Demnächst im Test:

Dr. Martin Mertens

Promovierter Germanist

Martin MertensDer Ursprung des Wortes „Musik“ lässt sich auf die altgriechischen Begriffe mousike techne zurückführen, was man etwa mit „Handwerk der Musen“ oder auch „Technik der Musen“ übersetzen kann. Damit bin ich aus dem Schneider: Wenn Technik zum Konzept von Musik gehört, darf ich es zugeben – mein ursprüngliches Interesse an HiFi entsprang nicht einer tiefen, durch frühkindliche Erlebnisse geprägten, wie auch immer gearteten Beziehung zur Musik, sondern dem Spaß an Technik. Angefangen hat das Ganze im pubertären Alter mit der Faszination für alles Elektrische und Elektronische. Da ich im Umgang mit dem Lötkolben nicht besonders geschickt war und mir der Ehrgeiz abging, zu lernen, welche farbigen Ringe welchem Widerstandswert entsprachen, habe ich mich lieber mit fertig aufgebauter Elektronik beschäftigt.

Zuerst war meine HiFi-Welt noch überschaubar. Die Qualität von Verstärkern und Lautsprechern ließ sich schlicht in „Watt“ angeben. Je mehr, desto besser. Durch die weitere Beschäftigung mit der Materie kamen andere Aspekte dazu: Klirrfaktor und TIM sowie Signal-Rausch Abstand. Mit meinem Wissen um Prozente und Dezibel und der Kenntnis, dass es neben Schneider und Fisher auch Marken wie Technics, Sansui oder Yamaha gab, hielt ich mich für einen ausgewiesenen HiFi Experten.

Diese glückliche HiFi-Welt wurde arg erschüttert, als ich bei einem Freund meines Vaters das erste Mal vor einer richtigen High-End Anlage stand. Firmen wie Accuphase, Denon oder Rogers waren meiner Aufmerksamkeit bis dato entgangen. Händler, die solche Marken führten, ebenfalls. Das Datenblatt der Rogers-Lautsprecher, das mir der stolze Besitzer überließ, habe ich lange wie ein Heiligtum gehütet. Auch wenn ich heute nicht mehr weiß, um welches Modell es sich handelte, kann ich mich noch an die Bestückung erinnern: ein 200-mm-Bextrene-Tieftöner, eine 38-mm-Mylar-Kalotte und ein spezieller Celestion Superhochtöner. Bleibenden Eindruck hat vor allem der Tieftöner bei mir hinterlassen, der sich weit aus dem Gehäuse heraus bewegte und viel Wind durch die Bassreflexöffnung herausblies, wenn Tschaikowskys Ouvertüre 1812 in der Telarc Aufnahme im Player lag – die Aufnahme mit dem unübersehbaren Hinweis „CAUTION! DIGITAL CANNONS“ auf dem Cover.

Von da an gab es kein Halten mehr. Ich begann, mein in Schul- und Semesterferien verdientes Geld in HiFi-Komponenten zu investieren. Darauf, an dieser Stelle meine HiFi-Geschichte anhand der einzelnen Geräte, die ich besessen habe, aufzuzählen, verzichte ich lieber. Wichtig ist vielmehr, dass ich es bei meiner weiteren Beschäftigung mit dem Thema HiFi nicht vermeiden konnte, mich auch mit dem, was ich über die Anlagen hörte, zu beschäftigen: mit Musik.

Dieser Weg, über die (HiFi-)Technik zur Musik zu finden, hat einige Folgen für mein Verhältnis zu dieser: Zum einen messe ich mein Musikerleben nicht an Live-Erlebnissen. Ja, auch Livemusik jeglicher couleur macht Spaß. Es ist aber etwas völlig anderes, Musik über eine Anlage zu hören. Hier habe ich den Premium-Platz. Menschen, die viel mehr von Musik verstehen als ich, haben sich liebevoll darum gekümmert, dass ich in perfekten Musikgenuss komme. Und weil ich nicht irgendwo zwischen anderen Menschen eingezwängt herumstehe oder sitze, kann ich mich viel mehr auf die Musik konzentrieren.

Zum anderen wiederspreche ich vehement all jenen, die behaupten, dass man die Qualität einer Anlage als „Laie“ ja doch nicht höre, denn High-End Anlagen seien nur etwas für Profis. Ich meine, das Gegenteil ist der Fall. Je weniger man mit Musik vertraut ist, je weniger „Vorbildung“ man hat, desto wichtiger ist es, möglichst viele Feinheiten und Details zu hören. Ich vergleiche Musik in diesem Zusammenhang gern mit einer Fremdsprache: Je weniger man eine Sprache beherrscht, desto „mehr“ muss man hören, um den Sinn des Gesagten zu verstehen. Eine schlechte Aussprache des Gegenübers oder starke Nebengeräusche stören das Sprachverstehen empfindlich. Wenn man eine Sprache sicher beherrscht, benötigt man dagegen viel weniger akustische Informationen. Ich habe es oft erlebt, dass ich Zugang zu einem mir bisher unzugänglichen Stück gefunden habe, nachdem ich es über eine gute Anlage gehört habe. Gute HiFi-Technik kann genau die Details hörbar machen, die unter schlechten Bedingungen zum Verständnis der Musik fehlten.

Über das Musikhören bin ich dazu gekommen, Klavier spielen zu lernen. Und auch wenn ich es bestimmt nicht mehr zum großen Künstler bringe, habe ich mir das Ziel gesetzt, wenn ich die Rente durch habe, Whisky trinken und vor mich hin jazzen zu können. Dabei kommt mir entgegen, dass zum einen unsere Politiker das Rentenalter immer weiter heraufsetzen und ich somit Zeit zum Üben habe. Zum anderen: Whisky trinken kann ich jetzt schon ganz gut (am liebsten Islay-Whiskys in Cask Strengths :-).

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