu klingen habe, das zeigen die Genelecs dann bei dem Steely-Dan-Song: Die Gitarren haben Volumen, Durchsetzungskraft, Attack, fein abgestimmte Mitten und Höhen – alles scheint im Lot zu sein.

Genelec 8351

Doch nicht nur, dass wir bei den Genelecs eine tonal über alle Instrumente und Frequenzbereiche realistische, authentische Darbietung hören – auch die Art und Weise, wie sich der Schall von den Lautsprechern löst, ist mustergültig und der Preisklasse mehr als angemessen. Wer die Augen schließt, der wähnt die Band im eigenen Wohnzimmer. Auffällig bei der Genelec ist, dass sie dies auch dann im Sinne einer überzeugend großen und tiefen stereofonen Raumdarstellung schafft, wenn die Lautsprecher nicht sehr weit auseinanderstehen. Im Gegenteil, ich habe die besten Erfahrungen mit einem etwas „spitzeren“ Hördreieck gemacht: also 2 Meter Hörabstand, 1,70 Meter Abstand zwischen den Lautsprechern. Dann rastete das Gesamtbild nicht nur stimmig ein, es war auch absolut ortungsscharf und tief.

Hierzu ein weiteres schönes Erlebnis – zurück zu Dire Straits: Bei „Private Investigations“ kommt immer wieder überraschend auf „4 und“ ein kurzer, scharfer Shakersound (z. B. bei Timecode 0:39) zum Einsatz, der im Stereopanorama weit links außen positioniert ist. Als meine Tochter zu Besuch war, bat ich sie, mit geschlossenen Augen dorthin zu zeigen, wo sie diesen Shaker vermutete. Sie zeigte (so wie ich es auch getan hätte) auf eine imaginäre Stelle sicherlich einen Meter weiter links von der linken Box entfernt. Mit anderen Worten: Selbst bei vergleichsweise geringer Basisbreite ist – vermutlich bedingt durch das günstige Abstrahlverhalten – eine breite, den Raum gut füllende stereofone Bühne gegeben. Insgesamt erinnert mich die Gangart der Genelecs übrigens an die Nubert nuVero 10, die ich vor mehr als vier Jahren getestet habe. Mit dem Unterschied, dass sie aber in jeder Disziplin noch einen Zacken besser, genauer, transparenter, klarer agieren.

In Sachen Dynamik ist die Genelec 8351 geradezu eiskalt. Richtiggehend ungerührt schleudert sie im sinistren Mittelteil des Songs „Private Investigations“ die kurzen Licks der E-Gitarre (Timecode 3:58 beispielsweise) in den Raum. Und wenn der Schlagzeuger auf die Crashbecken geht, während im Bass ein Ton machtvoll angeschlagen wird und danach stehen bleibt, dann wird auch dies mit Wucht und Nachhaltigkeit – und völlig mühelos aus der Ruhe heraus – präsentiert. Das langsame Verklingen und Ausschwingen – und zugleich die in den Vordergrund tretende Synthesizerfläche – wird ebenso detailreich und klar wiedergegeben. Interessant: Hatte ich mir doch vor einem Jahr meine Tannoy Turnberry GR unter anderem auch aufgrund ihrer famosen Dynamikfähigkeiten gekauft.

Der Mittel-Hochton-koac der Genelec
Der Mittel-Hochton-Koax der Genelec

Schnell ein paar weitere Strippen gezogen und quer gehört: Ja, in Sachen Dynamik sind Genelec und Tannoy wirklich absolut gleichauf, das gibt sich nicht viel. Anders sieht es aus im Bereich der Tonalität beziehungsweise der Auflösung: Die Genelec wirkt gerade in den oberen Mitten und Höhen merklich detailreicher und insgesamt einen Zacken transparenter. Die Tannoy scheint mir im Direktvergleich gerade im Bereich der Übergangsfrequenz zwischen Tief- und Hochtonbereich etwas unsauberer abzubilden, hörbar beim Konzertflügel des Songs, aber auch bei der akustischen Gitarre. Irgendwie fühlte sich der ganze Song über die Genelecs tonal „richtiger“ und reiner an. Gut, die Turnberry konnte dann in einem anderen Bereich punkten, denn sie ließ mich noch mal tiefer in den Song eintauchen, brachte ihn noch „flächiger“ („Wall of Sound“-mäßiger, übertrieben gesagt) in den Raum, was möglicherweise auch mit der schlicht und einfach größeren Tieftonmembranfläche zusammenhängen dürfte. Allerdings regte sie den Raum auch insgesamt mehr zu nicht gewünschten Schwingungen an – was nicht verwundert, denn ihre Frequenzweiche beziehungsweise mein Amp (der Abacus Ampollo) ist natürlich im Gegensatz zum Genelec-Pärchen nicht auf den Raum eingemessen worden.

Genelec 8351

Zur Topform laufen die Genelecs auf, wenn man ihnen exquisite Kost serviert. Nehmen wir den Sänger und Gitarristen Eugene Ruffolo, der unter anderem auch auf dem Stockfisch-Label einige wirklich wunderschöne Aufnahmen präsentiert. Der Song „The Same Kind Words“ ist eine ruhige Ballade mit perlenden Gitarren und vielen weiteren akustischen Instrumenten, unter anderem Eugene Ruffolomeine ich eine Harfe oder ein Hackbrett auszumachen. Nicht nur kompositorisch und künstlerisch, sondern auch in Sachen Aufnahme, Produktion und Mastering ist die Scheibe „The Same Kind Words“ über alle Zweifel erhaben – das Stockfisch-Label ist ja inzwischen für seine klar und transparent klingenden Aufnahmen richtiggehend berühmt. Und was dann über die Genelecs in den Raum fließt, ist tatsächlich zum Niederknien schön: Die Musik löst sich völlig von den Lautsprechern und flutet das Wohnzimmer, die Gitarren perlen, der akustische Bass kommt klar, sauber, definiert und voluminös, die Stimme nah, direkt, frei von jeglichen unerwünschten Artefakten oder Zischlauten. Auch zeigt sich, dass die Höhen der Genelecs zwar präsent sind, aber trotzdem nicht per se „spitz“ klingen müssen. Wenn die Produktion gut ist, dann haben wir Transparenz und Präsenz ohne Härten oder gefühlte Überbetonung dieses Frequenzbereichs. Eine solche Abstimmung ist ja oft ein schmaler Grat. Die Genelecs wandeln auf diesem sehr sicher.

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Test: Genelec 8351 | Aktivlautsprecher, Kompaktlautsprecher

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