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Grundlagen der Psychoakustik, Teil 1

Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Grundlagen der Psychoakustik, Teil 1

 

Juni 2014 / Michael Bruß

„Sound is a nutrient; we can either charge or discharge the nervous system by the sounds we take in through both air and bone conduction.“ – Dr. Alfred Tomatis (1920-2001)

Meine These: Psychoakustik ist die letzte Instanz in Sachen Klangqualität. Warum? Nun, die Art und Weise, wie wir Geräusche, Töne und Klänge wahrnehmen und darauf reagieren, ist letztendlich das Einzige, was bei der Beurteilung dieses Aspekts wirklich zählt. Aber warum nehmen wir Klänge so wahr, wie wir es tun – und warum ist die auditive Wahrnehmung nicht universell, sondern unterscheidet sich von Mensch zu Mensch, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Beurteilung der Qualität von Musikwiedergabeketten?

(Zum 2. Teil dieses Berichtes gelangen Sie hier)

Antworten (unter anderem) darauf versucht die Psychoakustik zu liefern. Sie ist ein Teilgebiet der Akustik ebenso wie der Psychophysik und versucht, ganz verallgemeinert gesagt, die subjektiven Reaktionen auf alles, was wir hören, zu erklären und zu objektivieren, dabei die Fähigkeiten und Grenzen des menschlichen Gehörs zu erforschen sowie die komplexen Vorgänge der subjektiven Schallwahrnehmung im Gehirn – also die Verarbeitung physikalischer Signale zu einem Höreindruck – zu beleuchten. Psychoakustik bewegt sich somit im Spannungsfeld zwischen den wissenschaftlich messbaren akustischen Stimuli mit ihren objektivierbaren physikalischen Qualitäten auf der einen Seite und den individuellen physiologischen und psychologischen Rückmeldungen darauf auf der anderen, erforscht also die Wechselwirkungen von und die Beziehungen zwischen akustischem Signal, Physiologie des auditiven Systems und psychologisch gefilterter Wahrnehmung.

Was ist hören?

Es ist in diesem Kontext alles andere als trivial, sich bewusst zu machen, was „hören“ eigentlich bedeutet. Wenn wir hören, nehmen wir die physikalischen Eigenschaften von akustischen Signalen¹ wahr, also Intensität und Schalldruck, gegebenenfalls Frequenz(en) und einige andere, teilweise zeitbasierte Parameter. Unser Ohr, beziehungsweise das gesamte auditive System, verwandelt Schallwellen in elektrochemische Impulse, die vom Nervensystem an das Gehirn übermittelt werden, wo weitere Prozesse zur Bearbeitung und Evaluierung des Signals stattfinden.

Jedes Ohr hört anders?Jedes Ohr hört anders?

Die physiologischen und neuronalen Begebenheiten unseres Gehörs ermöglichen es uns, daraus auf Parameter wie Tonhöhe oder Lautstärke sowie auf Entfernungen und die Richtung, aus der das akustische Signal in Bezug auf den Hörer kommt, zu schließen – und das bei gleichzeitiger Wahrnehmung vieler einzelner, sich überlagernder Signale. Nur die Berücksichtigung dieser Umstände und Prozesse sowie deren Erforschung ermöglichen es uns, das „Hörerlebnis“ zu verstehen und Anwendungen wie zum Beispiel beim Sounddesign oder Audio Mastering zu optimieren.

Unabhängig von solch „neumodischem Kram“ versuchen Wissenschaftler übrigens schon seit über 200 Jahren, diese Zusammenhänge zu verstehen und systematisch aufzuarbeiten. Dabei dient der menschliche Hörer immer als Referenz: einerseits als „Messinstrument“, indem er die wahrnehmbaren Attribute eines akustischen Signals beschreibt oder zum Beispiel den Unterschied zwischen zwei aufeinanderfolgenden Signalen bewertet, andererseits auch als „zu testendes Objekt“, wenn beispielsweise anhand der physikalischen Eigenschaften eines Signals und der vom Hörer beschriebenen Wahrnehmung derselben auf die physiologische Beschaffenheit des auditiven Systems des Hörers geschlossen wird. Beides führt zu Implikationen für psychoakustische Modelle (später mehr dazu).

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¹ Die folgenden Definitionen erheben keinen Anspruch auf allgemeingültige Korrektheit. Sie sind der Einfachheit halber zum Verständnis des Artikels gewählt – es gibt je nach Feld (z. B. Akustik vs. Musik) durchaus unterschiedliche Ansätze:

Geräusche: In der Regel aperiodische Schwingungen beziehungsweise Frequenzen, deren Schwingungen weder konstant noch ganzzahlige Vielfache voneinander sind – somit könnte man Geräusche als Hörempfindungen definieren, die nicht als Ton, Klang, oder daraus ableitbare Signaltypen bezeichnet werden können.

Töne sind periodische Schwingung mit einer bestimmten Frequenz – zum Beispiel ein Sinuston beziehungsweise dessen Kombination mit Geräuschkomponenten.

Klänge im akustischen Sinne: komplexe, regelmäßige Schallereignisse. Als Klang wird in der technischen Akustik ein periodischer Schalldruckverlauf mit der Periodendauer T bezeichnet, dessen einzelne Frequenzen (Harmonische) in einem ganzzahligen Verhältnis zur Grundfrequenz f(1) stehen. Die in der HiFi-Literatur gebräuchliche Bedeutung von Klang für die akustischen, qualitativ bewertbaren Charakteristika von Wiedergabesystemen sowie die allgemeinsprachliche Verwendung im Sinne von „Klang einer Stimme“ sind hiervon explizit abzugrenzen!

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Akustik: Grundlagen der Psychoakustik, Teil 1

  1. 1 Grundlagen der Psychoakustik, Teil 1