Demnächst im Test:

Billboard
Grimm Audio / Hoerzone

Diapason

Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Diapason

 

März 2014 / Martin Mertens

Nicht, dass ich mich über meine Aufgaben als HiFi-Testredakteur beschweren könnte. Im Gegenteil: Ich betrachte es als ziemliches Glück, dass mein Hobby quasi mein Beruf ist. Wenn ich aber im Dezember eine spontane Einladung nach Italien, genauer nach Brescia in der Lombardei, bekomme, ist das schon ein Highlight. Also habe ich die Koffer gepackt, um der Einladung von Alessandro Schiavi zu folgen, seine dort beheimatete Firma Diapason zu besuchen.

Ok, ich sage es gerade heraus: Italien ist für mich das schönste Land der Welt. Die abwechslungsreichen Landschaften, die vielfältige Vegetation, die spannende alte wie neue Kultur; Städte wie Rom, Mailand, Venedig, Syrakus, Florenz, Pisa, Messina oder Neapel und noch viele andere. Dazu kommen die wunderbare italienische Küche und die Weine. Gott muss Italiener gewesen sein, weil er dieses Land so bevorzugt hat. Kaum ein Land der Welt bietet meinen Sinnen so vielfältige Genüsse wie Italien.

Es ist Mittag, als ich auf dem Flughafen von Bergamo, der hauptsächlich von Billigairlines als preiswerter Ersatz für Mailand angeflogen wird, lande. Herr Schiavi, Eigentümer und Mastermind der Lautsprechermanufaktur Diapason und Rainer Israel, der mit seiner Firma Friends of Audio die Lautsprecher von Diapason in Deutschland vertreibt, nehmen mich am Terminal in Empfang. Als erstes soll es von hier aus nach Vicenca gehen, wo wir die Schreinerei besuchen wollen, in der die einmaligen Lautsprechergehäuse aus massivem Nussbaum, die für Diapason-Lautsprecher charakteristisch sind, gefertigt werden.

Links die unbearbeitete Front des Modells Karis, die rechts im Bild fertig zu sehen ist

Noch ganz unter dem Eindruck des Landeanflugs, der die Maschine über die malerisch auf einem Hügel gelegene alte Oberstadt von Bergamo geführt hat, fange ich an zu schwärmen. Meine Begeisterung wird allerdings rasch von Alessandro Schiavi ausgebremst. Ja, sicher, Italien habe schöne Seiten, aber … Und ich erfahre auf dem ersten Stück unserer gut zweistündigen Autofahrt so einiges über das komplizierte italienische Denken, bei dem bei allen Entscheidungen zuerst eine Rolle spiele, wie sich was für einen persönlich auswirke und welche Verpflichtungen und Gefälligkeiten man zu berücksichtigen habe. Dann kämen noch ein ganzer Haufen anderer Aspekte hinzu. Sachliche Argumente stünden dabei grundsätzlich an letzter Stelle. Herr Schiavi verkündet stolz, dass er im geschäftlichen Bereich eher deutsch als italienisch denke, was nicht unerheblich zum Erfolg seiner Unternehmungen beigetragen habe. Es folgt eine Reihe von Anekdoten, die mir vor Augen führen, zu welch paradoxen Ergebnissen das italienische Denken auf allen Ebenen – von der Familie über die Wirtschaft bis zur Politik – führt. Ich fühle mich einigermaßen desillusioniert …

Beim Halt an einer Autobahnraststätte bessert sich meine Stimmung schlagartig. Was hier in den Vitrinen liegt, bekomme ich bei uns in Berlin nicht mal in der Feinkost-Apotheke Butter Lindner. Panini, Focaccia, Tramezzini, Ciabatta und was es sonst noch so an herzhaften Snacks gibt, fesseln neben Torten und Kuchen sowie anderen süßen Versuchungen meine Aufmerksamkeit. Und erst der Cappuccino! Kimbo, meine Lieblingsmarke! Bei uns kaum zu bekommen, hier an jeder Autobahnraststätte. Ok, sofort erfahre ich, das Kimbo den Konkurrenten Lavazza durch irgendwelche halbseidenen Machenschaften aus dem Geschäft mit den Autobahnraststätten gedrängt habe. Hmm.

Auf der Weiterfahrt macht mich Alessandro Schiavi auf die Dunstglocke vor uns aufmerksam: Smog. Der Smog liegt über der Stadt, in der er lebt und arbeitet: Brescia. Ich erfahre, dass die Po-Ebene von Mailand bis Venedig die größte zusammenhängende Industrieregion Italiens ist, dass es hier noch Schwerindustrie gibt, dass der Aufbau einer funktionierenden Infrastruktur für die Wirtschaft ständig durch Partialinteressen behindert werde und Umweltschutz nur dann stattfinde, wenn sich gerade mal ein Kontrolleur angemeldet habe, zu dem man keine familiären oder freundschaftlichen Beziehungen pflegt. Ich frage mich, ob die kulinarischen Verheißungen, denen ich noch zwei Gedanken lang hinterher hänge, es wert sind, solche Dinge in Kauf zu nehmen. Irgendwie bekomme ich den Eindruck, dass Herr Schiavi mein etwas verklärtes Italienbild gerade rücken will. Sobald ich mich für etwas begeistere, zählt er die Schattenseiten auf – was mir irgendwie sehr deutsch vorkommt.

diapason

Die fertigen Gehäuse werden dann in der Werkstatt von Diapason bestückt

Das ändert sich, als wir in die Dunstglocke von Brescia eintauchen. Jetzt fängt Signore Schiavi regelrecht an zu schwärmen. Ich erfahre, dass Brescia die bedeutendste Industriemetropole der Gegend sei. Daneben sei die Stadt auch sehr alt, vom kulturellen Erbe sei infolge der Industrialisierung leider nicht so viel übrig geblieben. Ein paar Highlights gäbe es aber noch. Alles in allem biete die Stadt eine hohe Lebensqualität. Und man sei schnell im Umland, in den Bergen und am Gardasee. Mit dem Fahrrad könne man wunderschöne Touren machen. Ich frage, was für eine Art Fahrrad er bevorzugt – Rennrad oder Mountain Bike. „Mountain Bike“ ist die prompte Antwort, gefolgt von einer Aufzählung, welche Modelle er besitzt und für welche Strecken er am liebsten welches Fahrrad nimmt. Auf alle Fälle ist er ein großer Fan der Marke Rocky Mountain, wobei er eher auf die älteren „Marathon“-Modelle steht, bei denen die Hinterradfederung noch tief angelenkt ist.

Wohlwissend, wohin ein Gespräch über Fahrräder mit Herrn Schiavi führen kann, unterbricht uns Herr Israel an diesem Punkt und erinnert daran, dass der Anlass meines Besuchs doch eigentlich die Firma Diapason und ihre Lautsprecher sind. Gut, eigentlich will ja auch ich wissen, wie Herr Schiavi dazu gekommen ist, Lautsprecher zu bauen – ganz besonders vor dem Hintergrund, dass er mir gerade ausführlich erklärt hat, wie schwierig es in Italien sei, wirtschaftlich etwas auf die Beine zu stellen. Lachend erzählt er, dass er gar nicht unbedingt vorgehabt habe, eines Tages Lautsprecher zu produzieren. Vielmehr habe alles während seines Studiums am Musikkonservatorium in Brescia begonnen. Bei der Beschäftigung mit Musikaufnahmen habe ihn gestört, dass es keine Lautsprecher gegeben habe, die in der Lage gewesen seien, den Klang akustischer Instrumente authentisch wiederzugeben. Also habe er begonnen, selber einen Lautsprecher zu entwickeln, der seinen diesbezüglichen Ansprüchen gerecht werde.

Billboard
VPI

Firmenbericht: Diapason

  1. 1 Diapason