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Cobody | Under Cover

Mai 2016 / Victoriah Szirmai

Der gemeine Musikjournalist wird mit Neuerscheinungen oft und gerne via Post bemustert, ob physischer oder elektronischer Natur. Seltener kommt es vor, dass eine neue Platte vom Musiker selbst präsentiert wird. Das ist dann meist eine „Listening Session“ genannte Audienz eines großen Labels mit ebenso großem Budget im Rücken.

Cobody | Under Cover Cover

Umso mehr habe ich mich über die private Hörstunde gefreut, die mir Johannes Bartmes Ende April bescherte: Während die Jazzahead um uns wogte und tobte, spielte er mir Cobodys Debütalbum Under Cover vor, entstanden aus dem mittlerweile fünfzehn Jahre währenden Zusammenspiel dreier Charakterköpfe, deren Nachnamenserstsilben – Kosho, Bartmes und Ditzner – den Bandnamen inspirierten. Inzwischen sind der einen Hörstunde viele weitere gefolgt, und ich habe keine einzige davon bereut.

Den Auftakt macht „I Want You“ mit seinem monoton pumpenden Beginn, zu welchem sich bald eine knochentrockene Keith-Richards-Gedächtnisgitarre gesellt, mal bluesselig in sich gekehrt, mal funky wabernd, immer aber unsäglich retro, wobei am Schluss auch noch die Classic-Rock-Seele bedient wird – und damit gleichzeitig als perfekte Kurzfassung dessen dient, was da noch kommt. Wenn dann noch Gitarrist Kosho, der bei Cobody in Personalunion als Leadsänger fungiert, dem Hörer glaubhaft zu verstehen gibt, ihn so bad zu wanten, dass es ihn mad drivt, weiß auch der wenig Popmusikbeleckte: Hier haben wir es mit nichts Geringerem als dem Moog-rauschenden Lennon/McCartney-Klassiker von 1969 zu tun. Damit deutetet sich das Konzept von Under Cover an, das fünfzig Prozent Gecovertes und fünfzig Prozent Eigenes vorsieht, wobei die Platte derart in sich geschlossen wirkt, dass sich nicht immer auf Anhieb sagen lässt, was was ist.

Cobody | Under Cover 01
Foto: Thorsten Dirr

Auch die Kosho-Komposition „Kasatschok“ fühlt sich an wie eine retrospektive Reise durch den Plattenschrank, die sich in diesem Falle irgendwo zwischen Jazz und Ska/Rockabilly-affiner Fingerakrobatik ihren Weg bahnt. Spätestens hier wird klar, dass Under Cover – Reibeisen-Vocals hin wie her – in erster Linie das Album eines Instrumentaltrios mit dominanter Leadgitarre ist, getragen durch die stilechtes Sixties-Psych-Flair heraufbeschwörende Hammond von Bartmes, der sich mit den bassklarinettenumwobenen Electro-Zerhackbeats von Modular Soul auf ewig einen der vorderen Plätze in meiner privaten Lieblingsmusiksammlung gesichert hat. Ruft man dann noch Ausnahmedrummer Erwin Ditzner ans Schlagwerk, geschieht zwangsläufig Gutes, ob man das nun als Space Funk, Electro Pop, Indie Jazz oder Retro Rock bezeichnen möchte. In jedem Falle gelingt es den drei Musikern auf nachgerade wundersame Weise, selbst aus leicht angestaubten Evergreens wie „Born To Be Wild“ allen Altherren-Appeal zu pusten, ohne sie auf Teufel komm raus gegen den Strich zu bürsten: Wer eine betuliche Coverband sucht, ist bei Cobody an der falschen Adresse. Richtig ist, wer versierten Instrumentalisten lauschen möchte, ausgestattet mit einem unbestechlichen Instinkt, wo ein dem Original trotzender Akkord angebracht ist und wo der Bruch fehl am Platze wäre.

Mit „Belmondo“ dann kommt die Dance-Affinität der Drei ans Licht – schön, wenn ein Schlagzeuger so etwas live spielen kann und es nicht aus dem Drum-Computer kommt! Von seinem Lounge-Appeal her erinnert das Stück ein bisschen an Bartmes‘ Flow Motion-Platte: Das ist, allen nervösen Beats zum Trotz, Musik zum Runterkommen. Wieder ganz anders das The Allman Brothers Band-Cover „Whipping Post“, das statt des Southern Rocks des Originals seine Funkrock-Seite à la Sly & The Family Stone oder eher noch Mother’s Finest auslebt und auch nicht auf die ein oder andere Schwermetallbreitseite verzichtet. „One Two Free“ entspinnt sich nach einem sinnlich-schnurrenden Auftakt zu einem Stück, von dem man kaum glauben will, dass es eine Bartmes-Kosho-Originalie ist und noch nicht längst dem Kanon der Popgeschichte angehört wie etwa die folgende, introspektive Lennon/McCartney-Komposition „Norwegian Wood“, ob deren tiefergelegten Blubberbasses festgehalten werden kann: Wenn man den Folkrockklassiker heute schon noch einmal erzählen möchte, dann so – wobei sich allerdings die Frage aufdrängt, ob man dem Sänger zuliebe das Ganze nicht einen oder zwei Töne tiefer hätte angehen können.

Das erste Instrumental des Albums, die mit allerlei Soundspielereien erfreuende Bartmes-Komposition „Scratch“, kommt als rumpeliges Groove-Monster angetapert, das gerade eine gehörige Portion Funk-Kekse zum Frühstück verdrückt hat. Immer, wenn ich so etwas auf die Ohren bekomme, möchte ich laut ausrufen: Was hab ich doch für einen schönen Job! Nicht zuletzt kommt hier die Hammondliebhaberfraktion, die den Jahresausklang mit Barbara Dennerlein beging, wieder voll auf ihre Kosten. Verwischte TripHop-Sounds mit gleichermaßen nervösen wie relaxten Beats weben den Klangteppich für einen weiteren Lennon/McCartney-Klassiker, wobei mir persönlich die Cobody’sche „Dear Prudence“-Interpretation noch besser gefällt als die von „Norwegian Wood“. Under Cover, das steht spätestens an dieser Stelle fest, hat das Zeug zur Leib- und Magenplatte, die diesen Sommer rauf- und runterläuft. Einzig mit der arg ausufernden, bongodominierten Bartmes-Komposition „Princess“ weiß ich trotz ihres charmanten Titels so gar nichts anzufangen. Sie hätte in meinen Ohren nicht unbedingt auf dieses mit dreizehn Tracks schon ohnehin recht umfangreiche Album gemusst.

Cobody | Under Cover 2
Foto: Thorsten Dirr

Zum Glück findet Under Cover mit dem funky Roberta-Flack-Song „Compared To What“ wieder zu seiner ursprünglichen Vintage-Groove-Haltung zurück, wobei sich Cobody nahtlos in die illustre Reihe der bisherigen Interpreten des zum Standard gewordenen Stücks fügen, die von Al Jarreau über Frank Zappa bis zu Klaus Doldinger reicht. Das angenehm kurze „Do It Now“, ein Gemeinschaftswerk der drei Cobodys, das sich durch seinen wabernen Collagencharakter auszeichnet, stört da nicht weiter, während „Sympathy For The Devil“ einen überraschend zarten Schlusspunkt zeichnet, aus dem das überbordende Gospeltempo des Originals völlig verschwunden ist, womit Under Cover einmal mehr beweist: Wenn man schon hundertmal Gecovertes unbedingt noch einmal neu interpretieren muss, dann so.

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