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Frau Contra Bass / Saal 3

Inhaltsverzeichnis

  1. 3 Frau Contra Bass / Saal 3

Frau Contra Bass / Saal 3

Es ist schon komisch: War es noch vor einiger Zeit hochpeinlich, Michael Jackson zu hören, dudeln seit Kurzem aus jedem Café, jedem Jeansladen, jedem Autoradio die Songs meiner Jugend. Wird das, was seinerzeit untragbar war, durch den Tod relativiert bzw. gar wieder cool? Oder erkennt man einfach nur: Gute Musik ist gute Musik, egal, von wem sie kommt? Wie dem auch sei, die Lieder des King of Pop pfeifen die Spatzen von den Dächern. Nun, wohl jeder kennt die Hits aus den großen Alben Thriller (1982), Bad (1987) oder Dangerous (1991), und auch die guten alten Stücke der Jackson 5 (ABC) bzw. der Jacksons (Blame It On The Boogie, Can You Feel It) erleben gerade wieder ihre wohlverdiente Renaissance. Für alle, die die nicht ganz so bekannte Seite des jungen Michael Jackson entdecken wollen, hat Motown/Universal jetzt die Stripped Mixes herausgegeben, eine Zusammenstellung bislang unveröffentlichter Versionen von dessen Motown-Klassikern. ‚Stipped‘ bedeutet in diesem Falle, dass die Begleitung weitestgehend heruntergefahren wurde, um der Vokalspur größtmöglichen Raum zu geben. Das Ergebnis dürfte vor allem auch meine audiophile Leserschaft freuen, und ich kann diese hübsche CD nur empfehlen. Zudem entbehrt es nicht eines ganz besonderen Charmes, wenn Michael Jackson / Stripped Mixessich ein 10-jähriger durch altbewährtes Liebesliedgut wie Ain’t No Sunshine oder Who’s Lovin’ You schmachtet, ohne die Bedeutung des Textes auch nur halbwegs erahnen zu können!

Der Methode, die Begleitung auf ein Minimum zu reduzieren, um der Stimme größtmöglichen Raum einzuräumen, bedient sich auch das Duo Frau Contra Bass. Dass deren zweites Album Saal 3 mit dem zuerst von Jackson auf seinem legendären Thriller veröffentlichten Human Nature öffnet, schließt auch hier wieder einen jener musikalischen Referenzkreise, die aufzuspüren mir seit jeher ein Hauptspaß war! Nun erfährt Human Nature bei weitem nicht seine erste Coverversion – ungeschlagen wohl die Version von Miles Davis bei seinem letzten Konzert auf dem Jazz Montreux Festival am 8. Juli 1991, und auch die R&B-Girlgroup Sisters with Voices bediente sich auf ihrer Debütsingle Right Here 1992 eines Samples des Songs –, aber eine der weitaus interessantesten. Das aus Katharina Debus und Hanns Höhn bestehende Duo „Frau Contra Bass“ nämlich (wobei allein der Name das ganze Programm offenbart) reduziert das von Steven Porcaro und John Bettis geschriebene Stück auf seine EFrau Contra Bassssenz, dekonstruiert es mithin bis auf seine Grundmauern – dient ihm doch das wohl weiblichste aller Instrumente, die menschliche Stimme, und das wohl männlichste, der Kontrabass, als einzigen Soundquellen. Musikgewordener Minimalismus, der sich schon beim „Lisa Bassenge Trio“ angedeutet hat und auf Saal 3, benannt nach dem Ort der Aufnahme in den Berliner Studios im Funkhaus Nalepastraße, der den Klang des Albums maßgeblich prägt, zu seiner konsequenten Vollendung findet. Und wie bei Bassenge und Konsorten geht es bei den von Frau Contra Bass mit Bedacht ausgewählten Coverversionen vor allem um die unkonventionelle Interpretation, die dabei zur eigenständigen Kunstform wird und so manches der Originale recht blass erscheinen lässt.

Doch wo Human Nature schon allein durch das Scat-Opening „Achtung, Anspruch!“ schreit, damit auch der Unmusikalischste begreift, dass hier ernstzunehmender Jazz praktiziert wird, und auch der Elton-John-Klassiker Your Song eher interessant als attraktiv ist, wird Saal 3 im weiteren Verlauf einfach nur schön anzuhören.

Frau Contra Bass

First Thing You See aus der Feder des Berliners Tobias Voigt ist Zärtlichkeit pur, und dann kommt auch schon der absolute Höhepunkt des Albums, ein Song, der allein den Kauf mehr als rechtfertigt: Ich spreche von der Jamiroquai-Adaption Corner of the Earth. Schon auf dem Erstling der kontrabebassten Dame von 2007 wird Jay Kay und seinen Mannen gehuldigt, indem man deren Komposition Seven Days In Sunny June den Ehrenplatz des Openers eingeräumt hat. Corner of the Earth nun, schon bei Jamiroquai ein wundervoller Song, wird bei Frau Contra Bass nicht nur von allem orchestralen Ballast befreit, sondern gibt einem tatsächlich eine winzige Idee davon, wie es sein muss, vollkommen mit dem Universum zu verschmelzen.

Little darlin‘ don’t you see the sun is shining
Just for you, only today
If you hurry you can get a ray on you, come with me,
just to play
Like every humming bird and bumblebee
Every sunflower, cloud and every tree
I feel so much a part of this
Nature’s got me high and it’s beautiful
I’m with this deep eternal universe
From death until rebirth

This corner of the earth is like me in many ways
I can sit for hours here and watch the emerald feathers play
On the face of it I’m blessed
When the sunlight comes for free
I know this corner of the earth it smiles at me
So inspired of that there’s nothing left to do or say
Think I’ll dream, ‚til the stars shine

Das ist so traumhaft schön, dass die Missionarin in mir erwacht. Jedem meiner Bekannten, der in diesem Jahr noch seinen Geburtstag oder irgendeinen anderen festlichen begeht, werde ich Saal 3 schenken, möchte ich doch meine unbedingte Freude an diesem Album teilen! Zu Recht wurden Frau Contra Bass einmal von Jazzkritiker Frank Becker als „Duo von Gnaden“ bezeichnet. Und bei aller Sympathie für das andere in dieser Kolumne vorgestellte Berliner Duo – dagegen gibt es kein Ankommen. Ich kann nicht anders, als mich wahnsinnig auf die kommenden Live-Shows der „a-capella-erfahrenen“ Debus und des „sensiblen Zupfers und Slappers“ Höhn zu freuen. Hier sind die nächsten Termine:

17.09.09 Berlin, Bflat 20:30 Uhr
18.09.09 Kassel, Theaterstübchen 20:00 Uhr
19.09.09 Dahme, Schlossruine 19:00 Uhr
01.10.09 Nürnberg, Stimmenfang im Loft 20:00 Uhr
02.10.09 Wuppertal, Bandfabrik 20:00 Uhr

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Plattenkritik: 2Raumwohnung | Reverend & The Makers | Frau Contra Bass

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