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Klangerfahrungen mit der Dynaudio Focus 600 XD

Inhaltsverzeichnis

  1. 2 Klangerfahrungen mit der Dynaudio Focus 600 XD

Wie mir das dann und wann schon mal passiert ist, wenn Aktivlautsprecher die Bühne betreten, gleicht der erste Eindruck von der Focus 600 XD fast einem Schock. Da stapelt man feinste Elektronik ins Rack, optimiert, macht und tut – tauscht Dynaudio Focus 600 XDFeinsicherungen aus, experimentiert mit Gerätefüßen und Kabelage –, gesellt sündteure Lautsprecher hinzu, die man natürlich sauber ausrichtet … Und dann kommt da so ein Aktivling zu einem Bruchteil des Preises angelaufen und macht was, bitteschön? Knallt einem zur Begrüßung ’ne echte Full-Range-Wiedergabe um die Ohren, während einem die Augen melden: „Wie denn aus so ’ner schlanken Lifestylesäule?“ Und auch sonst will sich mit den ersten Takten nicht so recht die Erkenntnis einstellen, worin denn genau das mit dem Anlagenwechsel erwartete klangliche Downsizing bestehen soll. Ist doch alles da?!

Gut, ein bisschen was fehlt im Vergleich dann schon. Und worin das besteht, dazu komme ich später noch. Doch es bleibt festzuhalten: Auch nach ausgiebigem Probehören darf der erste Eindruck als der grundsätzlich richtige durchgehen. Nämlich, dass es sich hierbei um eine sehr vernünftige HiFi-Kette handelt, bei der die Relation Klangperformance/Geldeinsatz schlichtweg erstklassig ist. Dynaudio Focus 600 XD – das ist zwar auch ein erhebliches Invest, aber keine verrückte „Cost-no-object“-Geschichte, sondern etwas, das man modernes, smartes High End nennen darf.

Spontan am meisten Eindruck schindet natürlich der Tiefton, hier kann die Aktivtechnik ihre Trümpfe voll ausspielen. Ich wüsste jedenfalls nicht, wie man mit einer konventionellen Anlage aus Elektronikkomponenten und Passivlautsprechern fürs gleiche Geld Ben Harperden Dreisatz aus Substanz, Tiefgang und Kontur so überzeugend hinbekommen sollte. Habe ich noch nicht erlebt. Vor allem erstaunt, wie tief die Dynaudio herunterreicht und dabei fest, ja, unnachgiebig bleibt. Entsprechend verbreitet sie gute Laune, sei’s mit Ben Harpers „Fight for your Mind“, das vom treibenden E-Bass vorangetrieben wird, den die Focus XD 600 wunderbar sehnig-arbeitend in die Mitte der Bühne projiziert, sei’s mit böseren Synthibässen – James Blakes Version von „Limit to your Love“ kommt mir in den Sinn. Fast tun einem da die Chassis leid, wie sie bei diesem immer wieder einsetzenden subsonischen Geblubber sichtbar pumpen müssen – aber es hört sich eben James Blakenicht nach Arbeit an. Es bleibt alles sauber durchgezeichnet, tief und für das Volumen der Lautsprecher beeindruckend kräftig. Freilich nur bis zu einem gewissen Pegel(-bedürfnis). Wenn Sie jetzt 100 qm in Konzertlautstärke beschallen wollen, wird’s irgendwann eng. Aber eingedenk der Größe der Boxen erreichen Sie mit ihnen deutlich mehr „saubere“ Wucht (schmutzig kann ja jeder) als Sie passiv hinbekommen würden. Qualitativ lässt sich die Focus XD 600 also als sehr tiefreichend, drahtig, schnell, konturiert, aber nie zu mager, sprich neutral beschreiben. „Ausnehmend saftig/üppig, dafür etwas weicher spielend“ – das passt nicht.

Große Klarheit zeichnen auch Mitten- und Hochtonband aus, die hier tatsächlich in einem Absatz abgehandelt werden dürfen, sind sie doch auch akustisch eine Einheit. Die Auflösung in den obersten Lagen ist für die Preisklasse schon gut, und Ähnliches gilt auch für die Mitten – doch habe ich dergleichen fürs Geld auch schon öfter erlebt, oder anders: So anständig das ist, es erstaunt mich nicht so sehr wie die Bassperformance der Dynaudio.

Gregory PorterDie große Transparenz in diesem Bereich ist in erster Linie das Ergebnis einer sehr störungsarmen, artefaktfreien Wiedergabe. Aber auch, so will mir scheinen, die Nebenwirkung eines etwas sportiv-schlanker gehaltenen Grundtons. Warm wirken die Mitten jedenfalls nicht, sondern eher minimal leichter/heller. Der eine oder andere Hörer wird sich Gregory Porter oder Leonard Cohen mit mehr Brustumfang wünschen. Manche andere werden dagegen über das völlig unbelegte, frei Offene bei Frauenstimmen ins Schwärmen geraten. Oder über die Klarheit eines Klavieranschlags, einer angerissenen Gitarrensaite – während sich die zuerst genannte Fraktion hier womöglich einen kräftiger ausgepolsterten Instrumentenkörper wünschen mag. Kurz und gut: Es handelt sich um ein kleines tonales Leonard CohenTendenzchen, das je nach Hörgeschmack so oder so ankommen wird. Auf jeden Fall glaube ich – um auf die Eingangsthese zurückzukommen – dass die eher straffere denn sonorere Gangart im Grundton das an sich schon hohe Auflösungsvermögen der Focus 600 XD optimal unterstützt, insofern sie „entmulmend“ wirkt und Verdeckungseffekte sozusagen im Keim erstickt.

Die weiteren Stärken der Dynaudio – Raumdarstellung und Timing – nehme ich als Hinweis auf ein sehr gutes Phasenverhalten. Jedenfalls ist das meine Erfahrung mit „zeitrichtigen“ Lautsprechern, die spielen in diesen Bereichen meistens gut auf. So eben auch die Focus XD.

Was den „Bühnenaufbau“ angeht, beeindruckt mich zweierlei: die Präzision der Abbildung – das hat schon Scharfschützenmentalität, was hier abgeht – und das Vermögen, wenn gefordert, einen riesigen Raum aufzumachen. Letzteres zeigt sich etwa dann, wenn ein Orchester zum Tutti ansetzt und der große Klangapparat möglichst realitätsnah ins Wohnzimmer gebeamt werden soll. Da atmet die Bühne dann quasi auf. So wie die Dynaudio das macht, empfinde ich es als natürlich. Würde der Raumeindruck in solchen Passagen nicht (wesentlich) größer, wirkte es dynamisch etwas starr, zudem verdichtete es den Raum unnötig. Das hier hat was dynamisch Bewegliches an sich und kann deshalb sehr überzeugen. Der Focus 600 XD dürfte das nicht zuletzt auch deswegen so gut gelingen, weil sie echten Tiefbass vermitteln kann, was bei der Suggestion von Raumgröße immer hilfreich ist.

Die Lichtskala links symbolisiert die Lautstärke
Die Punktskala links symbolisiert die Lautstärke

Dass bei der Focus 600 XD zweimal 300 Watt für den Tiefton mobilisiert werden können – ohne Impulse aufweichende/verschleppende Frequenzweiche zwischen Endstufen und Treiber, also aktiv an der kurzen Leine – und alles in einem geschlossenen Gehäuse stattfindet, dürfte neben der via DSP optimierten Gruppenlaufzeit wesentlich zum tollen Rhythmus- und Timinggefühl des Lautsprechers beitragen. Zum einen, weil der Bass nie „nachschlabbert“ und damit nicht Gefahr läuft, den nächsten Impuls zu verdecken – dafür ist die elektrische und mechanische Dämpfung der Woofer einfach zu streng. Zum anderen, weil Impulse unabhängig von der Frequenz subjektiv das gleiche Tempo haben, eben auch im Antritt. Eine angerissene Gitarrensaite lebhaft darzustellen, das können viele Boxen. Aber beispielsweise perkussive Anschläge auf der linken Seite der Klaviatur genauso flott rüber zu bringen wie solche auf den Tasten weiter rechts – da trennt sich die Spreu vom Weizen. Die tieffrequenten Anteile eines Impulses leiden notorisch daran, hinterherzuhinken. Nicht so mit der Focus 600 XD! Und das ist ein Unterschied ums Ganze: Spielt da eine ziemlich gute HiFi-Anlage – oder stehen die Musiker in meinem Zimmer? Diese Art „Live-Simulation“ gelingt der Dynaudio ziemlich klasse.

Einordnung und Vergleiche

Natürlich kann man für 10.000 Euro auch Anlagen mit passiven Lautsprechern zusammenstellen, die musikalisch sehr überzeugen. Wählt man als Box etwa die Dynaudio Focus 340, sucht sich einen hübschen Verstärker und eine Quelle aus, verkabelt sie mit bedacht und stellt die Komponenten auf ein Rack – dann dürfte ganz schnell die gleiche Summe ausgegeben sein. Wird es besser klingen? Ja und nein.

Ja – wenn man es subjektiv betrachtet und einen bestimmten Hörgeschmack als Maßstab nimmt, beispielsweise ausnehmend sonore Mittellagen und satte Klangfarben präferiert. Da wäre die passive Focus 340 zwar auch nicht der erste Lautsprecher, der Dynaudio Focus 600 XDmir einfiele – gleichwohl lässt sich mit einer klassischen Anlage mehr „drehen“, indem man einfach quell- und verstärkerseitig entsprechend vorgeht. Mit der aktiven Focus 600 XD ist man da festgelegter.

Nein – wenn man es nach „klassischen, objektiven HiFi-Kriterien“ beurteilen will. Mit einer normalen Kette dieser Klasse wirklich mehr Auflösung präsentiert zu bekommen, ist möglich, wird aber nicht ganz leicht. Einen größeren Raum? Ein präzisere Abbildung? Hmm. Umgekehrt würde ich aber schon behaupten, dass die Focus 600 XD in Teilbereichen mehr kann. So toll die passive Schwester im Untergeschoss spielt, mir fehlt die Fantasie, wie man derartigen Tiefgang wie bei der Focus 600 XD aus ihr herauskitzlen sollte. Und außerdem wird es schwer, 1200 Watt Verstärkerpower einzukaufen, wenn schon 5.000 Euro in die Lautsprecher geflossen sind und man sich ja auch noch um eine Quelle etc. kümmern muss. Mit der Focus XD hat man die aber in der Hinterhand – und damit einhergehend dynamische Lässigkeit und Impulstreue, auch und gerade im Tiefton.

Konzeptionell wesentlich ähnlicher als Vorgenanntes ist ein Lautsprecher, den ich vor zweieinhalb Jahren zu Gast hatte – die Genelec 8260. Auch sie ist aktiv und besitzt einen Digitaleingang, preislich ist’s ebenfalls mehr oder weniger eine Liga. Und klanglich … auch. Beide Boxen sind grundsätzlich sehr ehrlich, auflösend, Raum- wie Basstalente. Vielleicht spielt die Genelec noch detailreicher und räumlich genauer – und die Dynaudio dafür in den allertiefsten Lagen abermals exakter. Aber das ist meiner Einschätzung nach nicht so wesentlich. Die entscheidenden Unterschiede der Boxen liegen woanders. Der Genelec merkt man die Studiogene deutlich an. Positiv dabei: Optional lässt sie sich auf den Hörraum einmessen, was große Vorteile bieten kann (aber nicht muss), und das ist nur konsequent bei Verwendung von Aktivtechnik plus DSP-Weiche. Das kann die Dynaudio nicht, was ich schon etwas schade finde (allerdings gibt es die Möglichkeit, den Pegel im Hoch- und Tiefton manuell anzupassen). Dafür sieht sie aber auch nicht aus wie ein aufgepumptes, dunkelgraues Rugby-Ei, ein Umstand, der den berühmten Wife Acceptance Factor um Zehnerpotenzen steigern dürfte. Auch so etwas wie eine Fernbedienung ist für Heimanwender bei Aktivboxen nicht völlig exzentrisch, liebe Genelec-Leute. Und optionalen Wireless-Betrieb bieten wiederum nur die Dänen, während die Finnen ausschließlich auf den im Pro-Bereich üblichen AES/EBU-Standard bei Digitalinputs vertrauen.

Um die Dynaudio Focus 600 XD schließlich auch noch nach oben abzugrenzen und zum eingangs erwähnten „Schock“ zurückzukommen. So extrem (klang-)smart das Konzept der Dänen ist, es verüberflüssigt das klassische highendige Treiben nicht. Vielmehr steht es parallel daneben. Wer das Absolute sucht, mehr ausgibt und auf klassische Anlagenkonstellationen mit passiven Lautsprechern setzt, befriedigt mehr als seinen Spieltrieb und Technikfetischismus. Natürlich kann man so auch klanglich noch mehr erreichen als unser Proband bietet. In Dynaudio Focus 600 XDmeinem Fall trivialerweise allein schon wegen der Lautsprecher Blumenhofer Genuin FS 1 MK 2 höhere Maximallautstärke und Grenzdynamik. Das ist einfach noch mal eine ganz andere Nummer. Entscheidender als das sind abermals gesteigerte Natürlichkeit, höhere Auflösung, größerer Raum, plastischere Abbildung – und die einfach noch überzeugender gelingende Illusion, die Musiker stünden wirklich vor einem. Ja, alles das lässt sich noch ein wenig steigern. Gleichwohl, der Schock bleibt – weil die Focus 600 XD nämlich schlaglichtartig klar macht, wie verdammt teuer die letzten klanglichen Millimeter doch sind.

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Test: Dynaudio Focus 600 XD | Aktivlautsprecher, Standlautsprecher

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