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Jack White | Glitterbust | Nick Cave & The Bad Seeds

November 2016 / Lorina Speder

Mit seinem neuesten Album folgen wir Jack White direkt ins Wohnzimmer – und was wir zu hören bekommen, ist ein Unplugged-Konzert auf Basis der Lieder aus den letzten 18 Jahren. Dass die Hälfte der Songs Klassiker der Band The White Stripes sind, liegt in der Natur der Sache, denn White spielte über 14 Jahre lang Gitarre in dem berühmten Duo und war als Sänger auch so etwas wie der Frontmann.

Jack White | Acoustic Recordings 1998-2016 Cover

Seine Gefährtin Meg White wurde – ohne musikalische Erfahrung – die Schlagzeugerin des Duos, obwohl es Jack White war, der in seiner Kindheit die Drums spielen lernte. Doch er schätzte gerade Megs simples und kindliches Schlagzeugspiel, seiner Meinung nach machte es die Lieder der White Stripes immer zu etwas besonderem. Laut White wurden die Songs hierdurch „pur“ und unterschieden sich von denen anderer Bands, deren Profi-Drummer letztlich immer „zu viel“ spielten. Jack White selbst ist heute dagegen immer wieder in Listen einflussreicher Gitarristen zu finden, was aufgrund seiner musikalischen Ausbildung erstaunen mag, aber durchaus Sinn ergibt: Ohne je richtigen Unterricht bekommen zu haben, benutzt er sein Instrument virtuoser und rhythmischer als viele „gelernte“ Gitarristen es tun.

Auf dem aktuellen Album hören wir ihn also singen und auf einer Akustikgitarre oder am Klavier spielen – das alles meistens mit reduzierter Begleitung. Die neu gemixten Songs lassen Jack Whites Orientierung am Blues und Folk deutlich werden. So gibt es zum Beispiel eine Bluegrass-Version des Stücks „Top Yourself“, die er mit einer weiteren seiner Bands namens „The Raconteurs“ 2008 veröffentlichte. Besonders schön sind aber die neuen Varianten seiner Lieder, die er zuvor auf zwei Solo-Platten über sein eigenes Plattenlabel „Third Man“ herausbrachte. Die Songs sind viel bluesiger als es die Musik der White Stripes je war. Einige Lieder, wie zum Beispiel „Love Interruption“, wurden für das neue Album aber auch gar nicht bearbeitet.

Dass die Platte trotzdem keine Greatest-Hits-Ansammlung geworden ist, wird deutlich, sieht man sich die Song-Auswahl genauer an. Denn White wählte eher die weniger beachteten Lieder, die typischen White-Stripes-Hits sucht man vergeblich. Und so bekommen die unbekannteren Stücke in dieser Zusammenstellung eine neue und verdiente Aufmerksamkeit. Was bei der Song-Auswahl besonders auffällt, ist die Entwicklung, die White in seinem Songwriting über die Jahre gemacht hat. Zum Ende hin spürt man nicht mehr so viel Punk, wie es bei den White Stripes oft noch der Fall war. Im Soloprojekt kehrt White vielmehr immer weiter zu seinen Blues- und Folk-Wurzeln zurück, die er auch in seiner neuen Wahlheimat, der „Music-City“ Nashville, weiter verfolgt. Und so bleibt White, der ewige Fan von Son House und Robert Johnson, eine feste Größe im modernen Blues unserer Zeit.

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 Glitterbust | Glitterbust Cover

Das erste was auffällt, sind die verstimmte Gitarre und die Geräusche. Dass sich alles trotzdem zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügt, liegt an den beiden Künstlern, die dafür verantwortlich zeichnen: Kim Gorden, zuvor jahrelang die Bassistin von Sonic Youth, und Alex Knost, Musiker und Surfer, tuen sich hier zusammen und werden zu Glitterbust. Das erste Album, das im Frühjahr erschien, enthält nur fünf Lieder. Trotzdem bekommt man fast eine Stunde lang experimentelle Musik zu hören. Und diese enthält Klänge, Riffs und seltene, säuselnde Gesänge, welche ohne wirklich vorhersehbares Muster kommen und gehen. Es scheint, dass die beiden Bandmitglieder ihre Instrumente geradezu intuitiv einsetzen. Manchmal, wie in „The Highline“, hört man Gordons Stimme, in seltenen Momenten spricht auch Knost. Die Musik wird fast ausschließlich von den Gitarren getragen, die auf jede mögliche Art und Weise benutzt werden – so ergibt das Klopfen auf dem Instrumentenkorpus manchmal auch so etwas wie einen Rhythmus in den Liedern. Ein Schlagzeug wird auf diesem Album nicht benutzt.

Kim Gorden ist bildende Künstlerin und „bildhafte Elemente“ kommen auch in dieser Musik vor. Normale poppige Songstrukturen sucht man dagegen vergeblich. Glitterbust nimmt uns auf eine Reise. Schließt man die Augen, sieht man industrielle Orte – und alles ist immer ein bisschen düster. Manchmal jedoch wird diese Dunkelheit durch aufstrebende Akkorde aufgebrochen. Wie zum Beispiel im zweiten Lied „Repetitive Differ“, welches in den letzten zwei Minuten von einem harmonischen Akkordriff aufgehoben wird, was dem Ohr etwas Vertrautes zuspielt.

Ein Unterschied zu vielen Noise- oder experimentellen Bands ist, dass hier selbst die Geräusche als Töne verwendet werden. Krach und Töne sind quasi gleichgestellt und das Feedback der Gitarre bereichert das Klangbild der Lieder zusätzlich. Während man bei anderen Bands häufig den Eindruck hat, Noise werde bei ihren Liveauftritten rein zufällig eingesetzt, ist er bei Glitterbust fester Bestandteil der Stücke. Genauso wie das Tippen auf leere Gitarrensaiten, welches oft vorkommt und eine ganz eigene Sound-Ästhetik besitzt. Das Highlight des Albums ist das dritte Lied „Erotic Resume“. Es baut sich über die beiden Gitarren immer weiter auf, wird lauter, die Stimmen setzen ein, immer neue Gitarren- und Geräuschschichten lassen den Song impulsiver werden – bis schließlich die Energie abebbt und der Song mit einem einzelnen hohen Akkord endet.

Für weitere Eindrücke des Projekts und zum Verständnis der bildlichen Sprache der Musik ist es unbedingt empfehlenswert, sich das Video zum Song „The Highline“ anzusehen. Dabei wird noch klarer, wie eng bildende Kunst und Musik bei Glitterbust zusammenwirken.

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Nick Cave & The Bad Seeds | Skeleton Tree Cover

Es ist ein schweres Album. Wenn ein Künstler den Tod seines eigenen Kindes verarbeitet, wird der Schmerz hörbar gemacht. Einer von Nick Caves Zwillingssöhnen stürzte im Sommer 2015 auf LSD eine Klippe hinunter und überlebte es nicht. Was so ein Vorfall mit einem macht, ist wohl nur schwer zu vermitteln. Und doch ging Cave ins Studio und spielte eine neue Platte ein, auf der das Unsagbare eine Stimme bekommt.

Und so ist das gesamte Album so traurig wie schön, Caves dunkle Stimme umhüllt die acht Lieder mit dichter Melancholie. Dabei erinnert besonders der erste Song „Jesus Alone“ wegen der bluesigen Akkord- und Songstruktur, der tiefen Stimme Caves und der Lyrics voll christlicher Symbolik an Johnny Cash. Die Vorwürfe, die Vergangenheit, die Liebe und der Tod – alles wird hier angesprochen und versucht, zu verarbeiten.

Zwar sind dies Themen, die man schon immer mit Nick Cave, dem sogenannten „Prince of Darkness“, verbunden hat, doch diesmal wirkt die Musik im gewissen Sinne realer. Der schreckliche Hintergrund macht das Album zu etwas Besonderem und unterscheidet es von den Vorgängern. Deshalb fällt es einem auch schwer, die Musik im Alltag beziehungsweise nebenbei zu hören. Was in den Songs trotz aller Trauer gleichwohl immer wieder durchbricht, ist die Hoffnung, dass es weitergeht.

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