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Lilith 2010 | Jonas „Bibi“ Hammond | Leela James

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August 2010 / Victoriah Szirmai

Lilith: Einige verbinden mit diesem Namen eine Art mythische Gegenheldin zur mütterlichen, bescheidenen und Adam folgsamen Eva – also eine Frau, die für Emanzipation, (sexuelle) Selbstbestimmtheit und weibliche Stärke steht.

Kein Wunder daher, dass der Name Pate stehen musste für ein Festival namens Lilith Fair – einer ganz hervorragenden Konzertreihe ausschließlich weiblicher Interpretinnen, die ihrem Selbstverständnis nach einer „Celebration of Women in Music“ frönt.

Lilith 2010 / Compilation

Lilith 2010-Compllation

Nach mehr als einer Dekade Pause hat man die Lilith Fair dieses Jahr endlich wieder neu aufgelegt. Ursprünglich wurde das Festival 1997 von einer von den damaligen Radiokonventionen frustrierten Sarah McLachlan ins Leben gerufen, um ihre und die Musik Paula Coles einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Damals wollten die Radiostationen keine zwei Songs weiblicher Künstler in Folge spielen, woraufhin McLachlan die Unsinnigkeit dieser stillen Übereinkunft anzuprangern trachtete, indem sie eine rein weiblich besetzte Sommer-Tournee ins Leben rief.

Verschiedene Künstlerinnen, ob Solo-Sängerinnen oder Bands mit Front-Frau, präsentierten sich und ihre Musik hier einem breiten Publikum. Das Konzept ging auf: Die Lilith Fair wurde zur (auch kommerziell) erfolgreichsten Tournee des Jahres 1997. Bis 1999 gab es jährlich eine Lilith Fair: Über anderthalb Millionen Fans hatten sie schließlich gesehen, mehr als zehn Millionen Dollar wurden für wohltätige Zwecke eingespielt – dann war erst mal Schluss.

Dieses Jahr nun wurde die Konzertreihe am 27. Juni mit einem großartigen Line-up in Calgary eröffnet: Musikerinnen wie Sheryl Crow, Kate Morgan, Kate Miller-Heidke, Grace Potter And The Nocturnals, Colbie Caillat, Erykah Badu, Ash Koley und natürlich Sarah McLachlan selbst gaben sich beim umjubelten Auftakt das Mikro in die Hand. Das Abschlusskonzert soll am 16. August in Dallas stattfinden. Zu den Künstlerinnen, die in den anderthalb Monaten im Rahmen der diesjährigen Lilith Fair auftreten, gehören unter anderem Norah Jones, Cat Power, Emmylou Harris, Kelly Clarkson, die Indigo Girls, Selena Gomez, Cat PowerSuzanne Vega, Ke$ha, Rhianna, Chairlift, Missy Higgins, Steph Macpherson, Ali Milner, Frazey Ford, Tegan & Sara, Marina And The Diamonds, Corinne Bailey Rae, The Gossip, Queen Latifah, The Rescues, The Weepies, Zee Avi, Jill Scott, Mary J. Blige, Nneka und A Fine Frenzy.

Sechzehn von ihnen haben es auf den offiziellen Tour-Sampler geschafft, der nicht nur einen stilistischen Querschnitt durch den Reigen der Lilith-Künstlerinnen, sondern durch die zeitgenössische weibliche Popmusik selbst bietet. Lilith-Gründerin Sarah McLachlan – ja, das ist die, die mit ihrem Angel in der Meg Ryan/Nicoals Cage-Schmonzette City of Angels für einen erhöhten Taschentuch-Faktor unter den Kinogängern sorgte – eröffnet die Compilation mit One Dream, einem Song, der mich entfernt an First Time von Robin Beck (genau, die Cola-Werbung Ende der Achtziger-Jahre!) erinnert. Indie-rockig schließen sich die Court Yard Hounds (ein Ableger der grandiosen Dixie Chicks) mit The Coast und Colbie Caillat mit Fallin’ For You an; ja, das ist schon alles sehr gitarrenschrammelig und Collegeradio-tauglich.

Weshalb man American Idol-Factor-Gewinnerin (dem US-Pendant zu Deutschland sucht den Superstar) Kelly Clarkson mit der nur schwer-erträglichen Mainstream-Ballade Already Gone einen Platz auf dem Sampler eingeräumt hat, entzieht sich allerdings meinem Verständnis. Andererseits: Auch sie gehört zur aktuellen Musikerinnern-Elite – rein kommerziell betrachtet – und darf daher aus musikhistorisch-dokumentatorischem Blickwinkel auch zu ihrem Recht kommen.

Erfrischender ist allerdings Newcomerin Ke$ha mit ihrem Elektro-Crunk-Rock Hit TiK ToK, der mich immer ans Elephunk-Album der Black Eyed Peas erinnert, und die kann ich schließlich auch gut leiden … Sexy wird es mit Russian Roulette von Rihanna, und obgleich mir die barbadische Sängerin schon mit ihrem allerersten Song vom Regenschirm -irm -irm wahnsinnig auf die Nerven gefallen ist, muss man ihr lassen, dass sie eine schöne Stimme hat. Ferner tummeln sich auf Lilith 2010 Künstlerinnen wie Ash Koley, Tegan & Sara (wer The Gossip mag, wird sie lieben!), Sara Bareilles, Chantal Kreviazuk oder die Weepies, es wird mal folkig, mal rockig, dann wieder poppig, immer aber mit Fokus auf die Alternative- beziehungsweise Indie-Schiene.

Die wirklichen Highlights – und der Grund, weshalb Lilith 2010 hier besprochen wird – finden sich am Ende des Albums: Da wäre zum einen Nneka mit ihrer Uncomfortable Truth, einem Song aus der intelligenten NuSoul/Jazz Poetry-Ecke, der den Vergleich mit der frühen Lauryn Hill und Erykah Badu, aber auch mit Spoken Word-Aktivistinnen wie Ursula Rucker oder Sarah Jones nicht scheuen muss.

Nneka

Der Song, der dazu aufruft, aktiv gegen politische Korruption Partei zu ergreifen, wurde von der Künstlerin zum freien Download zugänglich gemacht.

Dann gibt es noch The Blackest Lily der britischen Soul-Sängerin Corinne Bailey Rae, die sich zwei Jahre nach dem tragischen Tod ihres Ehemanns, des Saxophonisten Jason Rae, mit dem Album The Sea zurückmeldet. Das hier ist kein unbedarfter Soulpop mehr, vielmehr klingt die Bailey Rae nun wie ein weiblicher Lenny Kravitz. Einfach großartig!

Corinne Bailey Rae

Abgeschlossen wird Lilith 2010 von Piratenjägerin Norah Jones mit, na klar, Chasing Pirates. So ungern ich es zugebe: Mittlerweile habe ich den Song echt gern, zur Künstlerin selbst hege ich allerdings immer noch eine Art Hass-Liebe.

Und so bleibt nur noch festzuhalten, dass Lilith 2010 alles versammelt, was dieses Jahr in der weiblichen Popmusik Rang und Namen hat, dabei aber nicht vergisst, auch die eine oder andere seltene Blume am Wegesrand zu würdigen.

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Plattenkritik: Lilith 2010 | Jonas „Bibi“ Hammond | Leela James

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