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Test: Audiograde Ardora | Standlautsprecher

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  1. 1 Test: Audiograde Ardora | Standlautsprecher

Mai 2014 / Ralph Werner

„Eigentlich wollte ich nur ein Lautsprechergehäuse bauen. Darüber bin ich dann Kunststoff-Gusstechniker geworden“, so Wolfram Szentiks, Entwickler und Vorstand der Audiograde AG (Web: www.audiograde.de), anlässlich eines Besuchs in Berlin, bei dem er uns seinen in vielerlei Hinsicht ungewöhnlichen Vollguss-Lautsprecher namens „Ardora“ vorstellt. Etwas despektierlich ließe sich also von einer „Plastikbox“ sprechen.

Doch das weckt völlig falsche Assoziationen, allein schon gewichtstechnisch: Ein Paar dieser hübsch geschwungenen Lautsprecher wiegt nämlich eine Vierteltonne. Jawohl, 250 Kilogramm. Netto wohlgemerkt, also ohne die Flightcases, die als Verpackung dienen und ihrerseits so viel auf die Waage bringen, wie normale ausgewachsene Standboxen es gemeinhin tun. Gut ist’s, wenn man seine Grenzen kennt: Erstmalig in der fairaudio-Geschichte werden kräftige Umzugshelfer angeheuert, um Lautsprecher in den Hörraum zu wuchten. Das fängt ja gut an!

Audiograde-Anlieferung
Wolfram Szentiks (kniend), Entwickler und Vorstand von Audiograde, sowie Johannes Krämer, verantwortlich fürs Marketing, helfen bei der Aufstellung der Ardora

Natürlich ging es Szentiks – von Haus aus Elektrotechniker mit vertiefter Expertise im Bereich CNC-Technik – nicht darum, ein maximal schweres, sondern resonanz– und vibrationsarmes Lautsprechergehäuse zu kreieren. Ein solches sollte gegossen werden, so seine Überzeugung, denn nur das sichere einen nahtlosen Korpus, einen Monolithen ohne Materialübergänge. Solche Übergänge – im Lautsprecherbau klassischerweise die Verleimungen der einzelnen Holzplatten – seien in Bezug auf Resonanzen nämlich immer Schwachstellen.

Audiograde ArdoraEine für den Einsatzzweck optimale Spezial-Kunststoffmischung musste natürlich auch erst gefunden werden. Und als das geschehen war, zeigte sich die Nebenwirkung der „Polygrade“ genannten Spezialkomponenten-Mischung, nämlich dass das Zeug – sorry – sauschwer ist. Ungefähr so schwer wie Beton und damit mehr als dreimal dichter als MDF, das am weitesten verbreitete Material im Boxenbau, weshalb Szentiks auch von „Polymerbeton“ spricht. Entsprechend witzlos fällt der ominöse Klopftest bei diesem Lautsprecher aus – ein Brückenpfeiler klänge da wohl ganz ähnlich. Erwähnte ich schon, dass die Wandstärke an der dünnsten Stelle 35 mm, anderenorts aber 60 mm beträgt?

Weshalb aber die geschwungene Form? Nein, nicht allein der Optik wegen, wobei die ja durchaus ihren Reiz besitzt und die Audiograde Ardora einmalig macht – gerade auch in Asien käme sie gut an, vermutlich wegen gewisser Yin-Yang-Assoziationen, erfahre ich. Hm, so hatte ich das noch gar nicht betrachtet. Doch es geht beim Gehäusezuschnitt natürlich genauso gut um akustische Belange, schließlich soll eine solche Form stehende Wellen im Innern minimieren. Klar – dergleichen streben so einige Lautsprecherentwickler an, warum sollte das hier falsch sein?


Blick in die Produktion: Das gegossene Ardora-Gehäuse (beigefarben) in der individuellen Styropor-Form

Das Gehäuse ist nicht die einzige Besonderheit der Ardora, aber wohl die auffälligste. Was man auf den ersten Blick jedoch nicht sieht, ist der enorme Aufwand, der dahintersteckt. Szentiks sagt, er habe an dem Gießverfahren allein schon acht Jahre lang gearbeitet. Erst nachdem er von der prinzipiellen Machbarkeit überzeugt war, gründete er das Unternehmen Audiograde in 2010. Es verging ein weiteres Jahr, bis man produktionsseitig wirklich so weit war, die gewünschten Qualitäten im Vakuumgussverfahren herstellen zu können. Stand heute wird allein zur Anfertigung eines Gehäusepaares – inklusive der Oberflächenbehandlung – gut eine Woche benötigt. Das ist vergleichsweise schon enorm viel Zeit, vor allem im Hochlohnland Deutschland. Die Szentiks’sche Spezialmischung gibt es natürlich auch nicht für umsonst – und gut 140 l werden für ein Pärchen benötigt. „Da sind so einige Liter für Anguss und Aufmaß mit dabei. Circa 30 kg werden durchs Fräsen wieder abgetragen. Das tut mir in der Seele weh“, verrät der Entwickler. So langsam erklärt sich mir nicht nur das hohe Gewicht, sondern auch der nicht minder schwere Preis. Die Audiograde Ardora ist deutsches Manufaktur-Handwerk im Wortsinn.

Bearbeitung des Ardora-Gehäuses

Audiograde Ardora - RückansichtEin derart aufwendiges Gehäuse bestückt man natürlich nicht mit B-Ware. Ganz im Gegenteil, für die Ardora wird zur feinen und eben auch teuren Ware aus dem Hause Thiel/Accuton gegriffen. Der Audiograde-Lautsprecher wurde komplett mit diesen ebenfalls aus deutscher Fertigung stammenden Keramikchassis bestückt: Zwei 17er teilen sich das tonale Unterhaus – wobei sich der untere Treiber schon früher, nämlich bei 550 Hertz, auskoppelt, es handelt sich also um ein 3,5-Wege-Design. Ein 50-mm-Mitteltontreiber bestellt das Feld zwischen 1,2 und 3,65 kHz, darüber hinaus werkelt dann die 25-mm-Inverskalotte. Der Bassreflexport sitzt auf der Rückseite der Ardora, ziemlich exakt auf halber Höhe des 108 cm messenden Lautsprechers.

Die Accuton-Keramiktreiber gelten vielen als impulsschnell, hochauflösend und verzerrungsarm – aber manchen auch als etwas scharf im Klang. Verantwortlich dafür wird zumeist das sogenannte „Aufbrechen“ der Membranen gemacht, eine Resonanzerscheinung am oberen Ende des Einsatzbereichs der jeweiligen Chassis. Szentiks hat einige Maßnahmen ergriffen, damit es dazu nicht kommt: Die Entscheidung gegen ein 2- oder 2,5-Wege-Konzept und damit für einen dedizierten Mitteltontreiber gehört – so banal es klingt – dazu. Man könnte die 17er-Chassis auch höher hinauflaufen und den Hochtöner tiefer starten lassen – doch genau damit verließe man, so Szentiks, den Wohlfühlbereich der Treiber, was das gefürchtete Aufbrechen wahrscheinlicher mache. Es wundere ihn, warum man den 50-mm-Keramik-Mitteltontreiber so selten zu Gesicht bekommt. Szenitks modifiziert dieses Chassis noch, indem er im Sinne weiterer Resonanzminimierung den hinteren Gehäuseteil entfernt. Natürlich stecken Mittel- und gekapselter Hochtöner der Ardora in einem von den Basstreibern (die auf circa 50 l je Box arbeiten) getrennten Volumen, damit klangschädigende Beeinflussungen unterbleiben.

Gehäuseaufbau der Audiograde Ardora
Gehäuseaufbau der Audiograde Ardora

Damit der ideale Einsatzbereich der Treiber eingehalten wird, erfolgt die Trennung der Wege mit 12 dB/Oktave. Und auch wenn manche Entwickler Weichen erster Ordnung eine höhere Phasentreue nachsagen – Szentiks will den Keramikchassis mit der doppelstöckigen Ardora-Frequenzweiche nicht nur eine saubere Trennung der Arbeitsbereiche vorgegeben, sondern auch ein ziemlich impulsoptimales Verhalten anerzogen haben – mit feinen Bauteilen bestückt (Flachbandspulen und MCap-Supreme-Kondensatoren von Mundorf) ist sie auf alle Fälle.

Die Weiche der Ardora ist doppelstöckig ausgeführt
Die Weiche der Ardora ist doppelstöckig ausgeführt

Einen weiteren Beitrag gegen Härten und zur Steigerung der Verzerrungsarmut stellt übrigens auch die spezielle Doppel-Schallführung für Mittel- und Hochtontreiber dar – die weltweit erste ihrer Art für Keramikchassis übrigens. Natürlich steigt mit diesem Waveguidemodul auch die Schalldruckausbeute – und was von sich aus lauter tönt, muss man nicht weiter treten, salopp formuliert. Je weniger Hub eine Membran für einen bestimmten Pegel machen muss, desto verzerrungsärmer fällt in der Regel das Ergebnis aus.

Doppel-Waveguide der Ardora
Doppel-Waveguide der Ardora

Dabei dient das Ganze eigentlich primär dazu – logisch! –, die Waves zu guiden, also das Abstrahlverhalten möglichst homogen und zielgerichtet im Sinne eines breit angelegten Sweet-Spots zu „formen“. Die obengenannte Nebenwirkung in Form einer höheren Schallleistung bei gleicher Hubarbeit der Treiber nimmt man aber natürlich gerne mit – wie des Weiteren auch betont wird, dass der Waveguide dabei helfe, die akustischen Zentren der beiden Chassis zusammenzurücken. Die angestrebten Ideale lauten hier: Punktschallquellencharakteristik und Phasenkohärenz.

Die Ardora gibt es auch in einer aktiven Variante. Dann wird sie je Kanal von vier 300-Watt-Endstufen befeuert und von einem DSP-basierten Lautsprechermanagementsystem gesteuert. Bei Letztgenanntem handelt es sich um deutlich mehr als eine einfache Aktivweiche. Das System ermöglicht es nämlich, die Lautsprecher komplett auf die jeweilige Raumakustik beim Kunden vor Ort anzupassen. Diese individuelle Einmessung gehört selbstverständlich mit zum Service, entscheidet man sich für die Ardora Active. Die Passivversion lässt sich auch nachträglich noch aktivieren, preislich liegt diese Option bei 16.000 Euro. Doch hören wir erst einmal in das hinein, was unser passiver Silberpfeil zu bieten hat …

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