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Joseph Myers – Puzzles and Places

Januar 2015 / Victoriah Szirmai

Die Musik von Joseph Myers lernte ich im vorvergangenen Herbst auf dem Hamburger Küchensessions-Festival kennen. Er war der erste Künstler, dessen Auftritt ich dort sah – und der einzige, dessen An Impulse From Within genanntes Debütalbum ich kaufte. Wenn Sie zu meinen treuen Lesern gehören, wissen Sie, was das bedeutet. Ich bin in meinem Job in der privilegierten Lage, selten Musik kaufen zu müssen. Wenn ich es aber doch tue, läuft sie bei mir privat, also zum reinen Vergnügen, ohne den Zwang, mich zu ihr äußern, sie einordnen oder sie bewerten zu müssen.

Joseph Myers | Puzzles and Places Cover

Privat gekaufter, sprich: bewusst für mich selbst ausgewählter Musik fühle ich mich demzufolge auf ganz besondere Weise verbunden. An Impulse From Within, eine stille, schöne Singer/Songwriter-Scheibe mit dezenten Americana-Einschlägen, eröffnet von einem melancholisch singenden, einsamen Cello, abgerundet von einem Adele-Cover, läuft ziemlich oft in meinem Wohnzimmer – gerade, wenn die Tage so kurz sind wie zurzeit, wenn es draußen graut und nässt und man es sich auf dem kuscheligen Sofa gutgehen lässt. Kurz: Meyers‘ Solodebüt ist mir ans Herz gewachsen.

Joseph Myers 03

Im Gegensatz zum in sich gekehrten An Impulse From Within überrascht Meyers‘ Zweitling Puzzles and Places mit sattem Bandklang und einem sich gewaltig in den Vordergrund spielenden Keyboard – nicht unbedingt das, was man von einem gitarrenaffinen Singer/Songwriter erwartet! Dabei ist das Album, das sich als Timezone-Veröffentlichung der Labelkollegenschaft von Künstlern wie Illute oder Julia A. Noack erfreut, verdammt gut gelungen. Bereits im titelgebenden Eröffnungssong entfaltet sich der neue Joseph-Meyers-Sound: Da wird zu einem treibenden Groove so lange in die Tasten gehauen, bis von stiller Einkehr überhaupt keine Rede mehr sein kann. Dieser Meyers ist ausgesprochen extrovertiert, dabei aber immer noch unfassbar melodisch. Wie etwa auf dem Americana-infizierten Sechsachtler „Waiting“, der Bilder von Lagerfeuern (oder zumindest Wohnzimmerkaminen) heraufbeschwört und im Refrain eine derart intensive Sogkraft entfaltet, dass er sich selbst vor den Großen des Genres nicht verstecken muss. Einfach nur schön, das.

Konfrontiert mit „Birds“ könnte der Hörer ob des Fingerpickings zunächst versucht sein zu glauben, in eine Rod Stewards „Sailing“ beschwörende Zeitschleife hineingeraten zu sein – doch weit gefehlt, denn er befindet sich in den poetischen Welten Joseph Meyers‘, in der es keine Geheimnisse gibt, obgleich vieles ungesagt bleibt. „All The Lost Souls“ beweist dann endlich, dass sie auch auf Puzzles and Places einen Platz haben, die puren Singer/Songwriter-Balladen – allerdings nur, um gleich wieder abgelöst zu werden vom lebhaften Bandsound, dominiert auf „Behind The Clouds“ doch wieder das Haustier namens Klavier. Ohnehin ist lebhaft das Stichwort der Stunde, denn selbst auf zurückhaltenderen Stücken wie „Denmark“ wirkt Meyers lebensbejahender und gelöster denn je. „Singing for the crowd/feeld like home“, singt er auf „Until Kingdom Come“, und das postulierte Wohlgefühl nehmen wir ihm gern ab. Allein „Footsteps“, ein Duett mit Neofolk-Sängerin Marie Katzer, kann nicht gänzlich überzeugen; unnötig gewaltig ist hier die – ansonsten so ausgewogene – Produktion.

Joseph Myers 02

Mit „To Give Up Hope“ greift Meyers wieder den pianodominierten, Americana-geprägten Sound vom Beginn des Albums auf, der mit seinen „Walking In Memphis“-Anleihen so vertraut daherkommt wie der Closer „Leaving Home“, welcher den Hörer wohlig gesättigt und gewärmt entlässt und ihn vor Wonne schnurren macht. Puzzles and Places ist ganz anders als An Impulse From Within, steht ihm in Schönheit aber um nichts nach. Und je öfter man es hört, desto mehr wächst es einem dorthin, wo schon der Vorgänger einen festen Platz hat: ans Herz.

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