Demnächst im Test:

Billboard
ASR Audio Kraft seit 1980

Musikproduktion heute, Teil 3: Mixdown und Mastering

Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Musikproduktion heute, Teil 3: Mixdown und Mastering
  2. 2 Pegelanpassungen
  3. 3 Frequenzbearbeitung
  4. 4 Dynamik

 

Juli 2014 / Nick Mavridis

Teil 1 dieser Serie hat das Recording betrachtet, Teil 2 im Wesentlichen das Editing. In diesem abschließenden, dritten Beitrag unserer Serie soll’s nun um den Mixdown und das Mastering gehen.

Wenn die einzelnen Signale einer Aufnahme vorliegen, also beispielsweise die Trommelspuren, die verschiedenen Gitarren und Vocals, dann müssen diese zueinander in ein Verhältnis gesetzt werden. Dieser Vorgang nennt sich „Mixdown“ oder auf Deutsch „Mischung“. Dass das zentrale Arbeitswerkzeug dafür das Mischpult ist, liegt aufgrund der Namensverwandtschaft sicher auf der Hand. Das Ergebnis eines solchen Mixdowns ist eine Stereo-, manchmal auch Surround-Tonspur, welche prinzipiell direkt ihren Weg auf einen Tonträger oder in ein Download-Portal finden könnte – wäre da nicht ein weiterer Zwischenschritt: Das Mastering (welches ganz genaugenommen Premastering genannt werden müsste) bearbeitet eben jenen Mix. Gegen Ende dieses Artikels werde ich mich auch diesem Vorgang kurz widmen.

Pegelanpassungen

Im Grunde ist alles ganz einfach: Im Mixdown wird vor allem bestimmt, welches Signal wie laut zu hören ist. Dies wird am Mischpult mit den sogenannten Fadern eingestellt, das sind diese vertikal laufenden Regler, die nicht anders funktionieren als der „Volume“-Regler an ihrer Anlage. Leiser: Fader runter, lauter: Fader rauf. So, nachdem dieser Vorgang erklärt ist, muss ich nur noch den Rest dieses Fachartikels mit sinnlosem Fülltext aufgießen, sonst wird er zu kurz für die Veröffentlichung bei fairaudio … aber nein, ganz so einfach ist es nun natürlich doch nicht.

Fader

Das Mischen ist schon eine hohe Kunst und bedarf streckenweise eines enormen Aufwands und hoch spezialisierter Werkzeuge, doch bleibt das Einstellen der Levels der Grundstock dieser Arbeit. Problematisch ist dabei, dass ein einfaches „Leise“ oder „Laut“ nicht die einzigen Parameter in einer Mischung sind, sondern auch im Sinne einer virtuellen Bühne mit „Vorne“, „Hinten“, „Links“ und „Rechts“ gearbeitet wird – als Freunde des Wohlklangs und bewusste Musikhörer kennen sie diese Umstände. Zudem ist der Lautheitseindruck schon eines einzelnen Signals eine wahrlich komplexe Angelegenheit: Das Spektrum und die Zeitstruktur eines Signals sind maßgeblich dafür verantwortlich, wie laut wir Menschen etwas im Vergleich zu anderen Signalen empfinden. Sogar die umgebenden Signale, die Gesamtlautstärke, ja sogar unsere persönliche Hörerfahrung und Sympathie für oder Aversion gegen gewisse Klänge(!) bestimmen, wie laut uns etwas erscheint! Die menschliche Stimme etwa darf sich sicher sein, von uns beim Hören gesondert „behandelt“ zu werden, sie ist geradezu magnetisch! Näheres dazu erfahren Sie auch im ersten Teil unseres Psychoakustik-Artikels.

Pegelsteller

Eines der Hilfsmittel, um Pegel wie gewünscht einzustellen, sind die genannten Fader. Diese haben teilweise einen enormen Regelweg, um präzise Levelsettings zu ermöglichen. Allerdings muss dies nicht statisch sein. Ein Flügelsound, der zu Beginn eines Songs alleine die Vocals umspielt, würde bei gleichbleibendem Pegel vielleicht ordentlich nerven, wenn die gesamte Band eingesetzt hat. Aus diesem Grunde verfügen moderne Mischpulte und DAWs (Digital Audio Workstations) über Automationen, in welchen die Pegelsteller (und auch andere Parameter) in ihrer Bewegung aufgenommen und editiert oder direkt mit Mausklick gesetzt werden können. Der Einfachheit halber, aber auch, um spätere Bearbeitungen für ganze Instrumentengruppen zu ermöglichen, werden oft Subgroups gebildet, mit denen sich etwa alle Gitarren gemeinsam regeln lassen.

Automation
Mehrere editierte Spuren und ihr Pegelverlauf (gelb)

Und, ach ja: Es gibt eine Sonderform des Pegelns in der Mischung. Diese nennt sich „Mute“: Es ist gang und gäbe, dass die aufgestellte Mikrofone am Schlagzeug, im Raum oder an der Gitarrenbox, ja sogar die Oboenspur in der tollen Ballade, die das Produktionsbudget so stark belastet hatte, einfach stummgeschaltet werden. Manche Signale brauchen einfach Platz, dann müssen andere eben zurücktreten oder sogar komplett weichen.

Frequenzbearbeitung

Was macht der gemeine Musikkonsument eigentlich, wenn ihm beim Musikhören an einer „normalen“ Anlage die Bässe eines bestimmten Musikstücks zu sehr wummern? Nun, er wird zum Equalizer greifen. Der Toningenieur macht genau das Gleiche, wenn ihm die E-Gitarre untenrum im Mix etwas zu „dick“ erscheint und sich mit anderen Signalen beißen würde oder die Vocals zwar laut, aber nicht „präsent“ und „vorne“ genug sind. Allerdings verfügt ein Mischpult, erst recht aber ein externer Equalizer oder ein Plug-in, meist über deutlich mehr Funktionen als die simplen „Treble“- und „Bass“-Drehregler, die man aus dem HiFi-Bereich kennt. Diese beschränken sich auf eine feste Grenzfrequenz, ab der (beim Höhenregler) oder bis zu welcher (beim Tiefenregler) angehoben oder abgesenkt wird. Diese Klangbearbeitung gibt es bei vielen Mischpulten auch, sie nennt sich Shelving-Filter. Nicht selten ist dort aber die Frequenz wählbar. Manchmal will man die oberen oder unteren Spektralanteile jedoch nicht einfach nur dämpfen, sondern löschen: Hier greifen Hoch-, seltener Tiefpassfilter ein – oft mit variablen Filterfrequenzen und Steilheiten. Diese Begriffe werden ihnen sicher bekannt vorkommen, und tatsächlich: Diese Filter arbeiten genau so wie in Lautsprecher-Frequenzweichen!

Die Allzweckwaffe ist jedoch der parametrische Equalizer. Anhand der alternativen Bezeichnung „Glockenfilter“ erkennt man schon, wie er arbeitet: Um eine (oft frei einstellbare) Frequenz herum kann angehoben oder abgesenkt werden. Zudem gibt es noch die Bandbreite, den „Q-Faktor“. Dadurch wird es möglich, sogar sehr schmalbandig einzugreifen – nötig beispielsweise, um Kesselresonanzen einer Trommel herauszufiltern.

Verschiedene EQ-Plug-Ins Verschiedene EQ-Plug-ins. Das mittlere (Channel EQ) zeigt von links nach rechts: Hochpassfilter, schmales und normales parametrisches Band, High-Shelf

Mittels Frequenzfilterung werden manche Signale durchaus stark verändert – ach was: entstellt! Das Ziel in den meisten Produktionen ist aber nicht, jedes Signal so natürlich und vollständig wie möglich darzustellen, sondern alle passend zueinander im Mix zu platzieren. In der Gesamtheit soll es gut klingen, nicht einzeln. So ist manche Akustikgitarre per Solo-Knopf abgehört zwar erschreckend dünn, bassarm und eindimensional, konkurriert dafür aber nicht mit wichtigeren Signalen wie den Main-Vocals. Mit dem Unterstützen oder Verringern gewisser spektraler Anteile lassen sich Signale gezielt steuern: So kann das gleiche Bassdrumsignal durch Veränderung im einstelligen Kilohertzbereich rund, warm und gemütlich oder aber knackig, aggressiv und durchsetzungsfähig werden – wie es der Song eben benötigt.

Dynamik

Frequenzbearbeitung ist zweifelsohne ein wichtiges Werkzeug und zudem recht einfach zu verstehen und zu regeln. Etwas komplizierter wird es, wenn nicht das Spektrum verändert wird, sondern die Dynamik.

Gain Reduction

Allerdings ist auch hier das Grundprinzip durchaus simpel: Dynamikbearbeitende Effekte verändern die Pegelunterschiede eines Signals. Der Kompressor ist das wichtigste Dynamik-Tool, er verringert die Differenzen von leisen zu lauten Signalpassagen – daher auch der Begriff Kompression. Hohe Pegel im Signal werden verringert, geringe angehoben, diese Verdichtung hat einen höheren Durchschnittspegel zur Folge. Einerseits ist es dadurch leichter, die Pegel unter Kontrolle zu halten, andererseits gibt es noch ganz andere Signaleigenschaften, die dadurch gesteuert werden können. So werden diese Verdichtungen meist nicht pauschal vorgenommen, sondern nur dann, wenn das Signal einen gewissen Pegelwert übersteigt. Dieser nennt sich „Threshold“. Oberhalb dieses Schwellwertes wird mit einem Verhältnis von Eingangs- zu Ausgangsdynamik komprimiert. Diese Ratio ist in den meisten Fällen schaltbar. Typische Werte sind 2:1 und 4:1 (Verhältnis Eingangspegel zu Ausgangspegel), bei welchen die Dynamik des Ausgangssignal halbiert oder sogar geviertelt wird. Theoretisch könnte man ja diese Pegelunterschiede auch per Hand oder Automation mit dem Fader ausgleichen, aber wohl kaum so schnell: Manche Kompressoren können sehr flott zur Sache gehen, zudem lässt sich einstellen, wie schnell er nach Überschreiten des Thresholds mit der Verdichtung beginnt und wie schnell er wieder zurückregelt.

Attack

Enorm wichtig ist die Attackzeit, die Ersteres steuert. Da der Einsatz eines Sounds sehr prägend für dessen Wahrnehmung ist, ist es ein großer Unterschied, ob er schon vom Kompressor heruntergedrückt wird oder diesen noch so gut wie unbearbeitet passieren darf. Eine Bassdrum beispielsweise wirkt „dicker“, wenn durch die schnelle Kompression schon der Anschlag im Pegel verringert wird. Falls sie sich wundern, dass „leiser machen“ so positive Auswirkungen haben kann: Durch die geringere Dynamik kann im Anschluss das gesamte Signal mit seinem nun höheren Durchschnittspegel stärker angehoben werden, ohne dass Folgen der KompressionPegelspitzen zu Verzerrungen führen (siehe Bild rechts: Waveform des Originalsignals (oben) nach Kompression (mitte) und zusätzlichem Limiting (unten)). Übrigens gibt es einen sehr schnellen, sehr stark eingreifenden Dynamikeffekt: Der Limiter, mit Ratios von 8:1 und mehr, wird in erster Linie dazu verwendet, Pegelspitzen abzusäbeln, um die nachfolgende Übertragungskette besser ausnutzen zu können. Besonders in der Endbearbeitung, dem Mastering, kommt der Limiter zum Einsatz.

Kompressoren werden also nicht nur technisch eingesetzt, sondern haben ganz klar auch klangästhetische Aufgaben. Dies umso mehr, als dass sie teilweise das Signal stark färben. Besonders Kompressoren mit Röhrenstufen oder manche alte Transistordesigns sind hier sehr beliebt und werden vor allem für die menschliche Stimme eingesetzt. Doch selbst sehr behutsam und unauffällig komprimierende Geräte oder Plug-ins entfernen das Klangresultat vom Original. Nicht immer ist das Ergebnis von Kompression klangästhetisch vorteilhaft, vor allem bei „akustischen“ Musikrichtungen. Und es ist schon ein wundervolles Erlebnis, beispielsweise eine „Original Dynamics“-Aufnahme des BIS-Labes über eine Anlage zu hören, die diese Dynamikabstufungen auch gut transportieren kann.

Es gibt jedoch auch Dynamikwerkzeuge, die genau andersherum wie ein Kompressor vorgehen. Diese Expander werden allerdings eher selten eingesetzt, eine Sonderform hingegen häufiger: Noise Gates sperren den Signalpfad komplett, wenn der Pegel zu gering wird. Wie der Name es schon erkennen lässt, wurde ein solches Hilfsmittel eingesetzt, damit Kanäle nicht auch in Momenten vor sich hinrauschen, wenn sie sowieso kein sinnvolles Signal tragen. Sie sind also eine Art automatischer Mute-Schalter, welcher sich mit allerlei Parametern sehr präzise einstellen lässt.

Eine Besonderheit ist, dass sich in manchen Dynamikgeräten das Signal, welches für die eigentliche Veränderung sorgt, weiter variieren lässt. Ein normaler Kompressor richtet seine Dämpfung nach dem Eingangssignal: Je höher der Pegel, desto stärker die Dämpfung. Will man aber beispielsweise eine Schlagzeuggruppe komprimieren, hat immer die Bassdrum den größten Einfluss – sie hat den größten Anteil am Gesamtpegel der Gruppe. Wird nun in dem Detektorweg, also beim Signal, welches zur Steuerung verwendet wird, ein Hochpassfilter eingesetzt, wird dieser Einfluss zurückgefahren. Und mehr noch: Man kann einen Kompressor sogar mit fremden Signalen füttern! Wird der Kompressor auf einer Gitarrenspur beispielsweise vom Gesang gesteuert, dann wird die Gitarre immer genau dann leiser, wenn gesungen wird – ein Auto-Levelling quasi! Und diese Beispiele sind nur der Anfang einer Fülle von Möglichkeiten …

Billboard
Teufel

Musikproduktion: Musikproduktion heute, Teil 3: Mixdown und Mastering

  1. 1 Musikproduktion heute, Teil 3: Mixdown und Mastering
  2. 2 Pegelanpassungen
  3. 3 Frequenzbearbeitung
  4. 4 Dynamik