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Beats & Hypnose

Januar 2017 / Lorina Speder

Der durch die Red Hot Chili Peppers berühmt gewordene Gitarrist John Frusciante hat unter dem Pseudonym Trickfinger im April 2016 eine EP namens Foregrow veröffentlicht. Der Musiker, der schon Bands wie The Mars Volta bei ihren Alben aushalf, baute sich bereits während seiner Tätigkeit für die Peppers eine Solokarriere auf und veröffentlichte bisher elf Soloalben und fünf EPs.

John Frusciante – Foregrow Cover

Das Album Foregrow klingt rein elektronisch, wenn wir einmal von der gleichnamigen Titelsingle absehen, bei der wir auch Frusciantes verzerrten Gesang hören. Und obwohl der Sound der Platte fast ausschließlich am Computer und mit dem Analog-Synthesizer Roland TB-303 generiert wurde und wenig mit der Rock-Musik der Red Hot Chili Peppers zu tun hat, kann man rhythmisch und melodisch Frusciantes Spuren heraushören. Die Motive sind geprägt vom Elektro-Schlagzeug, das manchmal stottert, oft in den Sounds wechselt oder sich, wie im ersten Track, langsam aufbaut und steigert. In einem Interview meinte Frusciante, dass er sich dabei besonders an Jungle-Beats orientiert habe. Selten hört man auf der EP eine Gitarre wie im zweiten Track „Expre’act“. Dass Frusciante die vier Songs schon 2009 aufgenommen hat und sie erst jetzt veröffentlicht, überrascht nicht: Lange weigerte er sich, seine Kunst zu kommerzialisieren und als Produkt auf den Musikmarkt zu bringen.

Welche Mengen fertig produzierter Songs auf seinen Festplatten liegen mögen, kann man bei den kreativen Schüben dieses Musikers schwer einschätzen. Allein 2004 veröffentlichte er beispielsweise sechs Soloalben, die ab Juli 2004 im Monatstakt an die Öffentlichkeit geführt wurden.

Foregrow dürfte eines von Frusciantes ersten Experimenten mit elektronischer Musik gewesen sein. Nach dem Austritt bei den Red Hot Chili Peppers 2009 hatte er auf seinem Blog verkündet, dass er sich schon lange mit elektronischer Musik, die in der Szene auch als Acid-House beschrieben wird, beschäftigt und gelernt hätte, diese zu programmieren. Foregrow ist somit ein Album, mit dem sich Frusciante wirklich identifiziert – ein Gefühl, das er bei den Red Hot Chili Peppers am Ende vermisst hat.

Das Album ist zunächst exklusiv als Vinyl-EP erschienen, man kann die Musik aber auch auf Youtube finden und so jederzeit in die anderen Welten des John Frusciante abtauchen.

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Pixies - Head Carrier Cover

Jeder kennt die Pixies – der Song „Where is my Mind“ bekam durch diverse Filmsoundtracks wie dem von Fight Club oder der Serie Mr. Robot immer wieder neue Popularitätsschübe. Die Platte Surfer Rosa, auf der das Lied das erste Mal veröffentlicht wurde, stammt aus dem Jahr 1988 und gilt als eines der wichtigsten Alben dieser Ära. Prägende Künstler des folgenden Jahrzehnts wie etwa Kurt Cobain von Nirvana oder die Mitglieder von Radiohead nennen die Pixies als einen ihrer größten Einflüsse.

Nun, nach der Trennung der Band im Jahr 1993, der Rückkehr in die Öffentlichkeit mit Konzerten 10 Jahre später und der endgültigen Verabschiedung von ihrer Bassistin Kim Deal im Jahr 2013, kommt ein neues Album auf den Markt. Wenn Band-Mitglieder wechseln und dann ein neues Album entsteht, ist das ja immer eine besondere Herausforderung. Vor allem die Rolle, die die neue Bassistin Paz Lenchantin einnimmt, wäre für eine Weiterentwicklung der Musik ganz entscheidend gewesen. Mit dem Album Head Carrier, das Ende September 2016 erschienen ist, enttäuschen die Pixies aber leider.

Die neue Frau am Bass scheint sich nicht selber definieren zu wollen, sie stellt lediglich eine Kopie von Kim Deal dar. Die Musik auf Head Carrier ist keine Weiterentwicklung, nicht für die Band und auch nicht für Rock-Musik im Jahre 2016. Deshalb wirkt die neue Pixies-Platte leider nur langweilig und gehört zum Genre „alternative Gitarrenmusik, die man sich sparen kann“.

Die Ära, in der die Pixies sich noch mit tollen Riffs und Melodien von anderen Bands des Genres unterschieden haben, ist vorbei. Jetzt klingt ihre Musik nur noch wie ein Abklatsch, ohne rechte Energie. Belanglose Riffs, die an Highschool-Rock, nur ohne Power, erinnern, lassen die Bandmitglieder, die sich in ihren 50ern befinden, ziemlich alt aussehen. Der dritte Song „Baal’s back“ beispielsweise hat mit seinem Schrei-Gesang und den verzerrten Gitarren geradezu etwas verzweifelt Bemühtes. Nach Baal, der Dämon-Gottheit, klingt es jedenfalls so gar nicht. Auch in „Might as well be gone“ versuchen die Pixies, die 90er Jahre wiederaufleben zu lassen. Der Anfang klingt wie ein Nirvana-Riff – dass das aber nur noch einschläfernd wirkt, überrascht einen bei den Songs davor nicht mehr wirklich. Den Songtitel kann man leider auch auf die Musik übertragen. Die Single des Albums „Tenement Song“ ist zwar ein Ohrwurm, aber wieder kommt nichts Neues, Erfrischendes. Dafür ist das bunte Video mit den Illustrationen ganz unterhaltsam. Es sieht so aus wie eine Kollage und führt die Zuschauer in Unterwasserwelten hinab. Dass ein Video zu einem Song allerdings der beste Part eines neuen Albums sein soll, sagt aber eigentlich auch schon alles.

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Omar Rodriguez Lopez – Sworn Virgins Cover

Das 27. Studioalbum von Omar Rodriguez Lopez ist nur der Anfang einer Veröffentlichungsreihe, die es in sich hat. Alle zwei Wochen bringt der Gitarrist und kreative Kopf von Bands wie Antemasque, At the Drive-in oder The Mars Volta ein Album auf den Markt, und das über sein eigenes Label Ipecac Recordings. Die Musik schrieb er vor circa drei Jahren, bevor er sich entschloss, nicht mehr solo, sondern im Zusammenschluss mit anderen Musikern zu arbeiten.

Auf Sworn Virgins ist der ehemalige The-Mars-Volta-Schlagzeuger Deantoni Parks mit von der Partie – Dynamik und Sound des Albums erinnern an die „guten alten Zeiten“. Doch in einem Punkt unterscheidet sich die Platte deutlich von den The-Mars-Volta-Sachen: Die Instrumentierung ist reduzierter – logisch, denn hier spielt keine 11-köpfige Band auf. Gitarren, Synthesizer und Keyboards wurden fast ausschließlich von Rodriguez Lopez selbst eingespielt.

Die Musik auf dem Album wirkt hypnotisierend – das kommt wesentlich durch die Effekte auf den Gitarren und durch die verzerrte Stimme. In „To Kill a Chi Chi“ wird dagegen die mysteriöse Atmosphäre durch den Synthesizer aufgebaut. Die Rhythmen, oft durch die Snare vorgegeben, ändern sich spontan und werden abrupt unterbrochen. Man sollte das ganze Album am Stück hören, denn wie so oft bei Rodriguez Lopez baut sich die Musik langsam, aber stetig auf. Die Song-Reihenfolge auf der Platte ist jedenfalls sehr durchdacht.

Für alle Fans der vielen Bands von Omar Rodriguez Lopez ist sein Solo-Werk auf jeden Fall ein Muss. Für solche, die noch nicht mit seiner rohen und wilden Musik bekannt geworden sind, ist es wegen der sich wiederholenden Gesangsmelodien und des alternativen Hitcharakter vieler Stücke für den Einstieg gut geeignet.

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