Demnächst im Test:

Ralph Werner

Diplom-Volkswirt, Herausgeber von fairaudio

Ralph Werner | fairaudio

„It’s so easy to fall in love, ohhoho, it’s so easy to fall in love …“, mein erster Hit, dazu hab‘ ich kräftig abgerockt, so mit viereinhalb. Ein wenig hat sich der musikalische Geschmack dann aber doch noch verändert, es war aber eine längere Reise. Interessant dabei, dass jede Zwischenstation recht dogmatisch als heiliger Gral interpretiert wurde und alles andere unter „ferner liefen“ lief …

Bizarrerweise hat die Tour mit Blues begonnen, ich staune heute noch, was sich in der Sammlung für Schätzchen befinden. Jämmerlich verknisterte Howlin‘ Wolf Scheiben, John Lee Hooker Dinger aus den Fuffzigern und natürlich mein Favorit aus jener Phase – Muddy Waters. Von einem, den ich damals während eines Ferienjobs kennenlernte, ließ ich mich darüber aufklären, dass Muddy ja derjenige gewesen sei, der den Blues elektrifiziert habe – und damit auch recht eigentlich versaut. Er hätte da ein paar interessante Tapes mit Aufnahmen aus den Zwanzigern, da wäre das Delta-Feeling noch glaubhaft … unfassbar. So schön kann Anti-HiFi sein.

linda-ronstadtIm Schwitzkasten der Adoleszenz musste es freilich etwas härter zur Sache gehen. Indie-Abend nannte man das damals, der war in unserer Kleinstadt immer mittwochs – und den Morgen drauf konnte ich so manches Mal zum Optiker marschieren. Der richtete dann meine durch forcierte Tanzschritte in Mitleidenschaft gezogene Brille. Lustig war das: Der selbstherrlich ernannten musikalischen Elite der Provinz zugehörig, wurde diskutiert, ob man bei dem Lied jetzt tanzen dürfe oder ob es doch zu kommerziell sei. Ich habe solche Dispute als bescheuert abgetan, galt aber trotzdem als linientreu, so als Jello Biafra-Fan …

muddy-watersHärte und Schnelle war mir damals wichtig, bloß keine abgenudelten Melodien, weg mit dem harmonischen, zuckersüßen Gesäusel. Und dann eines Abends besuchte ich im Vorfeld einer Semester-Eingangs/Ausgangs/Mittendrin-Party einen Kumpel – einen, der in der Lage war, auf Boney M (!) zu tanzen. Nichts Gutes vermutend, gab es von mir nur einen höhnischen Kommentar, während ich den Wein entkorkte. Dann kam „Fade into you“ von Mazzy Star – da musste ich mich erst mal setzen. Nicht schlecht gemacht, das Ding saß. Ein Jahr später sah die Plattensammlung ziemlich interessant aus: Die Band um Hope Sandoval neben D.O.A., zwischen Fugazi und Ministry mogelte sich doch glatt Tori Amos rein … So werden Männerfantasien zerschossen (oder neue ins Leben gerufen). Aber Kuschelrock kann mir bis heute keiner nachweisen!

Die gesteigerte „musikalische Toleranz“ hat ihr Gutes – man wildert in fremden Gärten und entdeckt so manche überraschend schmeckende Frucht. Aber es gibt auch die Schattenseite – die Indifferenz, wie ich das als Volkswirt mal sagen würde. Mag man alles, ist es einem auch bald egal, was serviert wird. Vielleicht aus Angst davor bin ich insofern „dogmatisch“ geblieben, als dass ich nicht jedem neuen Hype zwanghaft hinterher rennen muss. So neu ist das nämlich alles gar nicht, lehren einen die Jahre …

pixiesAber manchmal doch: Lange habe ich den Leuten erzählt, dass deutsche Musik gar nicht gehe, da ich dieser Sprache leider mächtig sei und man die Ohren unpraktischerweise nicht schließen könne wie die Augen. Und dann sitze ich im Plattenladen und höre einen halben Meter CDs durch, auf einmal ertönt Trompete in Kombi mit der Zeile: „Ihr Herz ist kalt wie ein gefrorenes Hühnchen, ihre Schönheit überzuckert mit Gewalt!“ Wenn man dann zufällig ein wenig unter Liebeskummer leidet, sollte der Heimweg angetreten werden … mit der Elements-of-Crime-Platte im Gepäck natürlich. Schön ist, wenn man sich so irrt. Das ist mir häufiger passiert: Den Punk für tot erklärt und dann Fugazi kennengelernt, Rock-Riffs als phrasenhaft zurückgewiesen und dann P.J. Harveys frühe Sachen gehört, zu klassischer Musik nicht das innigste Verhältnis habend auf einmal entdeckt, was es für wilde Neue Musik es gibt. Zurzeit höre ich recht häufig Banjo (!), da ich mich frage, was ich eigentlich von Sufjans Stevens halten soll …

Was das alles mit HiFi respektive Highend zu tun hat? Nun, ich behaupte einmal, dass eine gute Signal-To-Noise Ratio dabei hilft, zu erkennen, wie genial genuschelt der Gesang von Howe Gelb ist oder auch, dass die fragile Melancholie von Mrs. Sandoval durch eine Kompaktanlage von der Rampe in triviale Sentimentalität verwandelt wird. Und so geht das nicht.

lachenmannIch bin kein HiFi-Typ der Sorte Jäger & Sammler, kein Gear-Head, wie die US-Boys so schön sagen. Für mich ist eine Anlage in der Hauptsache ein Werkzeug, sie sollte die Illusion erzeugen, dabei zu sein. Und zwar über die ganze Range, von leichten Einatmern der Sängerin zwischen zwei Worten, bis zur bösartigen Bassdrum-Attacke – das muss kommen. Und zwar schnell, um meine „persönliche Verzerrung“ anzusprechen: Ist eine Komponente sehr ausgeglichen und tonal völlig sauber, versteht es aber nicht, dynamische Abstufungen zu präsentieren, verschleift gar Impulse – dann wird sie wohl keinen Stammplatz bei mir finden. Wird aber Tempo und Detailreichtum geboten, am besten in Kombination mit einer freien Raumabbildung, dann kann ich „leichte Schlenker im Frequenzschrieb“ durchaus dulden. Wenn der Bass denn griffig ist und die Höhen mir nicht das Ohr zersägen …

Begeben wir uns also auf die Suche nach den passenden Werkzeugen, wie bei der Musik hat da jeder so seinen Stil, seine private, kleine Philosophie … aber nebenan tönt es auch nicht schlecht.

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